DeMarcus Cousins gewinnt den Tip-Off. Der Ball fällt in die Arme von Kevin Durant, der ihn direkt an Kyrie Irving weiterleitet. Ohne zu zögern bedient der Cavs-Spielmacher KD wieder auf dem Flügel - bang! Nothing but net.
Nicht einmal sieben Sekunden dauerte es, bis die frenetischen Warriors-Fans den ersten Korberfolg Durants in der Oracle Arena feiern durften, natürlich war es ein Dreier.
"Kyrie ist einfach ein toller Typ", so der Neuzugang: "Er sagte mir vorher, dass er den Ball sofort zu mir spielen würde, egal, was passiert. Ich wusste schon gestern, dass ich den ersten Wurf nehmen werde. Glücklicherweise ist er reingegangen."
Die Menge war verzückt und nach weiteren sieben Punkten von KD in Folge sah selbst der letzte Skeptiker in der Bay Area das Banner vor dem inneren Auge: Golden State Warriors, NBA Champions 2017.
Zwei Welten
Eigentlich standen auf dem Parkett aber gar nicht die Warriors, sondern das Team USA. In einem Vorbereitungsspiel gegen hoffnungslos überforderte Chinesen. Wie schon zwei Tage zuvor, als sich die beiden Teams in Los Angeles duellierten.
Der Empfang für Durant hätte dabei aber kaum unterschiedlicher sein können. Während es von den Anhängern der Lakers und Clippers bei der Vorstellung Buh-Rufe hallte, nahm die Größe der Traube um KD bei seiner Ankunft in Oakland beinahe biblische Ausmaße an.
Des Trios leises Debüt
Schon im ersten Testspiel gegen Argentinien ergab es sich, dass die drei Mitglieder der Dubs zwei Minuten lang gemeinsam auf dem Court standen. Doch weder Klay Thompson noch Draymond Green schienen besondere Notiz davon genommen zu haben.
"Wenn du da draußen bist, denkst du nicht darüber nach, dass wir Kollegen sind", so Green: "Wir sind im Moment alle Teammates. Und um ehrlich zu sein, habe ich es überhaupt nicht gemerkt, dass Klay, KD und ich gemeinsam auf dem Feld waren."
Auch Durant hatte in dem Moment anscheinend andere Dinge im Kopf: "Ich habe es wirklich nicht realisiert. Ich war auf das Spiel konzentriert. Alles, was ich gesehen habe, war der Schriftzug 'Team USA' auf der Brust."
2 x 3 = 5
Seit die Verantwortlichen beginnend mit dem Dream Team 1992 Profi-Sportler zu Olympia entsenden, ist es erst das zweite Mal, dass drei Spieler derselben Franchise im Kader stehen. 2012 war es interessanterweise auch Durant, der gemeinsam mit Russell Westbrook und James Harden die Thunder-Fraktion aus Oklahoma City in London vertrat.
In Rio sind Russ und der Bart wie viele andere Stars nicht dabei. Um genau zu sein, ist das Team der daheim gebliebenen sogar nominell stärker als die Auswahl, die nach Brasilien fährt. Abgesagt haben neben RW0 und Harden auch Stephen Curry, LeBron James, Kawhi Leonard, Chris Paul, Damian Lillard, Anthony Davis, John Wall, Blake Griffin, LaMarcus Aldridge und Andre Drummond.
Dennoch geht die zweite Garde aus dem Mutterland des Basketballs als haushoher Favorit in das Turnier. So wie die Mannschaft aktuell durch die Vorbereitungsspiele pflügt (durchschnittliche Punktdifferenz +45), wird dem Rest der Welt schon wieder angst und bange. Zu Recht.
Der Schatten der Schmach
Zehn Jahre ist es her, dass Team USA ein Spiel bei einem großen Turnier verlor. Die Schmach der Halbfinal-Niederlage gegen Griechenland bei der WM 2006 hängt immer noch nach.
Die anschließend eingeleiteten umfassenden Veränderungsmaßnahmen von Jerry Colangelo und Coach Mike Krzyzewski haben neben der nötigen Ernsthaftigkeit die Sieger-Mentalität zurückgebracht. Jeder im Team will die beeindruckende Serie von 66 Erfolgen am Stück - inklusive zweier WM- und olympischer Titel - am Leben erhalten.
Wenn Coaching-Legende K nach den Spielen in Rio sein Tactic Board an den Nagel hängt, übernimmt den Posten an der Seitenlinie des besten Teams der Welt kein Geringerer als der beste Coach der NBA: Gregg Popovich.
