Kommentar zu den Olympischen Spielen von Peking: Ein olympischer Ermüdungsbruch

IOC-Präsident Thomas Bach bei der Abschlusszeremonie der Winterspiele am Sonntag in Peking.
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Die Olympischen Propaganda-Spiele von Peking sind zu Ende. Endlich! Trotz vieler großartiger sportlicher Momente hat die olympische Bewegung komplett ihren Glanz verloren. Und ein Wandel ist nicht in Sicht. Ein Kommentar.

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Was bleibt nach 16 Wettkampftagen von Peking? Was sollen wir mit diesen Olympischen Spielen denn jetzt anfangen? Wie soll das alles weitergehen? Ehrliche Antwort: Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.

Das Wichtigste ist, dass wir an dieser Stelle zuerst den großartigen Leistungen des Team D Respekt zollen sollten. 12-mal Gold, Rang zwei im Medaillenspiegel, die Zielvorgabe (zwischen Rang zwei und sechs) locker erreicht - alleine die nackten Zahlen sind fantastisch, auch wenn die Breite zugegeben schon mal besser war.

Dazu kamen besondere Momente, die für Gänsehaut sorgten und die einen tatsächlich für einen kurzen Moment alles drumherum vergessen ließen. Der größte deutsche Star der Spiele abseits unserer Athletinnen und Athleten war eindeutig ARD-Reporter Jens-Jörg Rieck.

"Ja, hast du denn die Pfanne heiß!" - das unfassbare Langlauf-Gold von Katharina Hennig und Victoria Carl und sein Kommentar dazu waren vielleicht DAS emotionale Highlight von Peking.

Wir müssen auch der unwahrscheinlichen deutschen Dominanz im Eiskanal huldigen (9 von 12 Goldenen, 16 von 27 Medaillen). Mein Gott, ist dieser Eiskanal ekelhaft, weil so sündhaft protzig und teuer, aber mein Gott, am Ende musst du dir eigentlich ein Gemälde von ihm machen lassen.

Das alles und auch der Fakt, dass organisatorisch vieles besser lief als befürchtet (Hey, es hat sogar geschneit!), kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich einen olympischen Ermüdungsbruch erlitten habe.

Olympia: Die unerträglichen Auftritte des Thomas Bach

Ich bin müde, IOC-Präsident Thomas Bach zuzuhören. Wie er jetzt wieder die Peking-Spiele quasi zu den größten Spielen aller Zeiten erklärt hat. Natürlich, Herr Bach. Natürlich! In Wahrheit haben das IOC und China Peking 2022 genau zu den Propaganda-Spielen gemacht, die alle erwartet haben.

Eine perfekte Inszenierung, angefangen mit der uigurischen Langläuferin, die medienwirksam das olympische Feuer entfachen durfte. Getreu dem Motto: Schaut her, hier ist alles super!

Wie er schon zu Beginn in einem Anflug von Ehrlichkeit klarmachte, was Athleten für ihn sind: Schauspieler in einem von ihm dirigierten Theaterstück. Wie bei Hamlet halt.

Wie er sich aus Gründen der Effekthascherei mit den Rodel-Helden Tobias Arlt und Tobias Wendl kurz für ein Foto ablichten ließ und sofort wieder verschwand. Eine unerträgliche Show.

Wie er im absolut dramatischen Fall der 15-jährigen Kamila Walijewa Empathie heuchelte. Es sei ihm kalt über den Rücken gelaufen, meinte er. Aber gleichzeitig bei Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wegschauen - gezielt wegschauen. Mit der immer propagierten "Neutralität" hat das selbstredend nichts zu tun. Wie kann ein Mensch in so einem Paralleluniversum leben? Wie kann man so komplett den Kontakt zur Basis verloren haben?

Glückwünsche, die keiner will: Thomas Bach mit den deutschen Rodel-Doppelsitzern.
© imago images
Glückwünsche, die keiner will: Thomas Bach mit den deutschen Rodel-Doppelsitzern.

Olympia: Kommt der Zauber in Paris zurück?

Der Fall Walijewa war mit Sicherheit das Schlimmste an diesen Spielen. Unabhängig von allen Dopingvorwürfen und dem katastrophalen Umgang damit, hat es einem das Herz zerrissen.

Es hat einem das Herz zerrissen, als man dabei zuschauen musste, wie ein Mädchen unter einem unmenschlichen Druck zusammenbrach. Und zum einsamsten Mensch der Welt wurde, als sie danach auch noch von ihrer Trainerin Eteri Tutberidze zusammengefaltet wurde.

Das ist keine Trainerin, das ist ein Monster. Russland mit seinem gnadenlosen System und das IOC, die es zuließen, dass es überhaupt so weit kommen konnte und ihre Fürsorgepflicht so sehr verletzten, sollten sich schämen.

Nein, diese Olympischen Spiele haben ihren Zauber verloren. Eigentlich muss man mit ihnen brechen. Oder um es mit den Worten von Moderator Klaas Heufer-Umlauf im "Baywatch Berlin"-Podcast zu sagen: "Mitten in die Landschaft haben die einfach so ne Skisprung-Schanze reingezimmert, es ist denen alles egal."

Olympia: Prinzip Hoffnung für Paris?

Es war bezeichnend zu sehen, wie die jetzt sechsfache Olympiasiegerin Natalie Geisenberger bei Markus Lanz im ZDF saß und völlig desillusioniert erklärte: "Nie wieder China."

Die nächsten Olympischen Spiele finden 2024 in Paris statt, danach folgt Italien mit Mailand und Cortina d'Ampezzo, dann Los Angeles. An Peking wird dann niemand mehr denken. Auch Corona wird - hoffentlich - keine Rolle mehr spielen. Ob dann automatisch auch wieder der Glanz und die Euphorie für die olympische Bewegung zurückkommt?

Das muss wohl jeder für sich entscheiden, denn eines ist einmal mehr klargeworden: Das IOC wird diese Spiele nicht kritisch analysieren. Das rückgratlose IOC ist nicht interessiert an einer offenen Debatte. Das IOC wird sich nicht verändern.

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