WADA im Besitz von Moskauer Labors-Daten

SID
Antidoping Labor bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi
© getty

Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hat möglicherweise das entscheidende Puzzleteil für den Nachweis eines staatlich gelenkten Dopingsystems in Russland erhalten. Wie die WADA am Freitag mitteilte, sei das hauseigene Ermittlerteam in Besitz des so genannten Laboratory Information Management Systems (LIMS) des Moskauer Labors gelangt.

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Die Datensammlung enthält nach WADA-Angaben alle Doping-Testdaten zwischen Januar 2012 und August 2015. Während dieses Zeitraums sollen in Russland tausendfach Dopingfälle vertuscht worden sein.

Die zuständige russische Ermittlungskommission hatte am Mittwoch alle Vorwürfe des Staatsdopings für widerlegt erklärt. Die WADA teilte dagegen am Freitag mit, dass das neue Datenmaterial und die Querverweise zu den Erkenntnissen des unabhängigen Sonderermittlers Richard McLaren "die Beweisbasis der WADA gestärkt" habe.

Woher die WADA die Daten erhalten hat, sagte sie nicht. Nach Informationen der New York Times stammen sie von einem Whistleblower, der aktiv wurde, nachdem die russische Seite die Herausgabe verweigert hatte. Details aus dem Datensatz nannte die WADA nicht. Die für den Coup verantwortliche WADA-Abteilung für Aufklärung und Ermittlung wird vom Deutschen Günter Younger geleitet.

Mehr als 100 russische Athleten profiterten laut Bericht von Doping

McLaren hatte in zwei Berichten festgestellt, dass von einem staatlich gelenkten Dopingsystem in Russland zwischen 2011 und 2015 mehr als 1000 Athleten profitiert hätten. Die WADA verwies am Freitag noch einmal ausdrücklich auf Details: So habe das Moskauer Labor "in völliger Verletzung der internationalen Standards" dem Sportministerium alle positiven Analysen gemeldet, woraufhin das Ministerium mit einer "Rettungs- oder Quarantäne-Anordnung" die Tests der Athleten "negativ" meldete.

Auch auf Basis dieser Erkenntnisse hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) in den vergangenen Tagen gegen erste russische Sportler lebenslange Olympia-Sperren verhängt. Verhandlungen gegen 21 weitere russische Athleten laufen noch.

Strafe mit Blick auf die Winterspiele 2018?

Auf einer Sitzung zwischen dem 5. und 7. Dezember will die IOC-Exekutive eine übergreifende Strafe gegen Russland auch mit Blick auf die Winterspiele in Pyeongchang (9. bis 25. Februar) verhängen. Die neuen Daten, die laut WADA die beiden Russland-Kommissionen des IOC bereits erhalten haben, könnten eine härtere Bestrafung der Russen rechtfertigen.

"Die WADA steht weiterhin fest hinter den Ergebnissen der unabhängigen McLaren-Untersuchung", sagte Craig Reedie, Präsident der WADA: "Diese neue Nachricht dient dazu, unsere Forderung an die russischen Behörden zu bekräftigen, dass auch sie die Ergebnisse öffentlich anerkennen. Damit können wir alle Fortschritte beim Wiederaufbau des öffentlichen Vertrauens in den russischen Sport machen."

Das IOC teilte am Freitagabend auf SID-Anfrage lediglich mit, man begrüße, dass die WADA die Schmid- und die Oswald-Kommission über die jüngsten Entwicklungen informiert habe. Man werde weiter mit der WADA kooperieren, sagte ein IOC-Sprecher.

Russland verschärft Ton gegenüber WADA und IOC

Die WADA-Exekutive will in der kommenden Woche entscheiden, ob die russische Anti-Doping-Agentur RUSADA wieder anerkannt wird. In ihrer Mitteilung am Freitag betonte die oberste Anti-Doping-Behörde, dass nun mehr denn je zwei Voraussetzungen dafür gelten würden: Die Anti-Doping-Verantwortlichen in Russland müssten McLarens Ergebnisse anerkennen und die Regierung müsse uneingeschränkten Zugang zu sämtlichen Dopingproben und Daten, die im Moskauer Labor lagern, ermöglichen.

Seit den Sperren gegen erste russische Sportler, unter anderem gegen Langlauf-Olympiasieger Alexander Legkow, hatten die Russen den Ton gegenüber WADA und IOC verschärft. Mehrere Politiker forderten einen Boykott der Spiele von Pyeongchang, wenn das IOC tatsächlich die russische Hymne verbieten oder Athleten von der Eröffnungsfeier ausschließen würde. Unter anderem diese Maßnahmen erwäge das IOC zur Zeit, schrieb die New York Times.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den USA vorgeworfen, den Dopingskandal zur Diskreditierung der russischen Regierung zu nutzen. "Als Antwort auf unsere angebliche Störung ihrer Wahlen wollen sie jetzt Probleme bei unseren Präsidentschaftswahlen verursachen", sagte Putin am Donnerstag.

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