"Ich verstehe es nicht, wenn IOC-Präsident Thomas Bach behauptet, dass Sport keine Politik sei", teilte Kasparow über den Kurznachrichtendienst Twitter am frühen Donnerstagmorgen mit: "Wenn man einer Diktatur solch eine riesige Plattform für Propaganda und Korruption bietet, ist das sehr wohl Politik."
Ein Dorn im Auge ist dem Kreml-Kritiker vor allem die Verschwendung der Gelder und die seiner Meinung nach inakzeptable Bürde, die man die Anwohner der Region durch die Veranstaltung tragen lässt. "51 Milliarden Dollar werden für den Fünf-Ringe-Zirkus eines Diktators verschwendet. Berge von Müll und verschmutztes Wasser sind die Folge", monierte der 50-Jährige und beschrieb die Situation am Schwarzen Meer als "Ausnahmezustand".
Und wenn die Journalisten nach den Spielen mit ihren "lustigen Geschichten" wieder nach Hause reisen, würde sich Sotschi laut Kasparow sowieso wieder mit seinen alten Problemen wie "Müll, Schulden und Gaunertum" herumschlagen müssen.
Medienvertreter in der Pflicht
Auch deshalb nahm er die internationalen Medienvertreter vor dem Auftakt der Spiele in die Pflicht. Sie sollten der seiner Meinung nach fehlenden Redefreiheit "ebenso große Aufmerksamkeit schenken wie den fehlenden Türgriffen oder dem nicht vorhandenen WiFi" in den Unterkünften.
Letztlich sollten sich die Journalisten fragen, warum 51 Milliarden Dollar und sieben Jahre Arbeit nicht zur Lösung aller Hindernisse ausreichen würden.
Kasparow selbst hat seine persönliche Antwort auf diese Frage bereits gefunden: "Weil dieses Mafia-System die gleiche Effizienz besitzt wie der Kommunismus. Es gibt keinen Wettbewerb, sondern nur die Treue zum Boss."
Vizepremier warnt Athleten
Der russische Vizepremier Dmitri Kosak hatte die Athleten und Zuschauer der Olympischen Winterspiele in Sotschi einen Tag vor der Eröffnungsfeier noch gewarnt, während der Wettbewerbe gegen die Diskriminierung Homosexueller zu protestieren. "Politische Propaganda ist gemäß der Olympischen Charta und der russischen Gesetzgebung verboten", sagte Kosak einen Tag vor der Eröffnungsfeier.
Zuvor hatte der Politiker erneut betont, dass das so genannte Anti-Homosexuellen-Gesetz, das "Propaganda von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen" seit Juni unter Strafe stellt, in seinen Augen keine Diskriminierung darstelle. "Wir schränken die Bürgerrechte nicht aufgrund von sexueller Orientierung ein.
Jeder kann in seinem Privatleben machen, was er für nötig hält. Sie (Homosexuelle, d. Red.) können ihre Orientierung unter Erwachsenen propagieren, es gibt aber keinen Grund, Kinder einzubeziehen", sagte der 55-Jährige, der im Rahmen seines Amtes auch für die Koordination der Winterspiele verantwortlich ist.
Ban kritisiert Diskriminierung
Am Donnerstagvormittag hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon (Südkorea) in einer Rede vor dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) einen stärkeren Einsatz gegen die Diskriminierung gefordert.
"Wir alle müssen unsere Stimmen gegen die Angriffe auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle oder intersexuelle Menschen erheben", sagte Ban: "Wir müssen uns den Festnahmen, Einsperrungen und diskriminierenden Restriktionen widersetzen." Bereits viele professionelle Athleten würden sich unabhängig von ihrer Sexualität gegen Vorurteile stark machen.