Frage: Herr Petersen, können Sie bereits begreifen, was Sie da heute im Maracana erlebt haben?
Nils Petersen: Es ist schwierig, das so kurz nach dem Spiel zusammenzufassen. Am Ende ging es ins Elfmeterschießen , wo es immer einen Dummen gibt. Der Dumme bin heute ich. Trotzdem bin ich wahnsinnig stolz auf das, was die Mannschaft geleistet hat. Ich bin stolz, dass ich dabei sein und Teil dieses Teams sein durfte. Natürlich bin ich gleichzeitig total enttäuscht und traurig, ausgerechnet auch noch im letzten Spiel von Trainer Horst Hrubesch den entscheidenden Elfmeter verschossen zu haben.
Frage: Gab es vor dem Spiel eine Absprache, wer gegebenenfalls die Elfmeter schießen würde?
Petersen: Nein. Wir haben auch kein Elfmeterschießen trainiert. Wir haben es einfach auf uns zukommen lassen. Damit sind wir ja auch das ganze Turnier über, für das wir keine Vorbereitung hatten, gut gefahren. Da bleibt dann auch nicht viel Zeit, um Elfmeter zu trainieren. In der Liga hat es bei mir mit den Elfmetern gut geklappt, aber im Finale - im entscheidenden Moment - leider nicht. Das tut weh, das ist schwer für das Fußballer-Herz. Die Kunst wird es sein, jetzt wieder aufzustehen. Das werde ich tun.
Frage: Was geht einem im Kopf vor, wenn man unter den Pfiffen des ganzen Stadions zum Elfmeterpunkt geht?
Petersen: Man versucht es auszublenden. Du versuchst, auf dem langen Weg zum Elfmeterpunkt einfach cool zu bleiben. Du versuchst, deine Ecke anzuvisieren, den Torwart zu beobachten und dich auf den Ball zu konzentrieren. Man will sich einfach nicht auf die Pfiffe einlassen.
Frage: Kann man das wirklich ausblenden, wenn das ganze Maracana pfeift?
Petersen: Wir wussten ja, wie die Kulisse sein würde. Man konnte davon ausgehen, dass wir ausgepfiffen werden. Es ist so: Wenn 70.000 Zuschauer pfeifen und der Ball geht rein, dann ist es ein super Gefühl. Geht er nicht rein, ist es ein schlechtes Gefühl. Die ersten vier Schützen haben es super gemacht. Statistisch gesehen muss aber halt irgendwann mal jemand verschießen. Das war leider ich. Ich habe in diesem Moment einfach versucht, Verantwortung zu übernehmen. Das hat leider nicht geklappt.
Frage: Fällt Ihr persönliches Olympia-Fazit dennoch positiv aus?
Petersen: Es ist einfach toll, dass wir uns bis ins Finale vorgearbeitet haben. Gegen Südkorea waren wir in der 88. Minute eigentlich schon raus aus dem Turnier. Wir haben uns zurückgekämpft, das Schicksal wollte, dass wir soweit kommen. Wir haben uns von Spiel zu Spiel gesteigert. Ich bin ja schon 28 und war mit vielen jungen Bubis unterwegs. Das hat mir unheimlich viel Spaß gemacht. Ich denke, es waren grandiose drei Wochen mit einem grandiosen Turnier und dem Höhepunkt Maracana. Volles Haus, alle waren gegen uns, es war ein fantastisches Spiel. Das Turnier hat alles mitgebracht, was man sich eigentlich nicht mal zu hoffen gewagt hat.
Frage: Also fühlt sich die Silbermedaille trotz der Final-Niederlage wie ein Sieg an?
Petersen: Im ersten Moment ist einfach nur Enttäuschung da. Aber ich muss sagen, dass der Trainer und die DFB-Verantwortlichen direkt nach dem Spiel in der Kabine die richtigen Worte gefunden haben. Gerade ich war froh, einige positive Worte zu hören.
Frage: Insgesamt gesehen war es erstaunlich, wie schnell das Team zusammengefunden hat.
Petersen: Absolut. Ich durfte hier, da bin ich mir ganz sicher, mit kommenden Nationalspielern zusammenspielen. Was hier für eine Qualität im Team steckt ist unglaublich. Kompliment an die Verantwortlichen, dass sie so ein Team zusammengetüftelt haben. Eine Mannschaft, die in der Lage war, die Silbermedaille zu gewinnen. Silber tut im Moment weh, aber in den nächsten Tagen hoffentlich nicht mehr ganz so.