Kommentar zu den Olympischen Spielen in Tokio: Bitte einfach an die Sportlerinnen und Sportler denken!

Dr. Thomas Bach wird heftig kritisiert.
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Am Freitag beginnen die Olympischen Spiele mit der traditionellen Eröffnungsfeier (12.30 Uhr im LIVETICKER) - der Pandemie und dem anhaltenden Corona-Notstand in Tokio zum Trotz. Obwohl das Festhalten an den Sommerspielen unvorstellbar erscheint, ist es die richtige Entscheidung. Ein Kommentar.

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Eins vorneweg: Das IOC mit Präsident Dr. Thomas Bach an der Spitze ist eine verachtenswerte Organisation.

Das IOC hat im Vorfeld der Sommerspiele in beeindruckender Manier demonstriert, an was man interessiert ist (Geld! Viel Geld! Noch mehr Geld!) - und in genauso beeindruckender Manier, an was man nicht interessiert ist.

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An den Sportlerinnen und Sportlern, in einer Pressekonferenz des IOC-Chefs kann es schon mal 30 Minuten dauern, ohne dass ein einziges relevantes Wort über die verloren wird, um die es in der Theorie geht. An der Sorge der Einheimischen, dass die Olympischen Spiele zu einem Superspreader-Event werden. An der Meinung einer beträchtlichen Anzahl der Bevölkerung, die sich klar gegen eine Austragung ausgesprochen hat.

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An der nach wie vor geringen Impfquote in Japan. An der Tatsache, dass weder in- noch ausländische Zuschauer die Spiele live erleben können. Nein, die Einwohner Tokios sollen doch bitte am besten einfach zwei Wochen lang nicht ihre Wohnung verlassen und vor dem Fernseher jubeln, während die Oberen in ihren Luxus-Bunkern hausen.

Die Sportler-Perspektive muss in den Vordergrund treten

Ganz nüchtern betrachtet ist die Situation eine Katastrophe. Dennoch wird bei aller berechtigter Kritik und Ablehnung der Sommerspiele in Tokio eine entscheidende Perspektive viel zu wenig in den Vordergrund gerückt: die Perspektive der Sportlerinnen und Sportler. Die Einstellung, mit der man auf Tokio schaut, sollte weder von den Machenschaften des IOC geprägt sein noch von der Coronalage.

Sich über den IOC aufzuregen, ist einerseits ermüdend und andererseits auf viele andere Verbände und Organisationen zu übertragen. Geht es danach, können wir bald alle Großevents abschaffen. Und die Coronasituation ist bei aller zwingend erforderlicher Demut vor der momentanen - globalen - Pandemiephase unter Einbeziehung aller Faktoren kein stichhaltiges Argument gegen die Austragung.

Die paneuropäische EM inklusive aller Reisebewegungen ist deutlich kritischer zu bewerten als zweiwöchige Sommerspiele, bei denen die überwiegende Mehrheit der Sportler geimpft ist (80-Prozent-Quote im olympischen Dorf) und das ganze Event in einer geschlossenen Bubble ohne Zuschauer vonstatten geht. Selbst wenn die Bubble Lücken hat und Infektionen natürlich auftreten, ist es im Verhältnis "vertretbar", solange die Organisatoren kein eklatanter Ausbruch vor ganz neue Diskussionen stellt.

Die Absagen kommen aus "nicht-olympischen" Sportarten

Natürlich entsprechen diese Umstände nicht dem Geist der Sommerspiele. Die Magie Olympias besteht darin, dass Athleten und Fans aus aller Welt zu einem großen Sportfestival zusammenkommen.

Dass ein deutscher Bahnradfahrer in der Mensa die Lebensgeschichte des Ruderers aus Afrika erfährt. Dass der Bogenschütze plötzlich neben dem NBA-Megastar steht und beide - mit völlig unterschiedlichen Hintergründen - die Zeit ihres Lebens erleben. Nichts davon wird in Tokio zu sehen sein. Stattdessen müssen die Medaillen bei der Siegerehrung selbst von einem Tablett genommen werden, eine Bewegungsfreiheit für alle Teilnehmer ist praktisch nicht vorhanden.

Die deutschen Hockey-Herren beim Training in Tokio.
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Die deutschen Hockey-Herren beim Training in Tokio.

Auch mit diesen Gegebenheiten ist die hohe Anzahl an prominenten Absagen zu erklären. Allerdings ist hierbei klar zu erkennen, aus welchen Bereichen diese Absagen in erster Linie kommen: aus Sportarten, für die eine olympische Medaille nicht die größte Bedeutung hat. Das olympische Fußballturnier? Interessiert im Prinzip keinen Menschen. Gold im Golf? Na ja, schon ganz nett, aber nicht ansatzweise mit einem Major-Sieg zu vergleichen. Ähnliches gilt im Tennis.

Um diese Sportler geht es bei Olympia aber auch nicht. Es geht nicht darum, dass ein Golf-Superstar, der 100 Millionen auf dem Konto hat, vielleicht noch Gold in seinen Lebenslauf schreiben kann. Es geht um den Traum des Ringers, Kanuten oder Sportschützen, der sich erfüllt, ob mit oder ohne Medaille.

Badminton-Mixed morgens um 5.20 Uhr: Das ist Olympia

Es geht um Athletinnen und Athleten, die abseits der Spiele ein Schattendasein fristen und die nur diese eine Möglichkeit haben alle vier Jahre, um eine Bühne zu bekommen und um Sponsoren anzulocken, die ihren Lebensweg finanziell etwas einfacher machen.

Es geht um Sportler wie Säbelfechter Max Hartung, der jetzt fünf Jahre lang hart trainiert und auf seine letzten Olympischen Spiele als krönenden Abschluss einer erfolgreichen Karriere hingefiebert hat. Für all diese Sportlerinnen und Sportler wäre eine endgültige Tokio-Absage (eine nochmalige Verschiebung war nie praktikabel) eine persönliche sportliche Tragödie gewesen.

Die EM hätte im Gegensatz dazu nicht stattfinden müssen. Wir hätten so zwar den Weg dieser begeisternden Squadra Azzurra verpasst, das wäre auch jammerschade gewesen. Aber im großen Kontext gesehen hätten alle Fußballer auch ohne die EM weiter ein unnatürlich privilegiertes Leben führen können.

Das gilt aber nicht für die olympischen Heldinnen und Helden. Deshalb sollten wir in den nächsten zwei Wochen an diejenigen denken, um die es wirklich geht. In der Nacht auf Samstag trifft im Badminton das deutsche Mixed-Doppel Mark Lamsfuß und Isabel Herttrich auf Wang Yi Lyu und Huang Dong Ping. Um 5.20 Uhr geht es los im Musashino Forest Plaza. Das ist Olympia!

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