Es war alles Lüge: Ein neues Beweisvideo und weitere Zeugenaussagen haben Licht ins Dunkel von "Water-Gate" gebracht, der merkwürdigen Affäre um vier US-Schwimmer in Rio de Janeiro. Superstar Ryan Lochte und Co., die mit ihren Erzählungen über einen bewaffneten Raubüberfall Rio in Aufruhr versetzt hatten, haben gelogen - weil sie massiv über die Stränge geschlagen hatten und ihre spätpubertären Ausfälle vertuschen wollten.
Einen vorläufigen Schlussstrich zog die Polizei von Rio während einer Pressekonferenz im Stadtteil Leblon, die wegen des großen Medienandrangs in einem Theater abgehalten wurde. "Es gab keinen Raubüberfall", sagte der leitende Ermittler Fernando Veloso. Die Schwimmer hätten "Vandalismus-Handlungen begangen", ergänzte er.
Dann sagte er noch einen Satz, den das komplette US-Team in Rio und das halbe Land beschämen dürfte: "Die Bürger von Rio mussten erleben, wie der Name ihrer Stadt durch eine Lügengeschichte beschmutzt wurde. Es wäre angemessen, um Entschuldigung zu bitten. Das ist bis jetzt nicht passiert." Erst am späten Abend reagierte das US-Olympiakomitees (USOC), bestätigte den Vorfall und bat die Gastgeberstadt Rio "und die Menschen in Brasilien" um Verzeihung.
"Das war purer Vandalismus"
Video und Zeugenaussagen entlarvten die bisherigen Erzählungen der Schwimmer als Räuberpistole. Auf einem Überwachungsvideo sind die entscheidenden Aktionen am frühen Sonntagmorgen zum Großteil zu sehen. Lochte und seine Kollegen Gunnar Bentz, Jack Conger und James Feigen randalierten in der Toilette einer Tankstelle. Der Besitzer sagte aus, die Amerikaner seien zuvor aus dem Auto gestiegen und pinkelnd an der Gebäudewand entlanggegangen. "Das war purer Vandalismus", sagte er.
Als sie von einem Sicherheitsbeamten gestellt wurden, wollten die US-Schwimmer flüchten, woraufhin der Wachmann seine Waffe zog. Daraufhin beglichen Lochte und Co. den Schaden mit Bargeld - sie zahlten 100 Real und 20 US-Dollar (insgesamt ca. 45 Euro). Danach durften sie gehen.
Vor allem Lochte hatte mehrere Versionen präsentiert, die letzten Anpassungen nahm er am Mittwoch in einem Telefongespräch mit dem US-Olympia-Sender NBC vor. Ihm sei doch keine Waffe an den Kopf gehalten, sie sei nur auf ihn gerichtet worden. Das Auto, in dem er und seine Buddies unterwegs gewesen seien, sei auch nicht angehalten, sondern überfallen worden, als es an einer Tankstelle stand.
Lochte: "Wir sind die Opfer"
Durchgeführt hätten die Aktion, so hieß es ganz am Anfang, verkleidete Polizisten. Noch am Mittwoch hatte Lochte gegenüber NBC erklärt: "Wir sind die Opfer, und wir sind froh, in Sicherheit zu sein." Über den Vorfall war seit Sonntag hitzig diskutiert worden, sogar das US-Außenministerium hatte sich eingeschaltet.
Lochte hat relativ leicht reden. Er hat Brasilien bereits in Richtung Heimat verlassen. Ihn soll nach Angaben des brasilianischen Ermittlungsleiters mittlerweile das FBI in den USA verhören. Seine Teamkollegen Bentz und Conger dagegen waren unmittelbar vor dem Rückflug in die USA aus dem Flugzeug heraus in Gewahrsam genommen.
Später wurden Bentz und Conger auf freien Fuß gesetzt, durften das Land aber zunächst nicht verlassen. Dasselbe galt für Feigen, der am Donnerstagmorgen ebenfalls noch in Brasilien weilte. Über das Trio muss nun die brasilianische Justiz entscheiden. Für falsche Angaben in einem Polizeibericht droht in Brasilien bis zu einem halben Jahr Haft.
Zweifel bestehen schon seit Dienstag
Am Freitag verkündete Feigens Anwalt Breno Melaragno schließlich, dass sein Mandant einer nicht näher genannten Organisation die beträchtliche Summe von 35.000 Real (rund 9500 Euro) spenden werde. "Wenn das abgeschlossen ist, erhält er seinen Pass und kann nach Hause zurückkehren", sagte Melaragno bei NBC.
Die Behörden wollten vor allem Lochte und Feigen noch einmal anhören. Das Duo hatte sich bei der Polizeibefragung in heftige Widersprüche verwickelt. "Die brasilianischen Behörden wollen jetzt nur ihr Gesicht wahren, nachdem sie zugelassen haben, dass sich der ganze Vorfall zu einem Zirkus entwickelt hat", sagte Lochtes Anwalt Jeff Ostrow am Mittwoch.
Polizei und Staatsanwaltschaft sahen die Sache da schon anders. Sie reagieren äußerst sensibel, weil das Thema Gewalt ohnehin die Olympischen Spiele schon mehr als genug im Griff hat. Ein Schuss auf das Pressezelt der Reiter in Deodoro, ein Pressebus, der beschossen oder angeblich doch nur von Rowdies mit Steinen beworfen wurde - Vorfälle wie diese produzierten mehr als genug Negativschlagzeilen während Olympia. Falsche Schlagzeilen wollten sie sich nun nicht mehr bieten lassen.