Noch bevor sich Florian Wellbrock selbst die historische Goldmedaille für sein "persönliches Sommermärchen" umhängte, rief er schnell in der Heimat an. Mit seiner Verlobten Sarah Köhler und seinen Eltern teilte der erste deutsche Schwimm-Olympiasieger seit 33 Jahren über Facetime seine Freude. "Sie waren ein bisschen baff und wussten nicht, was sie sagen sollten", berichtete der 23-Jährige schmunzelnd, "mit so einem starken Abschluss hatten sie nicht gerechnet."
Wellbrock hatte nicht nur mitten in der Nacht in Bremen für Staunen gesorgt, sondern auch im warmen Wasser der Bucht von Tokio am frühen Morgen. Denn nach dem Frust über die verpassten Goldchancen im olympischen Pool hatte der Doppel-Weltmeister die versammelte Freiwasser-Weltspitze im Odaiba Marine Park mit einem grandiosen Start-Ziel-Sieg über zehn Kilometer deklassiert.
"Jungs, wollt ihr heute keinen Wettkampf schwimmen?"
"Er war auf einem anderen Planeten", wunderte sich sein italienischer Rivale Gregorio Paltrinieri, der mit Bronze zufrieden sein musste und ebenso wie der ungarische Silbermedaillengewinner Kristof Rasovszky nicht den Hauch einer Chance besaß. Bei Wassertemperaturen von rund 30 Grad hatte Wellbrock vom Start weg das Tempo bestimmt und "mit dem Feld gespielt, wie er wollte", sagte Bundestrainer Bernd Berkhahn sichtlich beeindruckt.
Daheim freute sich auch "Albatros" Michael Groß, der 1988 in Seoul das zuvor letzte Gold eines deutschen Schwimmers gewonnen hatte. "Es ist extrem wichtig, dass das deutsche Schwimmen aus dem Tal der Tränen wieder rausgekommen ist", sagte er dem SID.
Über die Zurückhaltung seiner Gegner war der erste deutsche Freiwasser-Olympiasieger der Geschichte selbst überrascht: "Ich bin um die erste Boje rum, habe mich umgeguckt und gedacht: Jungs, wollt ihr heute keinen Wettkampf schwimmen?" Später im ZDF-Studio staunte er: "Es wollte sich keiner mit mir um Gold streiten, das war merkwürdig."
Das könnte nach der Rückkehr am Freitag anders werden. Denn seinem Vater hat er eine Medaille versprochen. "Ich meinte vor Olympia, dass er schon mal einen Nagel in die Wand hauen kann", erzählte Wellbrock der ARD. Jetzt müssen sich Vater und Sohn einigen, welche Farbe bei den Eltern in Bremen und welche beim Olympiasieger in Magdeburg hängt.
Hitze und warmes Wasser spielen Wellbrock in die Karten
Die bronzene, die er über 1500 m Freistil im Becken gewonnen hatte, würde Wellbrock lieber abgeben. Denn sie hatte zusammen mit "Blech" über 800 m für den "Frust" gesorgt, der ihn bei seiner dritten und letzten Goldchance in Tokio antrieb, wie er nach seinem Triumph zugab.
Die Hitze und das warme Wasser spielten Wellbrock zudem in die Karten. Während die Konkurrenten "eingeschüchtert" waren, fand er es nicht "so viel wärmer als ein Schwimmbecken". Die Vorgabe von Berkhahn, den anderen nicht sofort davonzuschwimmen, sondern Kräfte zu sparen, war deshalb schnell erledigt. "Er konnte praktisch nicht langsamer schwimmen", meinte der Bundestrainer, "was soll er machen?"
Erst auf den letzten Metern, als er längst die letzten Widersacher abgehängt hatte, spürte auch Wellbrock: "Der Körper überhitzt langsam." Mit letzter Kraft zog er sich nach 1:48:33,7 Stunden auf den Ponton und fragte nach Erfrischung: "Die Sonne hat von oben runtergeballert, da war ich sehr froh, dass ich ein kaltes nasses Handtuch bekommen habe."
Mit einem Golfcart ließ er sich zur Interviewzone bringen und griff dann schnell zum Handy. Seiner Verlobten Köhler, die nach Bronze über 1500 m schon am Montag hatte abreisen müssen, konnte er "nicht in die Arme fallen", meinte Wellbrock, "aber das tun wir morgen." Denn gleich am nächsten Tag geht der Flieger in die Heimat.