Doch zuvor wartet Rio - und damit wie immer der Druck, die Goldmedaille nach Hause bringen zu müssen. Aktuell ist davon aber wenig zu sehen. Hinter den Kulissen ist eine fokussierte Arbeitseinstellung zu spüren, auf dem Parkett und nach außen regiert aber eher eine ausgelassene Stimmung.
Mit erhobenem Zeigefinger
Der verrückte Dunk-Versuch von DeMar DeRozan hatte sogleich mahnende Worte von Krzyzweski zur Folge: "Wir haben ein bisschen zu viel Spaß da draußen gehabt", so der 69-Jährige: "Das müssen wir runterschrauben."
Auch, als die US-Bank nach einem weiten Dreier von Thompson bereit war, vor Begeisterung in die Luft zu gehen, hielt Coach K sie zurück. Ihm ist bewusst, welche Gratwanderung es ist, zu dominieren, ohne dabei arrogant zu wirken.
Der perfekte Coach: Mike Krzyzewski im Porträt
Vermutlich wird auch Durant einen Rüffel vom Coach bekommen haben, nachdem er einen Dreier aus der Ecke feierte, noch bevor der durch die Reuse gefallen war. Das Problem: Er fiel nämlich nicht. Vielleicht deshalb, weil der Absender keiner seiner neuen Splash Brother Thompson oder Green war, sondern Kyle Lowry.
Mit der Pose bewarb sich KD schon weit vor Saisonbeginn für die nächste Folge von "Shaqtin' a fool" - trotzdem wirkt die Aktion so, als wäre KD bereits ein Teil der Warriors. Denn nirgendwo ist das Vertrauen in die anderen Spieler so groß wie in Oakland.
"Kein Problem, ihn zu integrieren"
Steve Kerr verlieh seiner Begeisterung über das Zusammenspiel seiner drei Schützlinge bereits Ausdruck: "Sie sehen großartig aus", so der Dubs-Coach gegenüber der Mercury News: "Es überrascht mich nicht, da keiner von ihnen den Ball dominiert. Alle bewegen ihn und sich und sind bereit, zu passen. Das ist etwas, das Durant so attraktiv für uns gemacht hat."
Und Kerr schwärmte weiter: "Es fühlt sich an, als wäre es überhaupt kein Problem, ihn zu integrieren. Und es hilft natürlich, dass sie die nächsten drei Wochen zusammen verbringen werden. Nicht nur, dass sie miteinander spielen, sondern auch, dass sie sich besser kennen lernen werden."
Eine Show für den MVP
Als im zweiten Viertel des Spiels gegen China dann auch noch Curry in der Oracle Arena auftauchte und seinen Platz am Spielfeldrand einnahm, war das magische Splash-Quartett der Dubs vereint.
Was er sah, dürfte seine Vorfreude auf die nächste Saison ebenfalls nur gesteigert haben: Green mit dem Screen, Durant nagelt erbarmungslos den Dreier rein. Dieses Pick-and-Roll wird ab der kommenden Saison zu den ohnehin zahlreichen Waffen der Warriors dazukommen. Im vierten Viertel legte KD dann Green einen Longball auf, dieser bediente KD anschließend für zwei weitere Dreier.
"Es macht alles leichter"
"Wenn man mit Spielern zusammenspielt, die wissen, wie man guten Basketball spielt, macht es alles so viel leichter", so Durant nach seiner 23-Punkte-Performance. Es wäre nicht aufgefallen, hätte er diese Aussage über Golden State und nicht über das Team USA getätigt.
Die ersten Spiele der Warriors feat. KDTrey5 finden zwar erst Ende Oktober statt, doch auch in den Tarnfarben Blau, Weiß und Rot bekommt man einen guten Vorgeschmack, was die Liga erwartet: Nicht weniger als der explosivste Wanderzirkus, den die Staaten seit den Anfangstagen der Harlem Globetrotters gesehen haben.
"Das wird ein spaßiges Jahr", so Thompson mit einem dicken Grinsen auf dem Gesicht: "Wir müssen erst diese Reise überstehen, aber es fällt mir leicht zu sagen: Ich freue mich riesig auf die Saison!"
Auch zu Durants erstem Dreier in der Oracle Arena fand Klay nach dem Spiel die passenden Worte: "Das könnte ein Problem werden." Definitiv. Für die gesamte Liga. Und zuvor für den Rest der Welt.
Team USA im Überblick