MLB

Die Rotation der Träume

Von Florian Regelmann
Superstar-Pitcher Cliff Lee unterschrieb im Sommer einen 120-Millionen-Dollar-Vertrag in Philadelphia
© Getty

Am Donnerstag startet die neue MLB-Saison. Die Philadelphia Phillies sind gemeingefährlich gut besetzt, aber auch die Boston Red Sox, New York Yankees und der Champion, die San Francisco Giants, werden bei der Titelvergabe ein gewaltiges Wort mitreden. SPOX mit der Analyse der Topfavoriten - und dem Geheimtipp.

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Legende: SP = Starting Pitcher, RP = Relief Pitcher, SS = Shortstop, C = Catcher, OF = Outfielder, DH = Designated Hitter, 1st Base = First Baseman, 2nd Base = Second Baseman, 3rd Base = Third Baseman, INF= Infielder

1. Philadelphia Phillies

Wichtigste Zugänge: Cliff Lee (SP, Texas Rangers), Delwyn Young (INF, Pittsburgh Pirates)

Wichtigste Abgänge: Jayson Werth (RF, Washington Nationals), Greg Dobbs (3B, Florida Marlins)

Ausblick: Roy Halladay, Cliff Lee, Roy Oswalt, Cole Hamels, Joe Blanton. Fünf Namen, die den Rest der MLB erzittern lassen. Schon jetzt ist von der besten Starting-Rotation aller Zeiten die Rede. Und viel kann man nicht dagegen sagen. Wenn ein World-Series-MVP wie Hamels nur die Nummer vier ist, sagt das eigentlich alles aus.

Die Phillies waren sowieso schon gut aufgestellt - und dann haben sie im Sommer zur Überraschung vieler auch noch den Kampf um Lee gewonnen. Die Rotation ist ohne Zweifel gemeingefährlich gut. Sie muss aber auch gut sein, denn offensiv ist Philly nicht ohne Sorgen. Das größte Sorgenkind ist Chase Utley, der an chronischen Knieproblemen leidet und zum Start der Saison auf unbestimmte Zeit ausfällt. Ohne den Second Baseman hat die Phillies-Lineup ein riesiges Loch.

Und möglicherweise nicht nur eins. Denn der Abgang von Jayson Werth, den es für viel Geld nach Washington gezogen hat, ist im Outfield auch kaum zu kompensieren. Domonic Brown, das Top-Talent der Phillies, hätte Werths Job im Right Field eigentlich übernehmen sollen, wurde aber früh in der Vorbereitung von einer Handverletzung gestoppt.

Wie gut Brown sein wird, wenn er denn fit ist, ist einer der Schlüssel für die Phillies. Außerdem wird sehr viel von der Performance von Shortstop Jimmy Rollins abhängen. Dass First Baseman Ryan Howard seine gewohnten Monster-Zahlen abliefern wird, steht außer Frage. Es gibt also einige Fragezeichen, zumal auch Closer Brad Lidge (Schulter) erst mal drei bis sechs Wochen lang fehlen wird. Aber wer solch eine Rotation hat, der kann selbst damit wohl ganz gut leben.

2. Boston Red Sox

Wichtigste Zugänge: Carl Crawford (LF, Tampa Bay Rays), Adrian Gonzalez (1B, San Diego Padres), Bobby Jenks (RP, Chicago White Sox), Dan Wheeler (RP, Tampa Bay Rays), Matt Albers (RP, Baltimore Orioles), Dennys Reyes (RP, St. Louis Cardinals)

Wichtigste Abgänge: Adrian Beltre (3B, Texas Rangers), Victor Martinez (C, Detroit Tigers), Felipe Lopez (INF, Tampa Bay Rays), Bill Hall (2B, Houston Astros)

Ausblick: Die Red Sox verpassten in der letzten Saison die Playoffs, das soll auf keinen Fall ein zweites Mal hintereinander passieren. Und das wird es auch nicht. Dafür hat Boston im Sommer gesorgt. Sich mal eben zwei Superstars für die First Base (Adrian Gonzalez) und das Outfield (Carl Crawford) zu schnappen - man kann schlechtere Offseasons haben...

