Van der Breggen: "Ich dachte, sie ist tot"

SID
Annemiek van Vleuten lag zum Zeitounkt des Sturzes in Führung
© getty

Dramatische Stürze, schwere Verletzungen, schreckliche Bilder: Die olympischen Straßenrennen trieben Männer und Frauen bis an die Grenze - und darüber hinaus.

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Annemiek van Vleuten lag auf der Intensivstation, geschunden von Knochenbrüchen, Prellungen und Schürfwunden, der Kopf dröhnte von einer schweren Gehirnerschütterung. Es war ein Segen, dass sie sich überhaupt ärgern konnte. "Es wird alles wieder gut", twitterte die 33-Jährige nach ihrem fürchterlichen Sturz im olympischen Straßenradrennen: "Ich bin vor allem super enttäuscht nach dem besten Rennen meiner Karriere."

Alle bei den Olympischen Sommerspielen, die vorübergehend in Entsetzen erstarrt waren, atmeten auf. Die Aufarbeitung des "schrecklichen Horrorsturzes" (Telegraaf) von Rio de Janeiro ließ nicht lange auf sich warten.

"Ich dachte, sie wäre tot", sagte die schockierte Goldmedaillengewinnerin Anna van der Breggen, sie hatte ihre eben noch führende Teamkollegin reglos auf dem Rinnstein liegen sehen. Andere gingen auf die Organisatoren vom Radsport-Weltverband UCI los - allen voran der britische Bahnrad-Olympiasieger Chris Boardman.

"Weit entfernt von anspruchsvoll"

"Ich bin wirklich sehr wütend", sagte der heutige BBC-Kommentator live im Fernsehen, "ich habe mir den Kurs angeschaut und gesagt: Wer hier stürzt, wird kaum wieder aufstehen. Das war weit entfernt von anspruchsvoll, das war gemeingefährlich." Die Bahnrad-Olympiasiegerin Victoria Pendleton wurde ähnlich deutlich: "Das ist ein absolut unglaublich gefährlicher Kurs."

Van Vleuten (33) hatte sich beim letzten Anstieg zum berühmten Aussichtspunkt Vista Chinesa aus der Spitzengruppe abgesetzt, dann stürzte sie sich in die enge, kurvenreiche, halsbrecherische Abfahrt. In einer Rechtskurve verlor sie die Kontrolle, flog kopfüber ihren Lenker und krachte auf Höhe des Genicks gegen den Bordstein. Sie bewegte sich nicht, das gesamte Feld fuhr an ihr vorbei.

"Es war seltsam, unheimlich, schockierend", sagte van der Breggen: "Was bedeutet da noch der Wettkampf?" Erste Hilfe leisteten die Mannschaftsärzte Robert Kempers und Cees-Rein van den Hoogenband, Vater des Schwimm-Olympiasiegers Pieter van den Hoogenband. Auch Maurits Hendriks, Chef de Mission der Niederlande, begleitete van Vleuten ins Krankenhaus.

Gehirnerschütterung und drei kleine Brüche bei Van Vleuten

Dort wurde eine erleichternde Diagnose gestellt. Drei kleine Brüche im Bereich der Lendenwirbelsäule, dazu die Gehirnerschütterung - dafür wurde das Wort "glimpflich" erfunden. Schließlich waren schlimmste Erinnerungen an den Tod des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili 2010 bei den Winterspielen von Vancouver hochgekommen.

Die UCI muss sich Fragen gefallen lassen, ob sie die Strecke nicht hätte entschärfen müssen. Nach dem Männerrennen 24 Stunden zuvor mit dramatischen Stürzen, verbeulten Rädern und schweren Verletzungen hatte sich erahnen lassen, dass die Frauen nicht verschont bleiben würden. Allerdings ist sich der Weltverband keiner Schuld bewusst: "Der Kurs wurde gewissenhaft entworfen und intensiv getestet", teilte die UCI mit.

Boardman sieht das anders. "Sie haben es zugelassen!", rief er erbost, "und das, obwohl das Männerrennen schon jenseits aller Grenzen war! Sie haben nichts mehr verändert an der Strecke, das finde ich schrecklich." Tags zuvor hatte unter anderem Vincenzo Nibali aus Italien bei seinem Sturz einen Schlüsselbeinbruch erlitten. Auch er hatte zwölf Kilometer vor dem Ziel auf Goldkurs gelegen. Auch stürzte in der Abfahrt von der Vista Chinesa.

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