"Ich hatte schon beim Aufstehen und auf dem Aufwärmplatz ein super Gefühl. Olympiasieger - mehr kann ich nicht sagen", sagte Röhler in der ARD: "Es war ein schwieriger Wettkampf, der hinten raus super funktioniert hat. Ich habe schon keine Stimme mehr. Es ist ziemlich verrückt."
Mit einem Traumwurf mit seinem lila geringelten Lieblingsspeer setzte sich der 24-Jährige im fünften Durchgang an die Spitze. Der bis dahin führende Weltmeister Julius Yego (Kenia/88,24 m) konnte nicht mehr kontern, nachdem er in der vierten Runde mit dem Fuß umgeknickt war. Auf der Tribüne rastete die frühere Speer-Weltmeisterin Christina Obergföll nach Röhlers Gold-Wurf völlig aus.
Mehr als vier Jahrzehnte nach dem legendären Sieg von Wolfermann über den Sowjet-Werfer Janis Lusis 1972 in München, 36 Jahre nach der letzten deutschen Medaille durch DDR-Athlet Wolfgang Hanisch 1980 in Moskau gelang Röhler der ganz große Coup. Bronze ging an London-Olympiasieger Keshorn Walcott (Trinidad und Tobago/85,38).
Johannes Vetter (Offenburg/85,32) verpasste Rang drei nur um sechs Zentimeter. "Für Thomas freue ich mich riesig, er hat es sich so verdient", sagte Vetter in der ARD, "bei mir ist es ein bisschen schade, aber ich bin so stolz, es ist einfach nur hammergeil." Julian Weber (Mainz/81,36) belegte Platz neun.
Erleichterung beim Verband
Genau eine Woche nach dem Coup der Diskuswerfer Christoph Harting und Daniel Jasinski, deren Gold und Bronze bis Samstag die einzigen Medaillen für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) geblieben waren, sorgte Röhler für den erlösenden Erfolg und hübschte die DLV-Bilanz mächtig auf: 2012 hatte es in London zwar acht Medaillen, aber nur eine goldene durch Robert Harting (Diskus) gegeben.
Wichtig sei beim Speerwerfen, "dass alles zusammenkommt, auf den Tag und auf den Moment", hatte Röhler kurz vor Olympia der FAZ gesagt: "Die Perfektion muss zum Tragen kommen, wenn es gilt." In Rio war er nahe an der Perfektion.
Schon nach den ersten Würfen war klar: So billig wie 2012, als Walcott 84,58 m zum Sensationssieg reichten, würde Gold diesmal nicht zu haben sein. Weltmeister Yego legte in Durchgang eins 88,24 m vor, Röhler konterte gleich danach mit 87,40 - bis in den fünften Durchgang blieb es dabei.
Konkurrenz schwächt sich selbst
Für Röhler war es der vorläufige und logische Höhepunkt seiner stetigen Entwicklung der vergangenen Jahre. Kontinuierlich hatte er sich über 83,95 (2013), 87,63 (2014) und 89,27 (2015) auf in diesem Jahr erzielte 91,28 m gesteigert. Er war damit zum zweitbesten Deutschen der Geschichte hinter Raymond Hecht (92,60) geworden.
Bei der WM 2015 hatten Röhler 87,21 m nicht einmal zu einer Medaille gereicht. Zwei der damals vor ihm platzierten Werfer hatten sich aber in Rio selbst aus dem Kreis der Favoriten befördert: Vizeweltmeister Ihab Abdelrahman (Ägypten) war durch einen Dopingtest gerasselt, Finnlands Routinier Tero Pitkämäki scheiterte in Rio in der Qualifikation.
Nur Yego war auf den Punkt fit. Nach Problemen in der Vorbereitung und Querelen bei der Anreise sowie einer mäßigen Qualifikation gehörte der Kenianer nicht unbedingt zu den Favoriten. Dies änderte er schon mit seinem ersten Versuch - zum Sieg reichte es aber nicht. Wegen Röhler, dem Goldjungen.