Sag mir, wo die Offense ist

Stefan Petri
03. September 201403:32
Für Derek Jeter und die Yankees läuft es nicht rundgetty
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Die Major League Baseball hat bereits über die Hälfte der Saison hinter sich und nimmt Kurs auf das All-Star Game. Zeit für SPOX, um einen Blick auf die Liga zu werfen: Warum erinnern die Ergebnisse mittlerweile schon fast an Fußball? Warum sind die Pitcher so gut und gleichzeitig so anfällig wie nie? Und woran kranken die Yankees?

Eine Runde Mitleid für die Hitter

Als Ichiro Suzuki 2001 aus Japan zu den Seattle Mariners wechselte und dort prompt Rookie of the Year und MVP wurde, waren die Home-Run-Paraden eines Mark McGwire und eines Sammy Sosa noch nicht lange her. "Chicks dig the long ball" war das Mantra der MLB. Einige Jahre später verteidigte Ichiro, der Slap-Hitter erster Güte, seinen Ansatz wie folgt: "Frauen, die auf Home Runs stehen, interessieren mich nicht. Ich finde Infield Hits sexy, denn dazu braucht es die richtige Technik."

Mittlerweile spielt der 40-Jährige bei den New York Yankees und dürfte seine helle Freude daran haben, wie es in der MLB zugehen. Denn - man muss es so hart sagen - mit der Offense geht es dahin.

Gut, es gibt immer noch Slugger wie Nelson Cruz (28 Home Runs bisher) oder Giancarlo Stanton (21), die den Ball aus dem Stadion prügeln und für offene Münder sorgen können. Aber der Trend geht immer weiter zu immer weniger Scoring.

Zur Halbzeit der Saison stehen die 30 Teams bei 4,13 Runs pro Spiel - das wäre die niedrigste Zahl seit 1992 und genau ein Run weniger als noch im Jahr 2000. In Sachen Batting Average (.251) sind die Hitter so schwach auf der Brust wie seit 1972 nicht mehr (1973 wurde übrigens dann der Designated Hitter eingeführt).

Größere Entwicklung bei Pitchern

Woran liegt das? Es scheint ganz so, als hätten die Pitcher im Vergleich zu den Hittern einen größeren Sprung in ihrer Entwicklung gemacht. "Es gibt mehr talentierte Pitcher, das glaube ich wirklich", sagte etwa Yankees-Slugger Mark Teixeira. "Deswegen gibt es weniger Runs." Da hat er zumindest bei den nackten Zahlen nicht Unrecht: Die Pitches werden immer schneller.

War vor einigen Jahren noch ein Fastball über 90 Meilen pro Stunde eine ordentliche Zahl, so finden sich mittlerweile gerade unter den jungen Pitchern immer mehr Fireballer, die über die 95 hinausgehen. In den letzten fünf Jahren hat sich die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Fastballs in der MLB um über eine Meile gesteigert.

Dazu kommen die Reliever - und bei denen geht es dann sogar noch höher. Finesse ist da fehl am Platz, lieber rausgehen und ein Inning alles wegblasen. Und dann ist der nächste dran. Diese spezialisierten Reliever werden von den Managern nämlich immer cleverer eingesetzt - und machen das Spiel nebenher durch die ständigen Pitching Changes quälend langsam.

Die Sabermetrics

Dazu kommt ein immer ausgefeilterer Ansatz in der Defense. Die Sabermetrics haben Baseball erobert und dazu geführt, dass die Anzahl der Shifts dramatisch zugenommen hat und in den letzten Jahren geradezu explodiert ist.

Diesem Trend kann sich niemand mehr entziehen, und er führt dazu, dass ein Pull-Hitter wie etwa David Ortiz von den Boston Red Sox ein weit offenes Left Field vor sich sieht - denn die Defense positioniert sich auf der statistisch wichtigeren rechten Seite des Feldes. Sein Kommentar: "Ich hasse es."

So nähern sich die Zahlen und Statistiken langsam den Niederungen der Dead-Ball-Ära in den 60ern an. Noch ist es natürlich lange nicht so weit. Aber Commissioner Bud Selig und sein Team werden diesen Trend sicher mit Argusaugen beobachten. Denn, um es erneut mit den Worten von Teixeira zu sagen: "Wenn man sich als Nicht-Hardcore-Fan ein Spiel anschaut, dann will man sehen, wie der Ball in den Sitzen landet. Wenn ich Fußball gucke, dann will ich ja auch Tore sehen."

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Oh, Tommy!

Die Pitcher werden also immer besser, werfen immer härter, die Anzahl der Strikeouts wird immer höher. So weit, so gut. Aber es scheint, als würden die Hurler der Major League Baseball - wie auch in den Ligen darunter und in der Jugend - einen hohen Preis dafür zahlen. Denn die Anzahl der Verletzungen und der befürchteten Tommy-John-OPs steigt weiterhin dramatisch an.

