Beschlussfähig sind die hochrangigen Funktionäre aus aller Welt zwar nicht, doch könnten Rio-Sperren durchaus vorbereitet werden.
IOC-Präsident Thomas Bach versammelt beim Gipfel Vertreter der internationalen Fachverbände sowie der NOK's am Genfer See. Das Thema liegt auf der Hand: Nach der Sperre für die russische Leichtathleten soll die Legitimität weiterer Kollektivstrafen noch für die Olympischen Sommerspiele in Rio (5. bis 21. August) geprüft werden.
Vor allem Russland ist in Not. In den vergangenen Tagen richtete sich die internationale Stimmung immer mehr gegen das Riesenreich und seine in großen Teilen nachgewiesene Doping-Kultur. Das größte Land der Erde habe nicht nur ein Problem mit der Leichtathletik, "sondern mit der gesamten Sportorganisation des Landes", sagte Präsident Clemens Prokop vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV).
Auch Doping-Ermittler Rune Andersen, dessen Report die Grundlage für die Fortsetzung der Sperre gegen Russlands Leichtathleten bildet, stärkte die Anti-Russland-Front. "Wenn es in einem Land ein System gibt, wie es sich in der Leichtathletik zeigt, wie sollen wir glauben, dass der Rest des Sports sauber ist", sagte der Norweger der FAZ.
Auch Spanien, Kenia und Kroatien bangen
Doch nicht allein Russland könnte der Bannstrahl treffen. Auch Kenia, Spanien und Mexiko wurden zuletzt für "non compliant" - also nicht regelkonform im Sinne der Vorschriften der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) - erklärt. Fristen zur Einleitung von Reformen wurden nicht eingehalten. Genau mit diesen Ländern will sich der Gipfel beschäftigen und mögliche Vorlagen für Ausschlüsse geben.
Kenia steht dabei besonders im Fokus. Die WADA hatte das ostafrikanische Land wegen Doping-Verstößen am 13. Mai als non compliant bezeichnet. Zudem sind derzeit drei Top-Funktionäre des nationalen Leichtathletik-Verbandes AK suspendiert. Ende Mai präsentierte Kenia zwar ein verändertes Anti-Doping-Gesetz, doch fraglich blieb, ob damit genug getan wurde.
Russland wehrt sich indes mit Händen und Füßen, doch der gute Draht zwischen Staatschef Wladimir Putin und IOC-Präsident Thomas Bach scheint nicht mehr zu glühen. Auch der angekündigte Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS wegen der IAAF-Entscheidung verspricht kaum Aussicht auf Erfolg. Der CAS hatte erst kürzlich eine Entscheidung des Gewichtheber-Weltverbandes bestätigt, wonach bulgarische Athleten wegen Doping-Verstößen nicht in Rio starten dürfen.
Kollektivstrafe juristisch schwierig
Fraglich ist aber weiterhin aus juristischer Sicht, ob Kollektivstrafen gegen Verbände und Nationen ausgesprochen werden können, wenn nachweislich nur ein Teil der Betroffenen gedopt war. Einzelne, möglicherweise unschuldige Athleten, könnten Schadenersatz einklagen. Genau in dieser Frage soll der Gipfel in Lausanne Klärung bringen.
Eng wird es für den gesamten russischen Sport, wenn sich die Behauptungen von Whistleblower Gregori Rodtschenkow bewahrheiten, wonach es bei den Winterspielen 2014 im russischen Sotschi Manipulationen von Doping-Proben gegeben haben soll. Mehrere Dutzend russischer Athleten seien, behauptete der frühere Leiet des Moskauer Anti-Doping-Labors, gedopt in die Wettkämpfe am Schwarzen Meer gegangen. Klarheit gibt es in dieser Frage am 15. Juli, wenn der WADA-Report dazu vorliegt.
"Wenn sein Report irgendwelche Verstöße zeigt, dann wird ein Präzedenzfall möglich, um unseren kollektiven Einsatz für einen sauberen Sport zu demonstrieren", sagt WADA-Präsident Craig Reedie ungewohnt deutlich und drohte Russland erstmals mit Konsequenzen. Längst weiß auch der WADA-Chef, was bei der Russland-Frage auf dem Spiel steht: "Die Welt wird das verfolgen."