Der verbale Ritterschlag für Claudia Pechstein kam von oberster Stelle. "Dieser erneute Erfolg zeigt, aus welchem Holz sie geschnitzt ist", sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann dem SID nach Pechsteins Gold-Coup beim Eisschnelllauf-Weltcup in Stavanger.
Es sei "schlichtweg unglaublich", wie sie die besonderen Belastungen der vergangenen Jahre verarbeitet und sich neue Erfolge in "historischem Ausmaß hart erarbeitet" habe, so Hörmann. Auch deshalb sei die 45-Jährige bei Olympia eine Kandidatin für eine besondere Rolle im Team. "Dass sie damit zum Kreis der potenziellen Fahnenträger gehört, ist klar", sagte Hörmann.
Ganz so weit ist es natürlich noch nicht. Der Deutsche Olympische Sportbund will die ehrenvolle Aufgabe wie zuletzt nach einer Abstimmung durch die Öffentlichkeit und die Athleten vergeben. Auch knackte Pechstein dank des fulminanten 5000-m-Laufs in 6:56,60 Minuten "nur" die Olympia-Norm und muss für den Start in Südkorea formell noch nominiert werden. Dass dies aber keine Hürde darstellt, bewiesen nicht zuletzt Hörmanns Aussagen.
Lob von allen Seiten für die "Eislauf-Oma"
Mit seinem Lob für die selbsternannte "Eislauf-Oma" war der DOSB-Boss nicht allein. Sportdirektor Robert Bartko von der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) würdigte ihren Ehrgeiz ("super stark, super professionell"), auch die Konkurrentinnen verneigten sich in Norwegen bei der Siegerehrung vor der fünfmaligen Olympiasiegerin.
Und Pechstein? Die kostete ihren Triumph auf ihre ganz eigene Weise in vollen Zügen aus. "Das Ergebnis wundert mich nicht", sagte sie selbstbewusst im ZDF, "ich habe sehr gut gearbeitet." Sie sei stolz, so Pechstein, in deren Stimme Genugtuung mitklang.
Nicht nur die Bestätigung, die sie durch ihre Leistungen erfährt, treibt Pechstein im weit fortgeschrittenen Alter noch immer auf das Eis. Spätestens seit ihrer umstrittenen zweijährigen Sperre wegen erhöhter Blutwerte ist der Ansporn auch ein anderer.
Genugtuung nach zu Unrecht ausgesprochener Sperre
Der Weltverband ISU gebe ihr die größte Motivation, hatte Pechstein vor Beginn der olympischen Saison gesagt: "Nichts ist schöner, als auf dem Podium zu stehen und von der ISU honoriert werden zu müssen." So wie in Stavanger. Den Zeigefinger, den sie sich nach gelungenen Rennen - so auch am Sonntag - mahnend vor den Mund hält, gilt all ihren Kritikern, nicht zuletzt aber der ISU.
Pechstein kämpft seit Jahren gegen die von ihr als großes Unrecht empfundene Sperre, die sie die Teilnahme an den Winterspielen 2010 in Vancouver kostete. Sie zog vor verschiedene Gerichte und mühte sich durch die Instanzen, wartet aber noch immer auf den durchschlagenden Erfolg.
Im Vorjahr kassierte sie eine herbe Pleite vor dem Bundesgerichtshof (BGH), der ihre Schadenersatzklage gegen die ISU für unzulässig erklärte. Pechstein legte fristgerecht Verfassungsbeschwerde ein. "Siegen oder Sterben", sagte Pechstein mit Blick auf das Verfahren, "das ist definitiv mein Weg."
Den Wettkämpfen in Südkorea blickt Pechstein derweil weit weniger martialisch entgegen. Sie wolle "gesund bleiben und die Form weiter ausbauen", sagte Pechstein. Gelingt ihr das, könnten ihre siebten Olympischen Spiele zu einem persönlichen Wintermärchen werden.