Ein (fast) vergessener Legionär

Von 90PLUS
Philipp Wollscheid ist bei Stoke City unumstrittener Stammspieler
© getty

Philipp Wollscheid hat sich nach seinem Wechsel nach England zum Stammspieler gemausert. Auf der Insel macht der 27-Jährige mit konstanten Leistungen auf sich aufmerksam, Fans und lokale Presse feiern ihn. Nun hofft er sogar noch auf die EM.

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"Ich bin der Meinung, dass eine Nominierung gerechtfertigt wäre, weil ich an mich glaube!" Mit diesen selbstbewussten Worten hinsichtlich der anstehenden Europameisterschaft in Frankreich bewertete sich Philipp Wollscheid in einem Interview mit dem SID in Bezug auf seine Leistung beim Achtplatzierten der Premier League Stoke City. Aber: Auch zu Recht?

Seit dem 7. Spieltag in England ist der zweifache Nationalspieler nicht mehr aus der Startelf von Stoke wegzudenken, zu solide sind seine Leistungen, zu sehr wird er von den Fans geliebt. Als Dank für seine Leistungen gab es von diesen sogar ein eigenes Lied für Wollscheid, in welchem Vergleiche mit Zinedine Zidane gezogen werden - Anerkennung pur.

Die kritische Presse als Unterstützer

Fehlerfrei ist der Innenverteidiger jedoch nicht. So ging der Gegentreffer zum 2:2 gegen Swansea am vergangenen Wochenende auf seine Kappe, auch der "Stoke Sentinel" merkte dies in seinem Rückblick auf das Spiel an. Dennoch blieb große Kritik an Wollscheid aus. Das Blatt sprach von ihm als einzige Konstante in der Saison in der Innenverteidigung, lobte den 27-Jährigen für seine ersten 80 Minuten und seine bisherige Leistung in der Saison.

So etwas zu lesen, ist nicht selbstverständlich, gerade nicht in England, wo man sonst so hart mit den Spielern ins Gericht geht (siehe Diego Costa vom FC Chelsea, bei dem die permanenten negativen Berichte der englischen Presse offenbar ausschlaggebend für einen Wechsel sein könnten). Dies hat sich Wollscheid durch Leistung erarbeitet. Ein Ruf beim Trainer, bei den Fans und bei der Presse wie er ihn hat, kommt nicht von heute auf morgen - erst recht nicht als Innenverteidiger.

Seine guten Leistungen trieben auch seinen Marktwert in die Höhe. "Transfermarkt" taxiert diesen mittlerweile auf 6,5 Millionen Euro und damit 2,5 Millionen Euro höher als noch vor zwei Jahren, trotz fortgeschrittenem Alter.

Flucht auf die Insel

Somit hat der 27-Jährige mit seiner Entscheidung nach England zu gehen, ziemlich viel richtig gemacht. Dabei fing nicht alles so rosig an, wie es jetzt um ihn steht. Zunächst wurde er für ein halbes Jahr von Leverkusen an Stoke ausgeliehen, nachdem er in einem halben Jahr Leihe bei Mainz 05 nicht im Geringsten überzeugen konnte und nur auf fünf Einsätze in der Bundesliga kam.

Bei Stoke wurde er gleich Stammspieler, spielte die folgenden acht Partien in der ersten Elf, sein Debüt im Januar 2015 beim FC Arsenal ging jedoch 3:0 verloren. In England war Wollscheid - bis auf einmal - bis zum Sommer immer im Kader (17-mal), zwölfmal stand er dabei in der Startelf. Dann ging es jedoch ein wenig bergab. Stoke zog zwar die Kaufoption und stattete ihn mit einem Vertrag bis zum 30. Juni 2018 aus, in den letzten vier Saisonspielen kam er aber nicht mehr zum Einsatz.

Höhenflug dank Wollscheid

Auch die folgende Saison begann für Stoke und seinem deutschen Innenverteidiger alles andere als vielversprechend. Nach den ersten sechs Spielen hatten die Potters noch keinen Sieg auf dem Konto, für Wollscheid standen nur 45 Minuten Einsatzzeit zu Buche. Dann kam der Aufschwung. Mit Wollscheid in der Startelf folgten drei Siege in Serie und der Sprung von Platz 18 auf Platz 14. So blieb Wollscheid gesetzt und verpasste seither keine einzige Minute.

Dabei kommt der Innenverteidiger auch ohne (grobe) Fouls aus, nur zwei gelbe Karten sah er bisher in dieser Saison. Mit noch sechs ausstehenden Spielen steht Wollscheid mit seiner Mannschaft momentan auf dem achten Platz, sechs Punkte hinter Manchester United, die auf dem Europa-League-Platz stehen. Auch wenn die Chancen auf das internationale Geschäft nicht allzu hoch erscheinen, da Stoke ein Spiel mehr auf dem Konto hat, werden die Potters alles in die Waagschale werfen um zumindest den Anschluss an diesen Platz nicht gänzlich zu verlieren. Denn alle wissen: wenn irgendwo alles denkbar ist, dann im von uns geliebten Fußball - Borussia Dortmund und der FC Liverpool lassen grüßen.

(Zu) große Konkurrenz im DFB-Team

Auch wenn Wollscheid in Deutschland unter dem Radar fliegt: Mit seinen gezeigten Saisonleistungen ist es durchaus verständlich, dass er das Thema Nationalmannschaft offen anspricht, immerhin verwies er auch darauf, dass er alles andere als konkurrenzlos sei und er Joachim Löw nicht um die Entscheidung der Nominierung beneide.

Damit hat er zweifelsohne Recht, denn wenn das Verletzungspech - das zuletzt beispielweise Jerome Boateng oder Benedikt Höwedes erwischte - nicht zuschlägt hat Löw eine breite Auswahl an EM-fähigen Innenverteidigern, die es aufgrund ihrer Leistung im Verein allesamt verdient hätten mit nach Frankreich zu reisen.

Dass Wollscheid letztendlich tatsaächlich zu dieser Gruppe gehört, darf jedoch bezweifelt werden. Gerade bei Jogi Löw hat sich bislang noch niemand in die Nationalmannschaft geredet.

Philipp Wollscheid im Steckbrief