Nach der schwersten Niederlage ihrer ruhmreichen Karriere fand Mikaela Shiffrin Trost in den Armen ihrer Mama. "Du hast alles gegeben und hattest richtig Feuer", sagte Eileen Shiffrin, und ihre warmen Worte zeigten Wirkung. Shiffrin, sonst nahe am Wasser gebaut, verdiente sich nach dem völlig überraschenden und sensationell frühen Aus im Olympia-Riesenslalom die Medaille für Tapferkeit.
Klar, dass das Rennen für sie nach nur sieben Toren zuende war, "ist eine große Enttäuschung", sagte die 26 Jahre alte Amerikanerin, "darüber werde ich nie hinwegkommen." Doch sie wirkte gefasst, als sie von ihrem Missgeschick erzählte und betonte: "Ich werde jetzt nicht weinen, das ist nur Energieverschwendung."
Was war passiert? "Ich bin ein Tor falsch angefahren und habe den höchstmöglichen Preis dafür bezahlt", meinte die Olympiasiegerin von 2018. Sie rutschte aus dem Kurs, und dann war "der Tag zuende, noch ehe er für mich so richtig angefangen hatte".
Dass Shiffrin ausscheidet, noch dazu so früh, ist extrem selten. In einem "Riesen" ist ihr das letztmals vor vier Jahren passiert. Seitdem stand sie bei 27 Weltcup-Starts 17-mal auf dem Podium und gewann acht Mal, holte Bronze und Silber bei der WM sowie Olympia-Gold.
Shiffrin: "Ich habe noch einiges vor"
"Aber dieser Schnee", sagte sie über die künstliche Unterlage am Xiaohaituo, "verzeiht nichts". Man solle sie bitte nicht falsch verstehen, "der Berg macht richtig Spaß, die Bedingungen sind unglaublich gut". Aber schon ein einziger Fehler könne einer zu viel sein.
Dabei hatte und hat Shiffrin in Yanqing Großes vor. In allen sechs Wettbewerben will sie antreten, ihre größten Chancen auf Gold hatte sie im Riesenslalom und hat sie im Slalom am Mittwoch. Die Form passe, glaubt sie, "ich hatte das Gefühl, dass ich die richtige Mentalität hatte."
Als sie trotzdem im ersten Anlauf auf ihren dritten Olympiasieg nach jenen im Slalom 2014 und im Riesenslalom 2018 so abrupt gescheitert war, zeigte sie Größe: Shiffrin gab den Teamkolleginnen per Funk Tipps, und als Nina O'Brien ins Ziel kam jubelnd die Cheerleaderin.
Und jetzt? "Ich muss nach vorne schauen, ich habe noch einiges vor", meinte sie und verabschiedete sich zum Slalom-Training. Klappt's am Mittwoch? "Ich habe ein gutes Gefühl."