Lange fühlte sich mit Silber um den Hals in diesem Moment als Gewinner, auch wenn es im letzten Rennen seiner glanzvollen Karriere nicht zur fünften Goldmedaille bei Olympischen Winterspielen gereicht hat: "Ich habe in den vergangenen 17 Jahren viel erreicht. Viel besser kann man nicht abtreten."
Nur Olympiasieger Steven Holcomb (USA) war nach vier Läufen im Vierer-Wettbewerb einen Tick schneller als Lange, der sich dennoch auf sein berühmtes Schädelfluten freute: "Ich werde jetzt erstmal nur Bier trinken."
"Ich werde diese Momente vermissen"
Zuvor ging es aber noch zur Siegerehrung, und Lange überkamen wieder die Gefühle. "Mir ist durch den Kopf gegangen, dass es das letzte Mal war. Ich werde diese Momente vermissen", sagte er sichtlich bewegt.
Dabei störte es ihn auch nicht, dass er erstmals bei Olympia nicht ganz oben auf dem Podium stand. Warum auch? Ein paar Tage zuvor war er schließlich Olympiasieger im kleinen Schlitten geworden. Nach der letzten Dienstfahrt und einer Umarmung der zweifachen Biathlon-Olympiasiegerin Magdalena Neuner stand Andre Lange wie ein Triumphator mit der schwarz-rot-goldenen Fahne über dem Kopf in der Eisrinne.
Die deutschen Fans sangen "Andre Lange du bist der beste Mann", Sportdirektor Thomas Schwab stellte mit Wehmut fest: "So einen Sportler bekommt man so schnell nicht wieder." Vier Olympiasiege, acht WM-Titel, achtmal EM-Gold - die Bilanz des Andre Lange hat einen Eintrag in das Guinness Buch der Rekorde verdient.
Aus einer rosaroten Sportwelt ins Leben
Kein Wunder, dass Langes Anschieber mit Kevin Kuske an der Spitze und die Verantwortlichen des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD) den Ausnahmepiloten noch einmal zur Fortsetzung seiner Laufbahn drängen wollten. Doch Lange, der im zweiten Lauf nur mit Glück und Geschick einen Sturz verhindert hatte, ließ sich nicht umstimmen.
"Mit acht Jahren habe ich als Rodler begonnen. Ich bin 28 Jahre so einen Berg runtergerutscht, irgendwann muss Schluss sein", sagte er und blickte schon mal voraus: "Ich gehe aus einer rosaroten Sportlerwelt ins Leben rein. Das wird nicht einfacher." In Kürze soll es Gespräche mit den BSD-Verantwortlichen über eine Trainertätigkeit geben.
Im Eiskanal von Whistler zeigte Lange noch einmal, was ihn als Piloten ausgezeichnet hat. Nervenstärke, saubere Fahrlinien und ein hohes Konzentrationsvermögen. So fing er mit Bestzeit im letzten Lauf den Kanadier Lyndon Rush noch ab und sicherte sich mit dem Vorsprung von nur einer Hundertstel Silber.
Holmcomb konstanter und mit besserem Material
Nur Holcomb war mit seinem Schlitten "Night Train" dank besseren Materials und vier konstanten Fahrten einfach zu stark. Seine Crew war dennoch stolz auf Lange. Mit goldener Schrift stand auf schnell übergestreiften T-Shirts: "Thank you Andre for all the famous moments" - "Danke, Andre, für all die außergewöhnlichen Momente." Und ein Bärchen abgebildet - Langes Spitzname aus seinen Anfängen als Rodler.
Langes Silber war die zehnte Medaille für die deutschen Bob- Rodel und Skeleton-Asse bei den Winterspielen von Vancouver.
Dreimal Gold, viermal Silber, dreimal Bronze - da war auch Thomas Schwab zufrieden.
"Neun Medaillen waren mein Ziel, zehn haben wir geholt", sagte der Sportdirektor und stürzte sich mit Lange in eine lange Partynacht.