Carmelo Anthony sah sich ungläubig um. Er blickte nach rechts, nach links und konnte es dennoch nicht wirklich begreifen. Auf dem Spielfeld vor ihm standen schon längst die Reservisten des Team USA auf dem Parkett und verwalteten den komfortablen Vorsprung gegen Argentinien. Doch um ihn herum? Eine einzige Party.
Die Sitze bebten, die Plexiglasscheiben auf den Rängen wurden einem unnachgiebigen, rhythmischen Härtetest unterzogen. So heftig, dass sich bewaffnete Security-Guards um das Publikum platzierten, um sicherzustellen, dass niemand verletzt wird.
Den argentinischen Fans war das egal. Sie verwandelten die Carioca Arena in ein Tollhaus - und das, obwohl ihre Mannschaft hoffnungslos unterlegen war. Doch sie wussten, dass es zu Ende ging.
Ein letzter Kampf
4:18 Minuten vor dem Ende wechselte Sergio Hernandez sie alle noch einmal ein: Manu Ginobili, Andres Nocioni, Luis Scola und Carlos Delfino. Und sie fighteten, bissen noch einmal auf die Zähne, von Altersschwäche keine Spur. Die goldene Generation des argentinischen Basketballs gab noch einmal alles, wie sie es so viele Jahre zuvor getan hatte. Und dann rollten die Tränen.
"Es war ein unglaublicher Run", sagte ein sichtlich bewegter Ginobili mit feuchten Augen und zittriger Stimme: "Ich hatte unfassbares Glück, dass ich so gesund geblieben bin und mit einigen dieser Jungs so lange zusammenspielen konnte. Ich bin sehr stolz darauf."
Nach dem Schlusspfiff einer Partie, die nur in den ersten zehn Minuten Spannung bot, zollte jedes einzelne Mitglied des Team USA Manu seinen Respekt. Spieler wie Coaches umarmten den Nationalhelden lange.
Großer, großer Respekt
"Ich weiß, was er nicht nur für den argentinischen Basketball, sondern für das ganze Land bedeutet", so Anthony: "Er hat eine Menge Arbeit reingesteckt und Argentinien in einer großartigen Art und Weise repräsentiert. Er hat die Nation in den letzten Jahren geschultert und ich habe mich einfach bei ihm bedankt, besonders für die Duelle bei den letzten vier Olympischen Spielen."
Ginobili war angetan von den Reaktionen der langjährigen Gegner: "Ich bin sehr stolz auf ihre Worte. Sie waren sehr freundlich, sehr respektvoll und wenn dir solche Legenden des Basketballs ihren Respekt zollen, dann hat das einen besonderen Wert. Das war nicht selbstverständlich. Sie hätten mich auch einfach mit einem Handschlag verabschieden und sich auf das Halbfinale gegen Spanien konzentrieren können. Stattdessen haben sich mich mit tollen Worten bedacht und ich weiß das zu schätzen."
Ritterschlag von Coach K
Den Ritterschlag für Manu gab es anschließend von US-Coach Mike Krzyzewski: "Er ist ein Hall of Famer. Und er war ein furchtloser Kämpfer, gegen den ich als Coach meine gesamte Karriere im internationalen Basketball antreten musste. Ehrlich, es gab niemanden, der war wie er. Mit dem Herzblut, dem Einsatz und dem Willen, den er gezeigt hat, gab es niemanden, der sein Land besser hätte vertreten können als Manu Ginobili. Wir alle zollen ihm ultimativen Respekt."
Als die letzte olympische Minute des Fahnenträgers in Peking 2008 schon lange gespielt war, kehrte der Shooting Guard der San Antonio Spurs noch einmal auf den Court zurück. Dort bekam er den Game Ball überreicht - und es schien, als wollte er ihn nicht mehr loslassen.
"Besonders stolz bin ich auf die lange Zeit, in der wir das Spiel gemeinsam gespielt haben", sagte Ginobili über sein Team: "All die Dinge, die wir erreicht haben, die Freundschaft und Kameradschaft, die wir gefunden haben. Es ist 20 Jahre her, dass ich mein erstes Spiel für Argentinien gemacht habe, daher bin ich sehr stolz. Ich bin traurig und glücklich zugleich, denn die Möglichkeit zu haben, mit 39 Jahren noch zu spielen ist etwas, das nicht oft passiert."
Golden und einzigartig
Ebenfalls nicht oft ist es passiert, dass eine Mannschaft das Team USA bei einem großen Turnier bezwungen hat - wie die Argentinier 2004. Und natürlich war es Manu, der seine Nation damals im olympischen Halbfinale von Athen mit 29 Punkten zum Sieg führte.
Silber bei der WM 2002 und Bronze in Peking 2008 komplettieren die erlesene Medaillensammlung von Ginobili und Co., dazu kommen vier Mal Edelmetall bei den Amerika-Meisterschaften. In Rio blieb ihnen der große Wurf zum Abschluss jedoch verwehrt.
Luis Scola kündigte bereits an, seine Post-Moves noch nicht an den Nagel hängen zu wollen, mit Facundo Campazzo, Patricio Garino und Nicolas Brussino kommen zudem vielversprechende Talente nach. Doch das "argentinische Dream Team" um Ginobili war schlichtweg einzigartig und an diesem werden alle kommenden Generationen gemessen werden. Zu Recht.
Emotionaler Abschied
Auch nach dem Schlusspfiff ging die argentinische Party auf den Rängen ununterbrochen weiter. Selbst die US-Stars waren beeindruckt von dieser Art der Verabschiedung. Carmelo Anthony nickte anerkennend ins Publikum und gab Kyrie Irving zu verstehen, dasselbe zu tun.
Als Emanuel David Ginobili Maccari den olympischen Court verließ und zum letzten Mal den Weg in die Katakomben antrat, begleiteten ihn stimmgewaltige Gesänge. "Ole, ole, ole - Manu, Manu" hallte es noch lange nach.
Gracias, Manu! Gracias, Argentina! Gracias por todo!
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