SPOX: Herr Krueger, nicht gerade viele NHL-Trainer bekommen zwei Tage nach einer Entlassung einen Anruf vom Team-Canada-Head-Coach. Bei Ihnen war es aber so, kurz nach Ihrem Aus bei den Edmonton Oilers rief Mike Babcock an.
Ralph Krueger: Richtig, es war einer der ersten Anrufe, die ich bekam. Ich habe mich natürlich sehr gefreut, mir aber noch eine Nacht Bedenkzeit erbeten, bevor ich meine Zusage gab. Seit letzten Juni bin ich im Coaching-Staff dabei, es ist ein toller Prozess.
SPOX: Zuletzt haben Sie Babcock auf einem Road Trip seiner Detroit Red Wings besucht, welche Punkte standen auf der Agenda?
Krueger: Seit ich zum Team gehöre, bin ich auf drei verschiedenen Ebenen involviert. Nummer eins ist, dass wir von Anfang an zusammen die Taktik besprochen haben und die Umsetzung diesbezüglich. Ich habe bei taktischen Dingen viel Verantwortung bekommen. Nummer zwei war der Selektionsprozess bei der Zusammenstellung des Kaders - da hatten wir intensive Diskussionen, wie sich jeder gut vorstellen kann. Welche Spieler nehmen wir mit? Wie setzen wir sie ein? Wir haben sehr viel Wert auf den Charakter der Spieler gelegt. Und Nummer drei ist die Gegner-Analyse. Ich habe jetzt alle elf anderen Mannschaften studiert, Video-Analysen und Scouting-Reports vorbereitet.
SPOX: Was für Team Canada besonders interessant ist: Als Nationaltrainer der Schweiz haben Sie 2006 in Turin den Kanadiern eine böse Schlappe zugefügt. Sie gewannen mit der Schweiz mit 2:0, am Ende wurde Kanada indiskutabler Siebter.
Krueger: Dieses Turnier und vor allem dieses Spiel war das beste Beispiel dafür, wie es Kanada auf der größeren Eisfläche nicht machen darf. Wir konnten sie damals mit unserer Spielweise frustrieren. Für mich ist es deshalb wichtig, dass ich genau diesen Input von der anderen Seite ins Team hereinbringen kann. Der gesamte Coaching-Staff ist auch sehr offen dafür, wir tauschen uns ständig aus und mir helfen dabei die Erfahrungen, die ich in Salt Lake City, Turin und Vancouver gesammelt habe.
SPOX: Die größere Eisfläche ist gerade schon als Stichwort gefallen, sie ist der Hauptunterschied, aber es gibt insgesamt viele daraus resultierende Aspekte, die es zu beachten gilt. Sowohl für die Verteidiger als auch für die Stürmer verändert sich das Spiel komplett, auch die Special Teams müssen anders interpretiert werden. Was sind für Team Canada die wichtigsten Schlüssel zum Erfolg?
Krueger: Für uns ist es als Kanadier erst einmal ganz entscheidend, dass wir uns so viel wie möglich zwischen den Bully-Punkten aufhalten. Kanadische Teams geraten immer dann in Probleme, wenn sie zu viel in diesem Freiraum spielen, in dem sie normalerweise eben nicht spielen. Sie dürfen kein Outside-Game wie die Europäer versuchen. Wir müssen kanadisches Eishockey auf europäischer Eisfläche spielen. Wir müssen Team-Canada-Hockey spielen, mit aller dazugehöriger Emotionalität. Das ist der wichtigste Punkt.
SPOX: Was sind die Details, die man im Auge haben muss?
Krueger: Nehmen wir die neutrale Zone, sie ist über zwei, zweieinhalb Meter länger. Was wiederum bedeutet, dass die defensive und offensive Zonen etwas zerquetscht sind. Das hat Auswirkungen auf alle Bereiche, besonders auch auf die Special Teams. Es gibt auch Kleinigkeiten wie die geringere Anzahl an Timeouts in einem Drittel, es muss schneller gewechselt werden - es gibt viele kleine Punkte, die wir beachten müssen. Aber in erster Linie müssen wir unser kanadisches Spiel durchbringen.
SPOX: In kanadischen Medien wird Ihre Rolle sehr anerkannt, es war schon vom X-Faktor Ralph Krueger zu lesen.
Krueger: Es ist natürlich eine Ehre, so etwas zu lesen. Für Team Canada arbeiten zu dürfen, ist eine aufregende Chance für mich. Das Management unter General Manager Steve Yzerman und die Coaches sind so offen für andere Ideen, sie wollen immer bessere Wege finden. Das passt einfach perfekt zu meiner Philosophie und deshalb macht die Arbeit auch so einen großen Spaß. Ich hoffe, dass ich einen Unterschied machen kann.
SPOX: Es wird natürlich viel über mögliche Reihen diskutiert. Dass Sidney Crosby wie in Pittsburgh mit Chris Kunitz spielt, scheint klar. Dazu könnte Steven Stamkos in diese Linie kommen. Wie weit sind die Überleungen, was die Reihenzusammenstellung angeht?
Krueger: Wir haben jetzt immer schon mit verschiedenen Möglichkeiten gespielt. Wie sehen die Reihen aus? Wie sehen Über- und Unterzahl-Kombinationen aus? Wir haben ein Gerüst, aber wir werden auch noch die Tage nach der Ankunft in Sotschi nutzen, um im Training verschiedene Sachen auszuprobieren. So richtig werden sich die Reihen dann wohl in den ersten beiden Spielen herauskristallisieren. Wichtig ist, dass jeder genau weiß, dass er vielleicht auch mal nur 4 Minuten spielen wird und damit kein Problem hat.
Teil 2: Krueger über die Topfavoriten und das deutsche Eishockey