Weiterer Pluspunkt: Second Baseman Dustin Pedroia und Centerfielder Jacoby Ellsbury sind nach ihren Seuchenjahren wieder fit, für die Red Sox ist das mindestens genauso wichtig wie die Verpflichtungen von Gonzalez und Crawford. Die Lineup macht einen ganz starken Eindruck. Der Verlust von Adrian Beltre tut zwar etwas weh, aber er kann kompensiert werden. Ob dagegen der Verlust von Victor Martinez kompensiert werden kann, ist zweifelhaft. Denn die Last auf der Catcher-Position liegt nun auf den Schultern von Jarrod Saltalamacchia. Und der gilt zwar seit Jahren als kommender Star, hat aber bis jetzt noch nicht bewiesen, dass er wirklich so gut ist.

Was die Pitcher-Situation angeht, können sich die Red Sox bei den Startern vor allem auf Jon Lester und Clay Buchholz verlassen. Lester ist für manche Experten der beste Linkshänder in der MLB überhaupt, und Buchholz hat auch Cy-Young-Potenzial.

Ganz entscheidend wird es für die Red Sox sein, dass Josh Beckett und John Lackey nach für ihre Verhältnisse desaströsen Jahren wieder zu alter Stärke zurückfinden. Auch Star-Closer Jonathan Papelbon muss mehr zeigen als 2010. Grundsätzlich sind die Red Sox vom Talent ohne Frage ein absoluter World-Series-Kandidat.

3. San Francisco Giants

Wichtigste Zugänge: Miguel Tejada (SS, San Diego Padres), Jeff Suppan (SP, St. Louis Cardinals)

Wichtigste Abgänge: Juan Uribe (INF, Los Angeles Dodgers), Edgar Renteria (INF, Cincinnati Reds)

Ausblick: Warum der amtierende Champion auch in dieser Saison zu den Topfavoriten gezählt werden muss, ist ganz leicht und schnell beantwortet. Weil die Giants auch in dieser Saison den gesamten Pitching-Staff aufbieten können, mit dem sie die World Series gewannen.

Strikeout-Maschine Tim Lincecum, Jonathan Sanchez, Matt Cain, Barry Zito, Madison Bumgarner - San Francisco verfügt über eine bombastische Starting-Rotation. Und der Bullpen mit seinem exzentrischen Star-Closer Brian Wilson ist ebenfalls allererste Sahne.

Nicht mehr in San Francisco sind World-Series-MVP Edgar Renteria und Infielder Juan Uribe. Gerade der Verlust von Uribe könnte sich als schmerzlich erweisen. Es bleibt abzuwarten, ob Neuzugang Miguel Tejada die Lücke schließen kann. Die Lineup der Giants haut so oder so sicherlich niemandem um, aber sie ist solide genug, um wieder einen Anlauf auf den Titel zu starten.

Catcher Buster Posey ist einer der besten jungen Spieler der MLB, mit ihm steht und fällt die Produktivität der Offense. Hoffen dürfen die Giants auch auf Third Baseman Pablo Sandoval, der in der Offseason viel Gewicht verloren hat und das Zeug zu einem der besten Hitter der National League hat. Auch Supertalent Brandon Belt könnte im Laufe der Saison noch für Furore sorgen. Aber: Seit den Reds (1975/1976) hat kein Team der NL mehr eine Championship erfolgreich verteidigt.

