Gnade für Russland in der Doping-Krise? Viel deutet darauf hin. Beim IOC-Gipfel in Lima bröckelt die Anti-Russland-Front zunehmend. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) rückte immer weiter von ihrem Anti-Kurs ab, wetterte stattdessen am Freitag gegen die Nationalen Anti-Doping-Agenturen (NADOs), die einen Ausschluss des Riesenreichs von den Winterspielen in Pyeongchang im Februar gefordert hatten.
Gleichzeitig beschloss das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Einführung einer Geldstrafe für Athleten und Teams, die gegen Doping-Richtlinien verstoßen. Der Beschluss wurde in der Olympischen Charta verankert und ist brisant. Im Vorfeld des Gipfels von Lima gab es Berichte, wonach Russland mit einer hohen Geldstrafe von 100 Millionen Dollar davonkommen solle und von einem Olympia-Ausschluss verschont bliebe.
Es scheint, als habe die IOC-Spitze um Präsident Thomas Bach die WADA rechtzeitig auf ihre Linie gebracht. Schon vor Rio hatte das IOC auf einen Kollektiv-Ausschluss Russlands verzichtet. Das größte Flächenland der Erde soll bei den Winterspielen in Sotschi im ebenso großen Stil gedopt haben, der kanadische Sonderermittler Richard McLaren hatte dem Gastgeber ein systematisches Doping über Jahre hinweg attestiert.
Reedie: "Großer Fortschritt in Russland"
WADA-Chef Craig Reedie lobte am Freitag auffallend die Reformen in Russland im Anti-Doping-Kampf. Noch vor gut einem Jahr hatte seine Agentur den Ausschluss von Rio gefordert. "Es gibt einen großen Fortschritt in Russland. Es ist wichtig, dass die Russische Nationale Anti-Doping-Agentur (RUSADA, Anm.d.Red.) wieder ihre Arbeit aufnimmt", sagte Reedie nun in Lima.
Der Schotte betonte, dass es wichtig sei, dass die NADOs unabhängig seien, aber das bringe auch Verantwortung mit sich. Die NADOs würden den Fortschritt in Russland aber in keiner Weise anerkennen, das sei ein Fehler. "Die Arbeit der NADOs ist nicht hilfreich", betonte Reedie.
Russland wollte das aber noch nicht als Sieg verstehen. "Wir sind froh, dass Herr Reedie den Fortschritt lobt und sich von den Nationalen Agenturen distanziert", sagte Alexander Schukow, Chef des Nationalen Olympischen Komitees Russlands in Lima und fügte an: "Wir müssen ruhig bleiben und arbeiten."
50 Flaschen mit Doping-Proben untersucht
Zuvor hatte IOC-Mitglied Dennis Oswald die Ergebnisse seiner Kommission vorgestellt, die die Dopingvergehen der russischen Sportler bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi untersucht. Der Schweizer betonte, dass man noch mehr Zeit brauche und die Resultate einer forensischen Untersuchung abwarten müsse.
Derzeit werden 50 Flaschen mit Doping-Proben russischer Sportler geprüft. "Wenn wir die Resultate haben, werden wir die Athleten zur Anhörung einladen", erklärte Oswald. Er hoffe, dass man die Untersuchungen Ende des Jahres abgeschlossen habe. Er wisse auch, dass die Zeit wegen der Winterspiele im Februar dränge.
Auch die Ergebnisse der zweiten IOC-Kommission in der Doping-Krise um Russland wurde vorgestellt. Die Kommission des Schweizer Samuel Schmid befasste sich mit dem Verdacht einer institutionellen Verschwörung in Russland und der Rolle der russischen Regierung. Bislang stünden jedoch "keine detaillierten Informationen zur Verfügung", hieß es in dem Bericht. Auch die Schmid-Kommission hoffe auf Ergebnisse in den nächsten Wochen, um vor den Winterspielen Ergebnisse präsentieren zu können.