Ja, es ist unglaublich - wir genießen beim Weltcup den Blick auf grüne Almen und laufen uns mit hochgekrempelten Ärmeln förmlich heiß. Fast zweistelligen Temperaturen im Wettkampfwinter habe ich so eigentlich noch nicht erlebt, zumal die Austragungsorte gewöhnlich auf Höhen liegen, die sonst als schneesicher gelten.
Betrachtet man als Fernsehzuschauer diese Situation achselzuckend, bringt uns diese in regelrechte Turbulenzen; damit sind nicht die Witze unter Mannschaftskameraden gemeint, ob heute nicht die Badehose geeigneter zum Laufen sei, als der Rennanzug - nein, die Temperaturen sind ein echtes Problem für Sportler und Techniker.
Der französische Weltcup am vergangenen Wochenende war von den Auswirkungen hoher Temperaturen geprägt: Die Loipe war so stark aufgeweicht und mit sulzigem Schnee versehen, dass die Unfallgefahr auf der Strecke vor allem in den Kurven sehr hoch war. Abfahrtsgeschwindigkeiten und Einsinktiefen im Schnee vertragen sich nicht gut und führen oftmals dazu, dass der Athlet ins Wanken und Schleudern gerät.
Welches Wachs?
Auch für unsere Techniker bedeutet dieses Wetter Schwerstarbeit. Zu welchem Wachs greift man ? Welches Präparat reagiert am besten mit dem Ski bei diesen Temperaturen?
Die Wachsverwendung ist ja fast eine Wissenschaft für sich, die sich vor allem auf Erfahrungen und Beobachtungen stützt - was aber tun bei Bedingungen, die es so selten gibt, dass keine vernünftigen Erfahrungswerte vorliegen? Zwischen den Technikern hinter den Kulissen fühlt man sich wie in einer Hexenküche oder auf einer Messe für Hobbyköche; es werden regelrecht Rezepte ausgetauscht und ausprobiert - das Testen der Wachskombinationen ist um einiges umfangreicher als gewöhnlich.
Unsere Jungs von der Technik bewiesen mit ihren Experimenten ein glückliches Händchen. In Frankreich hatten wir unglaublich gute Skier, was aber kein Garant für Spitzenleistungen ist - trotz dieser Rahmenbedingung kann einem das schlechte Wetter doch noch schaden. Speziell, wenn ein Konkurrent nicht so guten Wachs unterm Ski hat, strauchelt oder stürzt und andere damit abdrängt oder behindert - einem solchen Fall wurde ich zum Opfer, kurz vor dem Zieleinlauf.
Vorgeschmak auf Sotschi?
Es lohnt sich aber nicht, damit zu hadern - das Schicksal verteilt die Dinge schon regelmäßig.
Vielleicht war es auch mal gut, dass wir als Generalprobe für Sotschi solche Bedingungen hatten - Sotschi liegt ja bekanntlich am Meer, wo die Temperaturen auch manchmal nicht winterlich sind. Neben meinen olympischen Rennanzügen sollte im Koffer vielleicht auch eine Badehose liegen, man weiß ja nie.
Herzlichst
Eric
Eric Frenzel, geboren am 21. November 1988 in Annaberg-Buchholz, gehört zu den größten deutschen Medaillenhoffnungen für die Winterspiele 2014 in Sotschi. Frenzel wurde 2011 und 2013 Einzel-Weltmeister und gewann in der Saison 2012/13 den Gesamtweltcup. Auf seinem Konto stehen bislang 9 Einzelsiege im Weltcup. Mehr Informationen über Eric Frenzel gibt es unter www.eric-frenzel.com