Die "Tommy John", bei der eine Sehne am Ellbogengelenk operiert wird und danach eine Pause von (mindestens) einem Jahr nötig ist, hat die Liga schon zu Beginn der Saison voll erwischt. Im Juni waren es bereits 45 Pitcher und damit fast so viele wie im gesamten letzten Jahr.

Dabei steht die Hochphase der Verletzungen statistisch noch aus. Vor wenigen Tagen etwa erwischte es Bronson Arroyo - und bei den Yankees zittert man derzeit um Masahiro Tanaka. Stars wie Jose Fernandez, Matt Moore, Josh Johnson oder Kris Medlen haben ihre Saison schon lange beendet.

Der Doktor erklärt...

Auch hier wird fieberhaft nach einer Erklärung - und vor allem nach einer Lösung gesucht. Denn gute Pitcher sind mittlerweile wahnsinnig teuer, und auch wenn die Erfolgsquoten nach dem Eingriff gut sind, gibt es dennoch keine Garantien. Und warum erwischt es so viele junge Spieler? Schließlich werden gerade die von den Teams im Vergleich zu Spielern vor 20 oder 30 Jahren unglaublich gepampert: Pitch Counts, ein Limit an Innings - alles wird versucht.

Für Dr. James Andrews (der Doktor Müller-Wohlfahrt der MLB, wenn man so will) liegt es an zu viel Baseball in der Jugend. Während früher nur im Sommer gepitcht wurde und man sich danach anderen Sportarten zuwendete, würden die Pitcher heutzutage das ganze Jahr über spielen, und zwar unter Wettbewerbsbedigungen.

"Natürlich wollen sie gegenüber den Scouts alles zeigen und übernehmen sich. Und dann verletzen sie sich", so Andrews in einem Radio-Interview im Frühjahr. "Die Sehnen dieser jungen Spieler sind einfach noch nicht stark genug, um da mitzuhalten."

Wo bleibt die Lösung?

Eine Lösung scheint nicht in Sicht. Die Pitcher werfen härter denn je, denn Geschwindigkeit wird von den Scouts gesucht. Dazu kommt ein wahrer Wust an besonderen Trainingsmethoden, bei denen niemand so genau weiß, ob sie sich wirklich dazu eignen, Verletzungen zu vermeiden.

Sogar in der MLB ist man sich uneins, wie Pitcher ihre spielfreien Tage nutzen sollen - von Japan ganz zu schweigen. Und dann gibt es auch noch die Stimmen, für die die heutige Verletzungsepidemie ganz einfach reiner Zufall ist - denn nichts genaues weiß man nicht.

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Das Imperium schlägt nicht zurück

Fünfmal hat Derek Jeter in seiner glorreichen Karriere die World Series gewonnen. Nun befindet sich die 40 Jahre alte Ikone der Bronx Bombers in seiner letzten Saison. In ein paar Monaten ist Schluss. Aber diese Abschiedstournee gerät immer mehr zur Ehrenrunde - denn zu gewinnen gibt es wohl auch diesmal wieder nichts für das Evil Empire.

Dabei hatten die Yankees vor der Saison noch die vermeintliche finanzielle Zurückhaltung in den Wind geschlagen und die eigene Payroll entgegen den Erwartungen einiger Experten über die Luxury-Tax-Grenze von 189 Millionen Dollar katapultiert. Mit Brian McCann, Jacoby Ellsbury und Carlos Beltran holte man drei Stars für insgesamt 283 Millionen Dollar Gehalt. Und dann kam natürlich noch Masahiro Tanaka dazu, der noch einmal 155 Millionen Dollar plus Ablöse für die Rakuten Golden Eagles kostete.

Das eigentlich Verrückte an diesem Kaufrausch ist ja, dass die Yankees den Los Angeles Dodgers finanziell immer noch nicht die Rücklichter zeigen. Aber GM Brian Cashmann zeigte allen, dass man in der letzten Saison von Jeter noch einmal alles probieren wollte.

Verletzungen en masse

Knapp vier Monate später muss man feststellen: Außer Spesen nicht besonders viel gewesen. Die Offensive der Bombers krebst trotz des Hitter-freundlichen Stadions am Ende der American League herum, Ellsbury und Beltran tun sich mehr als schwer, den Vertrag mit Altstar Alfonso Soriano löste man bereits auf.

Dazu kam ein Schwall an Verletzungen, den das alternde Roster nicht auffangen konnte: Michael Pineda pitchte ein paar starke Wochen und verletzte sich. Ivan Nova pitchte ein paar mittelmäßige Wochen und verletzte sich. CC Sabathia pitchte ein paar ganz schwache Wochen - und verletzte sich. Brett Gardner, Beltran, Teixeira, Ellsbury - sie alle machten zwischendurch Bekanntschaft mit der DL oder waren mal Day-to-Day.

