Spielstätten:
Die gute Nachricht: Laut IOC sind "98 Prozent der Arenen fertiggestellt". Gewerkelt wird nur noch am Velodrom der Bahnradfahrer, wo ein Testevent abgesagt werden musste, sowie am Kunstrasen des Estadio Olimpico. Der Holzboden der Bahn wird wohl erst Ende Juni einsatzbereit sein. Kein Vergleich zu den teils improvisierten Stadien vor zwei Jahren. Dafür sorgten zuletzt Meldungen für Entsetzen, wonach auf den Baustellen insgesamt elf Menschen ums Leben gekommen sind.
Kinderkrankheiten gibt es immer noch: So fiel bei den Turnern und Schwimmern zuletzt gleich mehrfach der Strom aus. Das Wasser für die Segler und Ruderer ist immer noch eine stinkende Brühe, die Guanabara-Bucht ein Hort für Krankheitserreger. Das sei die Aufgabe des Bundesstaates gewesen, so Bürgermeister Eduardo Paes. Sauberes Wasser wird es zu den Spielen nicht geben.
Infrastruktur:
Ein Viertel der Kosten entfallen auf die Metro-Linie 4 vom Tourismuszentrum Ipanema zum Olympia-Kern Barra vor der Stadt. Ob die rechtzeitig fertig wird, weiß aber keiner so genau. Der Bundesstaat erbat sich von der Regierung zuletzt mehr als 200 Millionen Euro. Als Notlösung ist ein "soft opening" im Gespräch, oder auch ein Transport nur für die Spiele. "Es wäre der Unterschied zwischen durchschnittlichen und großartigen Spielen", so Nawal el Moutakawel von der IOC-Kommission. Fällt die Linie flach, müsste man mit Bussen auf die ohnehin überfüllten Straßen ausweichen.
Ein tragisches Unglück suchte vor einigen Tagen ein weiteres Prestigeobjekt heim: Der Radweg Ciclovia Tim Maia, malerisch an einem Küstenstreifen zwischen zwei Stadtteilen gelegen, sollte ein Teil des olympischen Erbes sein, doch dann riss eine Welle ein 50 Meter langes Stück aus der Brückenkonstruktion, mindestens zwei Menschen starben. Die Frage nach der Ursache ist noch ungeklärt: Wurde beim Bau gepfuscht? Und was bedeutet das für andere Projekte der Baufirma im Hinblick auf die Spiele?
Kartenverkauf:
Rund 62 Prozent der insgesamt 7,4 Millionen Tickets sind vergeben. Finden die Wettkämpfe also vor halbleeren Rängen statt? Mario Andrada, Kommunikationsdirektor des OKs, widerspricht: "78 Prozent der zum Verkauf stehenden Tickets wurden veräußert. Wir sind auf dem richtigen Weg." Die Veranstalter hoffen darauf, dass der Staffellauf durch insgesamt 320 Städte des Landes für gesteigertes Interesse sorgt. Noch ist von Olympiafieber keine Spur, die heranrückenden Spiele könnten dafür noch sorgen. Außerdem warteten viele Fußballfans erst die Auslosung des Turniers um Neymar und Co. ab.
Gut möglich ist aber auch, dass die Party nicht so überschwänglich ausfällt wie bei der WM. Während das "jogo bonito" am Zuckerhut eine Ersatzreligion darstellt, zitiert der Deutschlandfunk Quellen, wonach acht von zehn Brasilianern keinen einzigen olympischen Sportler nennen können. Umgekehrt könnten die Meldungen über den Zika-Virus, Kriminalität etc. Touristen aus dem Ausland abgeschreckt haben.
Politik:
Im ganzen Land gibt es derzeit eigentlich nur ein Thema, ob in den Büros, Bars oder Wohnzimmern: Die langjährige Präsidentin Dilma Rousseff ist zwar offiziell noch im Amt, steht aber aufgrund Vorwürfen von Tricksereien im Staatshaushalt vor der Amtsenthebung. Das Parlament hat bereits zugestimmt, der Senat dürfte bald folgen. Dann müsste sie den Präsidentenpalast räumen, für zumindest 180 Tage. Interimspräsident wäre dann Vize Michel Temer. Den Rousseff offen als Putschisten anprangert und von einem "Staatsstreich" spricht.
Heißt: Temer würde auch während der Spiele der oberste Mann im Land sein. Bei einer Zustimmung von zwei Prozent in der Bevölkerung und einer tief gespaltenen Arbeiterpartei. Wobei die ohnehin längst in einem Korruptionsskandal versunken ist. Und nicht nur sie: Der staatliche Ölkonzern Petrobras soll über Jahre Schmiergelder gezahlt haben, gegen parteiübergreifend 60 Prozent aller Abgeordneten und Senatoren wird ermittelt. Der Treppenwitz: Auch gegen Temer Von 2003 bis 2010 Aufsichtsratschefin von Petrobras: Dilma Rousseff. Ihr wird zudem vorgeworfen, Vorgänger Lula mit einem Ministeramt schützen zu wollen.
Die Folge sind Politikverdrossenheit und eine zerrissene Bevölkerung, für und wider Rousseff, für und wider die gesamte Politikerkaste. Und eine gelähmte Regierung. Eigentlich könnten da nur Neuwahlen helfen, doch die wird es vor Rio nicht geben. Rousseff warnte bereits vor einem langen Kampf - und ließ aufhorchen, als sie einen Olympia-Boykott ausschloss. Zumindest in einer Sache sind sich die spinnefeinden Temer und seine nominelle Vorgesetzte also noch einig.