4. New York Yankees

Wichtigste Zugänge: Russell Martin (C, Los Angeles Dodgers), Rafael Soriano (RP, Tampa Bay Rays), Pedro Feliciano (RP, New York Mets), Bartolo Colon (SP/RP, Free Agent), Mark Prior (RP, Texas Rangers), Freddy Garcia (SP, Chicago White Sox), Andruw Jones (OF, Chicago White Sox), Eric Chavez (INF, Okland Athletics)

Wichtigste Abgänge: Andy Pettitte (SP, Karriereende), Javier Vazquez (SP, Florida Marlins), Kerry Wood (RP, Chicago Cubs), Lance Berkman (1B/OF, St. Louis Cardinals), Marcus Thames (OF, Los Angeles Dodgers), Austin Kearns (OF, Cleveland Indians), Nick Johnson (1B, Cleveland Indians)

Ausblick: In ihren Träumen hatten sich die Yankees ihre Offeason ja schon ein bisschen anders vorgestellt. Die beiden Legenden Mariano Rivera und Derek Jeter unterschrieben zwar wie erwartet neue Verträge, aber das eigentliche Ziel des Sommers wurde verfehlt: Cliff Lee. Der Superstar-Pitcher entschied sich gegen die Yankees und ging nach Philly. Ganz bitter für die Bronx Bomber. Als sich dann auch noch Andy Pettitte entschied, seine Karriere zu beenden, hatten die Yankees plötzlich zwei Spots in ihrer Starting-Rotation, die sie anders besetzen mussten, als sie das gerne gewollt hätten.

Aber: Wenn man die Vorbereitung verfolgt hat, muss man feststellen, dass die Yankees ihr Problem gut gelöst haben. Mit Ivan Nova, Freddy Garcia und Bartolo Colon boten sich gleich drei Mann für die beiden Plätze an. Nova und Garcia machten das Rennen, für Colon bleibt ein Platz im Bullpen. Der Schlüsselspieler in der Rotation ist aber ganz klar A.J. Burnett. Sollte sich der 34-Jährige nach seiner grauenvollen letzten Saison wieder berappeln, könnten die Yankees doch noch sehr gut dastehen. CC Sabathia und Phil Hughes sollten wieder sichere Werte sein.

Mehr als sieben Innings werden die Yankees wohl auch grundsätzlich nicht von ihren Startern benötigen. Denn mit Rivera und Neuzugang Rafael Soriano, der jetzt den Setup-Man gibt, hat man im Prinzip gleich zwei Sensations-Closer in seinen Reihen. Führen die Yankees nach sieben Innings, ist die Sache bei diesen beiden Herren eigentlich durch.

In der Lineup gibt es nur eine wichtige Veränderung. Jorge Posada soll auf Full-Time-Basis auf die Position des Designated Hitters rücken, mit Russell Martin gibt es dafür einen neuen Catcher. Vor einigen Jahren war Martin in seinen Dodger-Zeiten mal einer der besten Catcher der NL, dann wurde er von Verletzungen zurückgeworfen. Martins Performance muss sich steigern, aber damit ist er bei den Yankees nicht alleine. Auch Posada, Jeter, Alex Rodriguez, Mark Teixeira und Curtis Granderson müssen allesamt bessere Zahlen abliefern als 2010. Dann sind die Yankees auch wieder ein heißer Titelkandidat.

5. Atlanta Braves

Wichtigste Zugänge: Dan Uggla (2B, Florida Marlins), Scott Linebrink (RP, Chicago White Sox), George Sherrill (RP, Los Angeles Dodgers)

Wichtigste Abgänge: Billy Wagner (RP, Karriereende), Derrek Lee (1B, Baltimore Orioles), Omar Infante (INF, Florida Marlins), Matt Diaz (OF, Pittsburgh Pirates), Kyle Farnsworth (RP, Tampa Bay Rays), Melky Cabrera (OF, Kansas City Royals), Takashi Saito (RP, Milwaukee Brewers)

Ausblick: Die Braves ohne Bobby Cox? Es ist eigentlich unvorstellbar, aber zum ersten Mal nach 20 Jahren hat Atlanta einen neuen Manager. Fredi Gonzalez. Cox weg, dazu die Tatsache, dass die Braves in einer Division mit den Phillies spielen - man könnte meinen, dass Atlanta vor einem schweren Jahr steht. Ist aber falsch.

