Lisa Unruh konnte ihr Glück nach einer emotionalen Achterbahnfahrt kaum fassen. Völlig losgelöst sprang die Silbermedaillengewinnerin von Rio ihren Teamkolleginnen Michelle Kroppen und Charline Schwarz in die Arme und drückte beide fest an sich. Der Weg von der tragischen Figur im Halbfinale zur Heldin im Duell um Bronze nahm die deutsche Vorzeigebogenschützin emotional gewaltig mit.
"Überwältigend. Ich freue mich riesig", sagte Unruh: "Es war total spannend. Wir haben super geschossen, haben es super gemacht. Bääm, es war einfach geil." Gegen Belarus zeigte die 33-Jährige eindrucksvoll ihre Klasse, mit einem perfekten Schuss in die Zehn brachte sie die Bronzemedaille höchstselbst nach Hause - und machte ihren Blackout aus dem Halbfinale vergessen.
Da hätte Unruh gegen das Russische Olympische Komitee bereits mit einer mageren Sechs den zweiten Satz unter Dach und Fach bringen und so die Weichen Richtung Finale stellen können, doch ihr unterlief mit einer Zwei ein seltener und teurer Fauxpas. "Der war richtig kacke, da habe ich mich tierisch aufgeregt", analysierte die Berlinerin.
Doch Unruhs Reaktion war beeindruckend. Ihrem Blackout folgten gleich zwei perfekte Schüsse in die Zehn, ehe sie im Bronzeduell zur Matchwinnerin avancierte. "Entscheidend ist, dass man sich wieder fängt und an seine Stärken glaubt", lobte Bundestrainer Oliver Haidn.
Olympia: Bundestrainer von eigenen Emotionen überrascht
Stolz war er auch auf Kroppen und die gerade einmal 20 Jahre alte Schwarz, die ihre größten Karriereerfolge feierten. "Ich wusste gar nicht, dass ich so laut sein kann", sagte Schwarz nach der kurzen, aber enthusiastischen Siegesfeier, bei der im Überschwang der Gefühle sogar die Sehne ihres Bogens riss.
Auf ihrem Weg zum Edelmetall waren den EM-Zweiten jeweils 6:2-Erfolge gegen Taiwan und Mexiko gelungen, ehe das 1:5 gegen ROC im Halbfinale für Ernüchterung sorgte. Doch auf dem Weg zur vierten deutschen Medaille im Bogenschießen ließen sie sich beim Favoritensieg Südkoreas nicht aufhalten.
Barbara Mensing, Cornelia Pfohl und Sandra Wagner-Sachse hatten im Team 1996 in Atlanta Silber und vier Jahre später in Sydney Bronze geholt. Es folgte der Siegeszug von Unruh im Einzel 2016 zu Silber, doch diese Medaille mit der Mannschaft bedeutet ihr fast noch mehr. "Es ist einfach so schön, zusammen zu siegen", sagte sie. Bei dieser einen Medaille muss es ja nicht bleiben, ab Dienstag startet das Trio im Einzelwettbewerb.
Auf dem Weg dahin komme ihnen das besondere "Flair" der Corona-Spiele von Tokio sogar entgegen, glaubt Unruh: "So können wir uns schneller auf den nächsten Wettkampf konzentrieren."