Mannschaft der Vorrunde
Hier führt kein Weg an Australien vorbei. Gastgeber und Mitfavorit England wurde im vorletzten Gruppenspiel in allen Belangen dominiert und gegen Wales verteidigte das Team trotz einer zwei-Mann-Unterzahl minutenlang heroisch die eigene Mallinie. Die wahlweise als Todesgruppe oder Höllengruppe bezeichnete Gruppe A mit England, Wales, Australien und Fidschi war überraschenderweise schon vor dem letzten Spieltag entschieden. Mit Australien, der es als letzter Mannschaft noch im August gelang, den Titelverteidiger All Blacks zu schlagen, muss auch im weiteren Turnierverlauf gerechnet werden. Neben der traditionell überragend schnellen Hintermannschaft der Wallabies hat Coach Michael Cheika auch den Sturm der Australier gestählt. Das ehemals als Lachnummer des internationalen Rugby verschriene Gedränge war über jeden Zweifel erhaben und dominierte sowohl gegen England als auch gegen Wales.
Enttäuschung der Vorrunde
England schied bereits nach drei Spielen aus, dieses "Kunststück" war in der bisherigen WM-Geschichte noch keinem Gastgeber gelungen. Gegen das letzte Aufgebot einer von Verletzungssorgen geplagten walisischen Mannschaft, ließ man sich in den letzten zehn Minuten nach deutlicher Führung noch die Butter vom Brot nehmen und im alles entscheidenden Spiel gegen Australien wurde England geradezu deklassiert und war den Wallabies in allen Belangen unterlegen. Jahre der Vorbereitung, eine Euphorie sondergleichen und allerlei Gerede in den englischen Medien, wie man in der K.o.-Phase gegen die All Blacks bestehen könne, all das war mit dem peinlichen Scheitern vorbei. Der Spott von Rugby-Fans rund um den Globus ist ihnen sicher.
Spieler der Vorrunde
In dieser Kategorie bieten sich einige Kandidaten an. Georgiens Kapitän Mamuka Gorgodze beispielsweise, aufgrund seiner dominanten Spielweise und imposanten Statur auch Gorgodzilla genannt, wäre ein logischer Kandidat. Trotz der deutlichen Niederlage seines Teams gegen die All Blacks wurde er zum Man of the Match gekürt und führte seine "Lelos" darüber hinaus zu zwei Siegen gegen Tonga und Namibia. Auch Ayumu Goromaru, Fullback und Kicker der Japaner, ist in jedem Fall eine Erwähnung wert. Er legte einen Versuch gegen die Springboks und blieb bei seinen Kicks ohne Fehler.
Schlussendlich fällt die Wahl aber auf Bernard Foley, den Spielmacher der Australier. Vor einigen Monaten konnte er sich noch nicht mal seines Stammplatzes sicher sein, da Trainer Cheika immer wieder zwischen ihm und Quade Cooper auf der 10er-Position der Wallabies rotierte. Die Wahl fiel schließlich auf die angeblich konservativere Variante mit Foley. Seine Kicks waren wie erwartet einwandfrei, doch auch darüber hinaus dirigierte er die australische Hintermannschaft exzellent und machte gegen die Engländer das Spiel seines Lebens. Zwei Versuche und 28 Punkte, er entschied die Begegnung gegen den Angstgegner der Australier im Alleingang.
Bester Versuch der Vorrunde
Juan Imhoffs Versuch gegen Tonga. Es war einer von vielen schönen Team-Trys von "Los Pumas" im Turnier. Fast über die ganze Länge des Feldes wanderte der Ball durch die Hände der gesamten Mannschaft, um am Ende den letzten Verteidiger mit einem brillanten Step aussteigen zu lassen.
Dieser Versuch ließ auch Argentiniens berühmtesten Fan, Fußball-Legende Diego Maradona, geradezu ausflippen. Nach dem Spiel ließ es sich eben jener Maradona daher auch nicht nehmen, seine Hochhalt-Künste in der Kabine der Pumas mit einem Rugby-Ball zu demonstrieren.
