Malaika Mihambo wollte nicht hinsehen, sie saß an der Grube und hielt sich beim letzten Versuch von Brittney Reese die Augen zu. Als die US-Amerikanerin dann aber vor der Sieben-Meter-Marke landete, gab es kein Halten mehr: Die Weltmeisterin flog in einem wahren Weitsprung-Krimi von Tokio zum Olympiasieg und sicherte sich mit ihrem finalen Sprung als erste Deutsche seit Heike Drechsler vor 21 Jahren Gold.
"Ich bin überwältigt. Ich glaube, es war bei den Frauen der spannendste Weitsprung-Wettkampf der Geschichte. Es war so aufregend, dabei zu sein, und ich bin froh, dass ich es am Ende geschafft habe. Ich wusste die ganze Zeit, dass ich es schaffen kann", sagte Mihambo.
2016 in Rio hatte sie bei ihrer Olympia-Premiere als Vierte eine Medaille knapp verpasst. Nun wurde Mihambo die vierte deutsche Weitsprung-Olympiasiegerin nach Heide Rosendahl (1972), Angela Vogt (DDR/1976) und Drechsler (1992/2000).
"Der Wettkampf hört erst nach dem sechsten Versuch auf. Wichtig war, den Glauben nicht zu verlieren. Ich wusste, ich kriege noch eine allerletzte Chance", sagte Mihambo, die in einer Hitzeschlacht bei 36 Grad am Vormittag in Tokio ein unglaubliches Auf und Ab erlebte, im ZDF. Vor dem letzten Durchgang hatte sie mit 6,95 m noch hauchdünn hinter London-Olympiasiegerin Reese und der Nigerianerin Ese Brume (beide 6,97) auf Platz drei gelegen, dann zog sie aber unfassbar nervenstark mit 7,00 m vorbei.
Mihambo hat schwere Saison hinter sich
In einem packenden Wettkampf auf nicht allerhöchstem Niveau hatte sich Brume im ersten Durchgang mit 6,97 an die Spitze gesetzt. Mihambo kam nach solidem Auftakt (6,83) bis auf zwei Zentimeter heran. Die 34 Jahre alte Reese schob sich an der weitengleichen Brume vorbei, die Serbin Ivana Spanovic blieb mit 6,91 ebenfalls auf Schlagdistanz. Zur Halbzeit lagen die besten fünf innerhalb von neun, die besten acht innerhalb von 17 Zentimetern. Alles war möglich.
"Wenn ich mal einen auf dem Brett treffe, passt das auch von der Weite her", hatte Mihambo nach der Qualifikation gesagt. Das wurde aber im Finale ein Problem: In Durchgang drei - beim EM-Triumph 2018 und dem WM-Titel 2019 jeweils ihr bester - verschenkte sie 20 Zentimeter, kam aber dennoch auf 6,78 m. In der vierten Runde lief sie durch.
"Irgendwas ist anders geworden", rief sie ihrem Trainer Ulrich Knapp auf der Tribüne zu. Sie fand den verloren Faden nicht, übertrat im fünften Versuch. Als sie dann aber Bronze sicher hatte, legte sie alles in den letzten Sprung. Mihambo traf das Brett nicht, verschenkte 19,5 Zentimeter - und dennoch leuchteten die magischen und letztlich entscheidenden sieben Meter auf.
Mihambo, die bei ihrem WM-Triumph 2019 in Doha 7,30 gesprungen war, hatte nur schwer in die Saison gefunden und lange mit Anlaufproblemen zu kämpfen gehabt. Rechtzeitig vor Olympia zeigte sie aber einen deutlichen Aufwärtstrend und näherte sich wieder der Sieben-Meter-Marke an. "Es war gut, in der schwierigen Phase immer den Kopf oben behalten zu haben", sagte sie.
In der Qualifikation überzeugte Mihambo am Sonntag mit 6,98 m, gesprungen allerdings erst im letzten Versuch. Der riss es auch nun im bestmöglichen Moment heraus.