Nach Angaben der Zeitung seien Dutzende russische Sportler gedopt an den Start gegangen und Teil eines staatlich gestützen, ausgeklügelten Doping-Programmes gewesen.
Die Zeitung beruft sich dabei auf den ehemaligen Leiter des Anti-Doping-Labors in Moskau, Gregori Rodtschenkow. Rodtschenkow gab in dem Bericht zu, in nächtlichen Aktionen die Dopingpraktiken vertuscht und Urinproben ausgetauscht zu haben. Zudem habe er für russische Sportler extra einen Mix aus drei verschiedenen Dopingmitteln entwickelt. "Die Menschen haben die Olympiasieger gefeiert, aber wir saßen da und haben Urinproben ausgetauscht", sagte Rodtschenkow.
Namentlich genannt wurden in dem Bericht der Doppel-Olympiasieger Alexander Subkow (Bob), Langlauf-Olympiasieger Alexander Legkow und Skeleton-Olympiasieger Alexander Tretjakow. Zudem sei unter anderem das gesamte Frauen-Eishockey-Team gedopt gewesen.
Vorwürfe seien besorgniserregend
Russlands Sportminister Witali Mutko wies die Anschuldigungen zurück und sprach gegenüber der Nachrichtenagentur Tass von einer Verschwörung. "Schon wieder wird der russische Sport attackiert. Es ist so, als würden sich ausländische Medien den Staffelstab in die Hand geben. Alles das sind Glieder in einer Kette", sagte Mutko und stellte klar: "Das sind alles Behauptungen, aber keine Fakten."
Das IOC nannte die Vorwürfe "sehr detailliert und sehr besorgniserregend". Man bitte die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), sie "sofort zu untersuchen", teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Die Arbeit im Labor in Moskau sei von internationalen Experten beaufsichtigt worden, die Dokumentation der Kontrollen habe den internationalen Regeln entsprochen.
Die Manipulationen waren dabei offenbar von langer Hand geplant. Beispielsweise seien die Dopingproben durch ein Loch in der Wand in einen als Abstellkammer deklarierten Raum weitergereicht worden. Dort sei es dann nachts zur Manipulation gekommen.
Stepanow hatte Aufnahmen veröffentlicht
Zuvor hatten schon Enthüllungen im US-Fernsehsender CBS für Aufsehen gesorgt, wonach mindestens vier russische Olympiasieger während der Spiele in Sotschi mit Steroiden gedopt waren. Dies sei von dem russischen Doping-Labor vertuscht worden. Auch war davon die Rede, dass demnächst eine Liste mit allen gedopten Athleten aus Russland veröffentlicht werde. Dies scheint nun passiert zu sein.
Die CBS-Enthüllungen gingen zurück auf Gespräche, die Whistleblower Witali Stepanow mit Rodtschenkow geführt und aufgezeichnet hatte. Stepanow, ein ehemaliger Mitarbeiter der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA, und seine Frau Julia hatten bereits Ende 2014 mit heimlichen Aufnahmen den Betrug in der russischen Leichtathletik öffentlich gemacht.
Auch die unabhängige WADA-Kommission hatte in ihrem Bericht im November 2015 die Anwesenheit von FSB-Agenten im Labor bestätigt und von einem staatlich unterstützten Dopingsystem sowie einer weitverbreiteten "Kultur des Betrugs" gesprochen.
Keine Chancen in Rio?
Mutko wertete die neuesten Enthüllungen als Teil einer Serie von Angriffen gegen den russischen Sport. Man wolle die öffentliche Meinung beeinflussen "bezüglich der Entscheidung, ob Russlands Leichtathleten zu Olympia nach Rio dürfen, und man will unsere Beziehung zur WADA zerstören", meinte Mutko.
Die wegen früherer Doping-Anschuldigungen suspendierten russischen Leichtathleten kämpfen derzeit um ihre Wiederaufnahme in den Weltverband IAAF und ihren Start bei den Spielen in Rio. Darüber will die IAAF in den kommenden Wochen entscheiden. Sollten die neuen Vorwürfe stimmen, würde dies die Aussichten deutlich schmälern.
WADA will Vorwürfen nachgehen
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat auf die Doping-Vorwürfe gegen russische Athleten bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 reagiert und ein härteres Vorgehen angekündigt. "Sie können sich sicher sein, dass wir diesen Vorwürfen nachgehen", sagte WADA-Präsident Craig Reedie in Montreal.
"Wir verstehen in der augenblicklichen Stimmungslage mit neuen Doping-Vorwürfen, dass wir viel zu tun haben, um bei den Athleten weiteres Vertrauen in den sauberen Sport zu sichern", sagte Reedie.
Die WADA hat zudem Kenia für "nicht regelkonform mit dem Anti-Doping-Code" erklärt. Damit droht den Athleten des ostafrikanischen Landes weiter das Aus bei den Olympischen Spielen in Rio. Über einen Olympia-Ausschluss entscheidet allerdings das Internationale Olympische Komitee.