SPOX: Glückwunsch zum Einzug ins Halbfinale! Sie stehen nun ganz dicht vor dem Gewinn einer Medaille. Der perfekte Abschied von Europa in Richtung NBA?
Andrei Kirilenko: (lacht) Oh ja! Ich will diese Medaille unbedingt! Wir haben hier ein tolles Team, das zwar nicht den besten Basketball spielt, das aber kämpft bis zum Umfallen. Wir sind wie kleine Hunde, die beißen und um jeden Ball fighten. Ich mag es zu sehen, dass das russische Team in den letzten Jahren ein Gesicht bekommen hat. Wir geben niemals auf.
SPOX: Ist es das, was das russische Team so stark macht?
Kirilenko: Ich denke, unser Coach David Blatt hat es geschafft, uns einen gewaltigen Teamspirit zu geben. Er sagt: Wir haben nicht die überragenden Scorer, dafür aber eine überragende Team-Defense. Also müssen wir auch entsprechend spielen. Das funktioniert sehr gut. Und auch abseits des Feldes sind wir eine gute Gemeinschaft. Es gibt keine Einzelgänger. Wenn einer etwas unternehmen will, schließen sich die anderen in der Regel an.
SPOX: Jetzt geht es gegen Spanien und damit gegen alte Bekannte.
Kirilenko: (lacht) Gegen ganz alte Bekannte. Mit Pau Gasol, Jose Calderon und Juan Carlos Navarro habe ich schon in der Jugend zusammen gespielt. Die kenne ich seit bestimmt 15 Jahren. Das wird ein großer Spaß werden. Wir kennen uns gegenseitig in- und auswendig. Da wird es einzig und allein darauf ankommen, wer an diesem Tag, in diesem Spiel besser drauf ist.
SPOX: Welcher Europäer ist denn im Moment die Nummer eins?
Kirilenko: Das ändert sich von Saison zu Saison. Es hat immer mal einer ein großartiges Jahr, ein anderer hat dafür Probleme. Aber es läuft auf die bekannten Namen hinaus. Dirk Nowitzki, obwohl er schon ein bisschen älter ist als die anderen, Pau Gasol, Tony Parker.
SPOX: Sehen wir bei diesen Olympischen Spielen den besten AK47 aller Zeiten?
Kirilenko: Das will ich selbst nicht beurteilen. Ich bin nie ein großer Scorer gewesen, ich bin eher ein Teamplayer, der sowohl in der Offense als auch in der Defense die kleinen Dinge erledigt und dadurch dem Team hilft.
SPOX: Hat Sie das Jahr in Russland besser gemacht, weil Sie nun beide Welten kennen, die NBA und Europa?
Kirilenko: Es hat mich schon vielseitiger gemacht, denke ich, denn in den USA und Europa wird ein völlig unterschiedlicher Basketball gespielt. Ich will gar nicht sagen, welche Art besser ist, aber sie sind eben kaum vergleichbar. Die Spanier arbeiten zum Beispiel mit unglaublich schnellem Passspiel, bei den US-Jungs geht es dagegen meistens um pure Athletik. Auch die Südamerikaner sind extrem tough. Die Asiaten dagegen rennen und werfen fast ausschließlich und du verstehst manchmal gar nicht, was sie auf dem Feld machen. So hat jedes Team seinen eigenen Stil. Das macht es so interessant, bei den Olympischen Spielen Basketball zu schauen.
SPOX: Sie haben sicher auch das Dream Team gesehen. Sind die USA überhaupt zu schlagen?
Kirilenko: Sie sind zu schlagen, aber nur sehr, sehr schwer. Sie spielen immer großartig, haben auf jeder Position im Roster einen Spieler, der weiß, wie man spielt, wie man scort, wie man reboundet, wie man im entscheidenden Moment agieren muss. Wenn man sie packen will, muss man seinen eigenen Plan über die kompletten 40 Minuten perfekt umsetzen, ohne auch nur eine Sekunde nachzulassen. Die Argentinier haben das in ihrem Gruppenspiel 30 Minuten lang großartig getan, das eine entscheidende Viertel haben sie dann aber 17:42 verloren.
SPOX: Einen Mann aus dem Dream Team werden Sie im kommenden Jahr viel besser kennen lernen, Kevin Love, den Star der Minnesota Timberwolves. Warum haben Sie sich für einen Wechsel zu den T-Wolves entschieden?
Kirilenko: In der Offseason hat sich die Möglichkeit ergeben, wieder in die NBA zurückzukehren. Ich hatte in der vergangenen Saison einige Spiele der T-Wolves gesehen und fand das Team sehr interessant. Sie bewegen sich viel, spielen einen europäischen Stil. Das gefällt mir. Und ich liebe Rick Adelman. Seit seiner Zeit in Sacramento bin ich ein Fan von ihm. Ich dachte mir: Er ist der Coach, der dafür sorgen kann, dass ich in das Spielsystem passe. Das ist eine große Chance für mich. Ich fand auch andere Teams sehr interessant, aber die hatten einen anderen Spielstil, mehr auf Individualisten abgestimmt und weniger auf Teamplay. Aber genau das ist es, was ich mag.
SPOX: Mit Ihnen geht auch Ihr Mannschaftskollege Alexej Shved nach Minnesota. Was halten Sie von ihm?
Kirilenko: Ich mag sein Spiel! Ich denke, er hat in diesem Jahr den Durchbruch geschafft. Die Olympischen Spiele deuten an, dass er nun in der Lage ist, auf dem höchsten Niveau zu spielen. Ich finde es gut, dass ihm unser Coach im Vergleich zur EM im vergangenen Jahr mehr Freiheiten lässt und ihm mehr Verantwortung gibt.
SPOX: Kann er es in der NBA schaffen?
Kirilenko: Ich hoffe es. Jeder sieht das Potenzial, das er hat. Vor allem bringt er die körperlichen Voraussetzungen mit, die es schwer machen werden, ihn in der NBA zu verteidigen. Seine Fähigkeit, sowohl für sich selbst als auch für seine Mitspieler Spielzüge zu kreieren, wird in der NBA sehr wertvoll sein.
SPOX: Schon jetzt extrem wertvoll ist Kevin Love. Hat er das Zeug zum NBA-MVP?
Kirilenko: Auf jeden Fall. Er hätte schon in der vergangenen Saison MVP werden können, ist aber daran gescheitert, dass sein Team die Playoffs verpasst hat. Dazu kam die Verletzung, die ihn zu einer Pause gezwungen hat. Wenn du in der NBA einen Franchise Player hast, dann muss der auch immer spielen. Ansonsten kommt das Team ins Wanken. Gerade von Kevin hing das gesamte Spiel der Timberwolves ab.
SPOX: Glauben Sie, dass Sie mit Ihrer Erfahrung den T-Wolves helfen können, nicht so schnell ins Wanken zu kommen und die Playoffs zu erreichen?
Kirilenko: Ich werde mein Bestes tun. Ich bin wie gesagt nicht der große Scorer, aber ich kann den Team in vielen Bereichen sicher helfen.