Japan ist während der Olympischen Spiele nicht nur sportlich auf einem Hoch: Im Gastgeberland haben auch die Coronazahlen ein Rekordniveau erreicht, der Notstand in der Hauptstadt Tokio wurde am Freitag bis Ende August verlängert, weitere Präfekturen unterliegen nun ebenfalls Einschränkungen. IOC-Präsident Thomas Bach bemisst den Einfluss der Spiele aber als gering.
"Mit Verlaub, es ist sehr, sehr weit hergeholt, eine Corona-Infektionszahl damit zu erklären, dass die Leute so begeistert sind, dass sie dafür eine Infektion in Kauf nehmen", sagte das Oberhaupt des Internationalen Olympischen Komitees am Freitag.
Dies würde auch "durch die Daten nicht gestützt", führte Bach aus. Vielmehr habe die "Häufigkeit der Bewegungen hier in Tokio stark abgenommen, um 30 Prozent. Das spricht genau gegen die These", dass die Spiele ein indirekter Pandemie-Treiber seien, merkte Bach an.
An der Misere der Japaner ändert das freilich nichts. Und natürlich ist es keineswegs glücklich, dass der höchste Stand der Corona-Neuinfektionen im Land mit dem im Vorfeld hochumstrittenen XXL-Sportfest zeitlich zusammenfällt.
"Das Feuer wütet", sagte Shigeru Omi, ein hochrangiger Berater der japanischen Regierung: "Wir müssen uns darauf konzentrieren, es so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bringen." Japan stehe vor der "größten Krise" der Pandemie, ergänzte der ehemalige Beamte der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Am Donnerstag waren die Infektionen erstmals landesweit auf über 10.000 geklettert, in Tokio wurden am Freitag 3300 neue Fälle gemeldet.
Für die Leute ist es schwierig, die Selbstbeherrschung zu bewahren"
Premierminister Yoshihide Suga warnte: "Die hochansteckende Delta-Variante übernimmt schnell die Oberhand, und wenn der Anstieg der Infizierten nicht zurückgeht, könnten wir sehen, dass die Zahl der Menschen in ernsthaftem Zustand steigt und die Krankenhäuser überfordert sind."
Im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen wurden am Freitag zwar "nur" 27 positive Fälle bekannt gegeben, dies ist aber ebenfalls bisheriger Höchstwert. Die Organisatoren verweisen auf die Maßnahmen, die Masken- und Abstandspflicht sowie tägliche Tests der Athletinnen und Athleten beinhalten. Laut Bach waren bislang unter 350.000 Tests nur 0,02 Prozent positive Ergebnisse.
Die olympische Gemeinschaft und die japanische Bevölkerung sind strikt voneinander getrennt. Was ursprünglich dafür sorgen sollte, die Einwohner des Gastgeberlandes zu schützen, könnte nun zur Trumpfkarte für "Bürgermeister" Bach und das IOC werden: Solange im Dorf die Zahlen niedrig bleiben, gibt es wenig Angriffsfläche - auch wenn Haruo Ozaki, der Vorsitzende der Tokioter Ärztekammer, warnte: "Für die Leute ist es schwierig, die Selbstbeherrschung zu bewahren, wenn wir dieses Festival veranstalten."
Außerhalb der Olympia-Blase setzt die japanische Regierung seit Beginn der Pandemie weniger auf Einschränkungen denn auf Eigenverantwortung. Im Notstand, der weit weniger streng als die meisten Lockdowns verläuft, müssen Restaurants und Bars früher schließen und dürfen keinen Alkohol verkaufen, die Sommerspiele finden zudem ohne Zuschauer statt.