Die Braves müssen sich vor kaum jemandem verstecken und haben unwahrscheinlich viel Qualität im Kader. Die Starting-Rotation hat vielleicht nicht die Namen der Phillies, aber mit Derek Lowe, Tommy Hanson, Tim Hudson und Jair Jurrjens ist man auch bestens aufgestellt. Auch auf der Closer-Position hat Atlanta mit Craig Kimbrel einen exzellenten Nachfolger für Billy Wagner (Karriereende).

Was die Lineup angeht, hat Atlanta ein gewaltiges Power-Potenzial. Jason Heyward hat in seiner Rookie-Saison schon gezeigt, was er drauf hat. Und jetzt ist er nicht mehr alleine. Die Verpflichtung von Second Baseman Dan Uggla (33 HR in der letzten Saison) war ein Coup, und mit First Baseman Freddie Freeman steht schon das nächste Ausnahme-Talent parat, das ähnlich wie Heyward einfach unglaublich schlagen kann.

Bedenkt man dann noch, dass Chipper Jones, der zwischendurch schon ans Aufhören dachte, wieder fit ist und angedeutet hat, auf dem Weg zurück zu alter Form zu sein, sieht die Situation in Atlanta ziemlich vielversprechend aus. Der X-Faktor wird Nate McLouth sein. Die Braves bauen darauf, dass sich der Centerfielder ganz anders präsentieren wird, als er das in seiner unterirdischen letzten Saison getan hat.

Sleeper-Team: Oakland Athletics

Wichtigste Zugänge: Grant Balfour (RP, Tampa Bay Rays), David DeJesus (OF, Kansas City Royals), Brian Fuentes (RP, Minnesota Twins), Rich Harden (SP, Texas Rangers), Hideki Matsui (DH, Anaheim Angels), Josh Willingham (OF, Washington Nationals), Andy LaRoche (INF, Pittsburgh Pirates)

Wichtigste Abgänge: Travis Buck (OF, Cleveland Indians), Eric Chavez (INF, New York Yankees), Rajai Davis (OF, Toronto Blue Jays), Jack Cust (DH, Seattle Mariners), Justin Duchscherer (RP, Baltimore Orioles), Jeremy Hermida (OF, Florida Marlins), Akinori Iwamura (2B, Japan),

Ausblick: Wer gewinnt die AL West? Die Texas Rangers? Die L.A. Angels? Nichts da, SPOX glaubt an eine realistische Chance für die A's. Der Hauptgrund dafür, Oakland als Geheimtipp zu deklarieren, findet man im Pitching-Staff. Die Starting-Rotation hat es in sich. Trevor Cahill, Brett Anderson, Gio Gonzalez, Dallas Braden - das mag unspektakulär klingen, aber schon in der vergangenen Saison hatte die Rotation der A's den niedrigsten ERA in der gesamten American League.

Als fünfter Starter könnte außerdem Rich Harden eine gute Option werden, wenn der Neuzugang seine Verletzungsprobleme überstanden hat. Auch der Bullpen ist ein absoluter Trumpf der Oakland-Truppe. Mit Grant Balfour und Brian Fuentes holte man sich zwei bärenstarke Setup-Men für Closer Andrew Bailey.

Problem: Bailey fällt zum Start der Saison aus. Sollte sich sein Comeback unerwartet lange hinauszögern, wäre das eine große Schwächung.

Die absolute Schwachstelle der A's war in der vergangenen Saison die Offense. Kevin Kouzmanoff führte Oakland in Sachen Homeruns an, mit 16 Big Flys. Das ist natürlich gar nichts. Die Produktivität in der Offense wird auch in dieser Saison nicht plötzlich zur großen Stärke werden, aber mit David DeJesus, Hideki Matsui und Josh Willingham hat sich Oakland sehr geschickt verstärkt und steht damit im mittleren Teil der Batting-Order viel besser da als zuletzt. Die A's muss man auf der Rechnung haben.

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