Tackle der Vorrunde
Auch hier gibt es mehrere Kandidaten. Zum einen wäre da das Tackle von Japans Ayumu Gorumaru in der Nachspielzeit der ersten Hälfte gegen die Schotten: Zwar war sein Tackle sicherlich nicht der größte Hit der WM aber wie es dem Fullback gelang, eine 15 Meter-Lücke zu schließen, seinen Gegenspieler ins Aus zu befördern und damit den sicheren Versuch zu verhindern, war schlicht beeindruckend.
Samoas TJ Ioane hingegen lieferte gegen den 115 Kilogramm schweren Hakler der Springboks einen absoluten Monster-Hit ab. Frontal gegen den mit Geschwindigkeit ankommenden Stürmer der Boks, alles andere als subtil, aber erfolgreich. Während die Samoaner insgesamt enttäuschten, wurden sie so immerhin ihrem Ruf als eine der härtesten Mannschaften im Feld gerecht.
Spiel der Vorrunde
Direkt am zweiten Spieltag gelang die wahrscheinlich größte Sensation der WM-Geschichte. Was ein lockerer Aufgalopp des zweimaligen Weltmeisters Südafrika gegen eine unterlegene japanische Mannschaft werden sollte, wurde zu dem Spiel der WM - bis jetzt. Die japanische Mannschaft konnte über weite Strecken des Spiels an den Boks dranbleiben, obwohl es immer wieder mehrerer japanischer Tackler bedurfte, um die schweren Stürmer der Springboks zu Boden zu bringen.
Als sich mit dem Schlusspfiff die Möglichkeit bot, mit einem Straftritt das sichere Unentschieden zu nehmen, bewies die Mannschaft Nippons dann ein geradezu unglaubliches Maß an Cojones. Man wählte statt dem dem einfachen Kick vor den Stangen das Gedränge und belagerte minutenlang die Linie der Springboks. In der fünften Minute der Nachspielzeit gelang schließlich das Unfassbare: Winger Karne Hesketh nutzte eine Überzahl auf den Außen und legte den Ball im Malfeld ab, noch bevor er von einem Bok ins Aus befördert wurde.
Die Sensation war perfekt und löste in Japan eine ungeahnte Rugby-Euphorie aus. Den darauffolgenden Sieg gegen Samoa sahen 25 Millionen Japaner im TV - ein neuer Rekord.
Überraschung der Vorrunde
Diese Ehre gebührt einzig und allein eben jenen Japanern. Obwohl einige prominente Kommentatoren vor der WM eine Reduzierung der teilnehmenden Mannschaften auf 16 Teams forderten, um vermeintlich zu einseitige Partien zu verhindern, waren die Ergebnisse knapper als je zuvor. Speziell Japan, das bei den bisherigen WM-Teilnahmen gerade mal einem Sieg im Jahr 1991 einfahren konnte,, wusste mit drei Siegen überzeugen. Damit wurden die Asiaten die einzige Mannschaft bei dieser WM, die es mit drei Siegen nicht ins Viertelfinale schaffte. Schade!
Emotionalster Moment der Vorrunde
Ein Rugby-Artikel ohne die All Blacks zu erwähnen wäre schon eine Kunst. Die Neuseeländer spielten eine routinierte Vorrunde mit einigen schönen Versuchen, die Schlagzeilen wurden bis jetzt jedoch von anderen Teams gemacht.
Ein beeindruckender Moment ereignete sich allerdings vor dem Spiel der All Blacks gegen Tonga im St. James' Park in Newcastle. Über 51.000 Zuschauer wurden Zeuge wie der traditionelle Haka der All Blacks auf den Sipi Tau der Tongaer traf. Zwei alte Kriegerkulturen aus dem Pazifik im randvollen Stadion von Newcastle, ein echter Gänsehaut-Moment!