Und trotz alledem, dank eines starken Bullpens und ein paar positiver Überraschungen wie Yangervis Solarte oder Dellin Betances, der möglicherweise das Zeug zu einem zweiten Mariano Rivera haben könnte, hielten sich die Yankees nahe an einer Wild Card.

Irgendwie die Playoffs erreichen, dann kann alles passieren. Und man hat ja mit Tanaka den vielleicht besten Pitcher der ersten Saisonhälfte in der AL. Jetzt muss man allerdings sagen: Man hatte. Denn beim japanischen Import wurde nach ein paar schwächeren Auftritten eine Verletzung am Ellbogen diagnostiziert: Sechs Wochen Pause, Tommy John nicht ausgeschlossen.

Geschenke für Jeter

Schlimmer könnte es also kaum laufen in diesem letzten Jahr von Derek Jeter. Ob der sich mit seiner Abschiedstour einen großen Gefallen tut, darf man übrigens bezweifeln. Nach einem geradezu erbärmlichen Saisonauftakt, als man ihn gut und gerne zu den schlechtesten Spielern in der MLB zählen durfte, hat er sich auf .273/.327/.237 "hochgearbeitet", schlechte Defense inklusive.

Dafür wird er allerdings von allen Teams verabschiedet und mit mehr oder weniger gelungenen Geschenken bedacht. Auswahl gefällig? Ein Lego-Mosaik seines erstes Home Runs und eine E-Gitarre in Pinstripes, Golfschläger, Manschettenknöpfe und ein... Paddleboard. Was soll man da noch sagen, außer: Ganz ruhig, Derek. Bald hast du es überstanden.

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Und sonst so?

  • Während die großen Yankees mit Ach und Krach an den Wild-Card-Plätzen dranbleiben, haben sich in der AL West mal wieder die Oakland Athletics an die Spitze der Division gesetzt. Mehr noch: Trotz ihrer überschaubaren Payroll haben die A's mit 55-33 die beste Bilanz in der MLB - es sollte den geneigten Fan so langsam nicht mehr überraschen, aber das tut es dennoch. Und die A's haben aus ihrern Fehlern - wenn man es denn so nennen will - gelernt: In den vergangenen zwei Jahren verabschiedete man sich aus den Playoffs, weil an der Spitze der Rotation das Ass fehlte, dass ein Spiel auch mal im Alleingang gewinnen konnte. Also schnappte man sich Top-Pitcher Jeff Samardzija (2,74 ERA) von den Chicago Cubs. Der gewann seinen ersten Start in Grün auch prompt. Reicht es dieses Jahr endlich für "Moneyball" Billy Beane?
  • Wie bereits erwähnt sind die Top-Pitcher in diesem Jahr wieder enorm stark: 2013 gab es in der AL fünf Starter mit einem ERA unter 3,00, in der National League waren es sieben. 2014 ist dieser erlauchte Klub noch einmal gewachsen: In der NL sind es derzeit unglaubliche 15 Pitcher, die American League hält mit zehn Pitchern dagegen. Heißt: Die Zahl hat sich von zwölf auf 25 mehr als verdoppelt.
  • Einen Mann muss man unter all diesen Stars noch einmal herausheben: Vor der Saison hatte Clayton Kershaw bei den Dodgers für sieben Jahre unterschrieben und sich dafür die fürstliche Summe von 215 Millionen Dollar zahlen lassen. Dann verletzte er sich nach seinen ersten Starts und bei Besitzer Magic Johnson schrillten sämtliche Alarmglocken. Mittlerweile muss man sagen: Die Gerüchte um Kershaws Ableben waren stark verfrüht: Am Donnerstag legte er ein Complete Game hin und erlaubte dabei einen Run. Es war sein erster Earned Run nach 41 perfekten Innings. Er drückte sein ERA dabei auf mikroskopische 1,78. Der dritte Cy Young seiner Karriere wäre keine Überraschung - und er ist erst 26. Wenn der Arm hält, kann er sich schon mal einen Platz in der Hall of Fame reservieren.
  • Das All-Star Game steht vor der Tür, aber obgleich es den Heimvorteil in der World Series bestimmt, ist von Aufregung noch nicht besonders viel zu spüren. Anders sieht es beim traditionellen Home Run Derby aus - aber hier mussten die Fans eine Enttäuschung hinnehmen: Die Superstars Mike Trout und Miguel Cabrera, die in den letzten beiden Jahren den MVP-Award unter sich ausmachten, sagten ab. "Ich werde es mir anschauen", so Cabrera, der in diesem Jahr nicht ganz so dominant auftritt wie sonst. "Ich habe schon genug Probleme." Die Teilnehmer: Jose Bautista, Yoenis Cespedes, Adam Jones, Brian Dozier und Josh Donaldson in der AL, Troy Tulowitzki, Yasiel Puig, Giancarlo Stanton, Todd Franzier und Justin Morneau für die NL. Und weil es ohne Tipp langweilig ist: Yoenis Cespedes holt das Ding!

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Der MLB-Spielplan