Mikaela Shiffrin bricht einen Tag nach Gold im Riesenslalom unter der Last ihrer eigenen Erwartungen zusammen und wird im Slalom nur Vierte. Olympiasiegerin ist die "ewige Zweite" Frida Hansdotter.
Mikaela Shiffrin saß auf einer provisorisch zusammengezimmerten Holztreppe und sah aus wie ein Häufchen Elend. Ihre Schultern hingen schlaff herunter, ihr Blick ging ins Leere, sie wirkte apathisch. Hinter ihr wuselten drei glückliche Frauen durch den vibrierenden Zielraum am Fuße der Regenbogenpiste, allen voran Frida Hansdotter, die "ewige Zweite" aus Schweden, Cousine des schwedischen Prinzen Daniel - und jetzt die Olympiasiegerin von Pyeongchang. Shiffrin? War einen Tag nach Gold im Riesenslalom ohne Medaille geblieben. Rang vier. Eine Sensation!
Als sie sich gesammelt hatte, versuchte Shiffrin den Tag, an dem die deutschen Frauen mit Marina Wallner (Inzell) auf Rang 19 ihr schlechtestes Slalom-Resultat bei Olympia ablieferten, irgendwie nachzuvollziehen. Sie hatte sich übergeben vor dem Start, was ja nicht ungewöhnlich ist für sie. Die Nervosität. "Sich zu übergeben ist natürlich nie gut", sagte sie, "aber ich hatte das Problem die ganze vergangene Saison, deshalb dachte ich: Hmm, okay, das kenne ich schon." Aber: Diesmal wusste sie damit nicht umzugehen. "Ich war heute einfach nicht ich selbst."
Shiffrin steht sich selbst im Weg
Beim Ergründen der Unpässlichkeit vor dem Start landete Shiffrin erneut bei sich. "Ich glaube, es sind meine eigenen Erwartungen", sagte sie, es ist schon das Ausmaß von dem, was ich schaffen will, aber es geht da eher um mich", es geht also um den Druck, den sie sich selbst macht. Und unter dem sie diesmal zusammenbrach.
Dazu kam: Nach Gold und dem "emotionalen Hoch" im Riesenslalom am Tag zuvor, fiel sie in ein Loch. Sie habe es "nicht geschafft, mit den Werkzeugen, die mir eigentlich dafür zur Verfügung stehen", sich auf beide Rennen zu konzentrieren, gestand sie ein.
Shiffrin ist Olympiasiegerin im Slalom. Sie wurde 2013, 2015 und 2017 Weltmeisterin. Sie weiß, was sie kann. Und doch wollte sie an diesem Freitag "etwas Besonderes machen" - ein Irrtum, denn: "Das muss ich ja gar nicht. Ich muss einfach Skifahren, dann wäre alles gut." Nichts war gut.
Hansdotter muss das Feiern noch üben
Schon der erste Lauf war eine Enttäuschung für sie, Shiffrin lag 0,48 Sekunden hinter Wendy Holdener (Schweiz), die am Ende Zweite wurde. Nach einem unwesentlich besseren Finale fehlten ihr 0,08 Sekunden zu Katharina Gallhuber (Österreich) auf Rang drei. Schier unglaublich.
"Ich weiß ... das klingt jetzt so arrogant ... dass ich die beste Slalomfahrerin der Welt bin", sagte Shiffrin, "das habe ich oft gezeigt, und heute bin ich da nicht mal annähernd rangekommen." Die Frau, die sonst in einer anderen Liga fährt, sank herab auf das Niveau von Konkurrentinnen, die oft genug keine mehr sind. Die aber entschlossen die Gunst der Stunde nutzten.
Dass es dann Hansdotter war, die zu Gold fuhr, war die vielleicht größte Überraschung, wohl auch für sie selbst: 18-mal war sie im Weltcup Zweite, ebenso bei der WM 2015, dazu Dritte bei der WM 2013 und 2017. "Die Beste der Welt zu sein, das ist total verrückt", sagte sie, aber sie war es nun mal. Was die 32-Jährige zugleich vor ein ernsthaftes Problem stellte: "Ich habe keine Ahnung, wie ich das feiern soll. Das ist ja das erste Mal."