Sophie Scheder weinte Tränen des Glücks und konnte gar nicht mehr aufhören. Bronze am Stufenbarren - damit hätte die Chemnitzerin in ihren kühnsten Träumen nicht gerechnet. Doch im Augenblick ihres größten Triumphes vergaß Scheder ihre Freundin Elisabeth Seitz nicht.
Sie umarmte und tröstete die Teamkollegin, die sie in einem dramatischen olympischen Finale um 0,033 Punkte auf Platz vier verwiesen hatte.
"Ich bin traurig für Elli", sagte Bundestrainerin Ulla Koch, "aber so ist halt Olympia. Dritte und Vierte, das ist so gigantisch." Seitz sagte: "Familie und Freunde geben mir jetzt Kraft. Man sollte mich zwar nicht aufbauen müssen, aber die Enttäuschung ist schon groß."
Scheder lag sensationell auf Platz drei, als Seitz als Letzte der acht Finalteilnehmerinnen ans Gerät ging. Seitz (Stuttgart), der die Medaille im Vorfeld eher zugetraut worden war, zeigte eine Übung mit derselben Schwierigkeit wie die Chemnitzerin Scheder. Doch sie leistete sich ein paar winzige Unsauberkeiten - und musste sich hauchdünn geschlagen mit "Blech" bescheiden. Die Enttäuschung war ihr deutlich anzusehen, aber sie freute sich auch mit der Überraschungs-Dritten.
"Haben uns gegenseitig hochgepusht"
"Wir sind Freundinnen, jede gönnt der anderen den Erfolg", sagte Scheder noch kurz vor dem Auftritt über das Binnenverhältnis, "wir haben uns gegenseitig hochgepusht." Am höchsten aber flog Scheder. Gold, das sich wie vor vier Jahren in London die Russin Alija Mustafina (15,900 Punkte) sicherte, war ebenso außer Reichweite wie Silber, das Madison Kocian (USA/15,833) gewann. Doch Bronze mit 15,566 Punkten war mehr als nur ein Coup. Es war die erste Medaille einer deutschen Turnerin seit Sprung-Silber von Oksana Chusovitina 2008 in Peking.
Als die Entscheidung nahte, blickte "Nervenbündel" Seitz ungeduldig und bang auf die Anzeigetafel. Nahezu jede Faser ihres zierlichen Körpers sehnte die entscheidenden Zahlen herbei - hatte der ordentliche Auftritt am Stufenbarren zur erhofften Medaille gereicht? Nein, im nächsten Moment platzte der Traum - und der von Scheder ging in Erfüllung.
Die 19-Jährige schlug immer wieder die Hände vors Gesicht, umarmte Bundestrainerin Koch sekundenlang, und warf sich Coach Robert Mai um den Hals. Auch bei der Siegerehrung vergoss sie noch Tränen der Rührung. Im Mehrkampf hatte sie am Stufenbarren noch gepatzt und war vom Gerät gekracht. "Egal, was zählt ist das Finale", sagte sie danach - und sie sollte recht behalten.
Vor Seitz' Auftritt hatte die überragende US-Amerikanerin Simone Biles mit Gold am Sprung bereits ihren dritten Olympiasieg in Rio gefeiert. Die 19-Jährige, die schon im Team und im Mehrkampf triumphierte, will als erste Turnerin fünf Goldmedaillen bei einer Olympia-Ausgabe gewinnen. Bei den Männern sicherte sich der Brite Max Whitlock die Siege am Boden und am Pauschenpferd.