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O Captain! My Captain!

Derek Jeter (r.) bedankt sich bei den Yankee-Fans, neben ihm klatscht eine Legende Beifall
© getty

Am 28. September 2014 hat Derek Jeter sein letztes Spiel im Jersey der New York Yankees bestreiten. Danach war endgültig Schluss für "den Captain" - nach 20 Jahren, einer Menge unvergesslicher Highlights und nicht zuletzt fünf Titeln. An diesem Sonntag wird seine Nummer zwei von den Yankees in einer feierlichen Zeremonie in den Ruhestand versetzt. Ein Blick zurück auf die große Karriere des letzten verbliebenen Baseball-Superstars.

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[Dieser Artikel wurde ursprünglich am 19. September 2014 veröffentlicht.]

Dreihundertzweiundvierzigtausend Mal.

So oft könnte Derek Jeter laut einer Schätzung der "New York Times" seinen charakteristischen Inside-Out-Schwung absolviert haben. Der vordere, linke Fuß hebt ab und tippt kurz auf, dann öffnet sich Jeters Körperhaltung, während der Schläger auf seiner rechten Schulter wie ein Pendel abwärts durch die Strikezone rauscht, nur um über der linken Schulter zur Ruhe zu kommen. 342.000 Mal im Laufe seiner Karriere, ob nun im Batting Cage, in der Offseason oder in der World Series.

3.453 dieser Schwünge haben in 20 Jahren Major League Baseball zu Hits geführt, das ist Nummer sechs der ewigen Bestenliste. Dazu kommen 200 in den Playoffs - Rekord. 260 führten zu Homeruns. Eine ganze Menge natürlich auch zu Strikeouts. Und etliche zu Standing Ovations, ob nun im altehrwürdigen oder im neuen Yankee Stadium.

Die Standing Ovations haben im Jahr 2014 noch einmal dramatisch zugelegt. Gerade auswärts. Denn Derek Jeter macht Schluss. Ein paar hundert Schwünge werden noch dazukommen. Dann ist die Karriere des langjährigen Shortstops der New York Yankees beendet. Der Captain geht von Bord.

Und mit ihm verlässt der vielleicht letzte Baseball-Superstar überhaupt die Bühne.

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Abschied überdeckt Seuchenjahr

Machen wir uns nichts vor: Die Saison der Bronx Bombers war eine einzige Enttäuschung. Trotz einer groß angelegten Einkaufstour wird man, wenn kein Wunder geschieht, zum zweiten Mal in Serie die Postseason verpassen. Die Gründe sind vielschichtig: Alternde Stars sind das Problem, eine verfehlte Kaderplanung, enttäuschende Neuzugänge. Dazu kommt desaströses Verletzungspech. Kurz und gut: Das einstige Evil Empire wird derzeit nur noch belächelt.

Da trifft es sich für die New Yorker Presse hervorragend, dass "DJ2" im Februar seinen Rücktritt ankündigte. Ein überraschendes Vorgehen für den sonst so öffentlichkeitsscheuen Infielder, der sich darüber im Klaren sein musste, dass ihm in den kommenden Monaten das "Mariano-Rivera-Paket" blühen würde.

Jeder letzte Auftritt in einem Ballpark wurde zum Happening hochstilisiert, mit Montagen, Abschiedsreden und natürlich ungemein kreativen Geschenken. Cowboystiefel gab es schon, Urlaubsreisen, ein Kajak, ein ... Lego-Mosaik.

Heißt: Selbst wenn die Yankees gegen einen mittelmäßigen Pitcher mal wieder alt aussahen und Jeter einen 0-for-4-Tag hinlegte, gab es etwas Positives zu berichten, schöne Bilder zu zeigen. Und der obligatorische Blick in die Vergangenheit. Glanz vergangener Tage.

Ein Glücksfall für Baseball

Vielleicht ist das auch der Grund dafür, warum sich der 40-Jährige, sonst ein Paradebeispiel für nichtssagende Pressekonferenzen und sorgfältig gepflegte Privatsphäre, diesem Medienrummel aussetzt. Noch einmal zurückschauen auf der Ehrenrunde: Auf fünf Championships, 14 All-Star-Nominierungen, eine Vielzahl an Preisen und Ehrungen.

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Auf die Tatsache, dass ein kleiner Junge aus Michigan seinen Traum verwirklicht und Shortstop bei den New York Yankees wird, dem größten und erfolgreichsten Baseball-Team der Welt. Dass er als Teil der "Core Four" - Jeter, Closer Rivera, Pitcher Andy Pettitte und Catcher Jorge Posada - den Sport für lange Zeit prägen wird. Dass er 1996 als Rookie of the Year seinen ersten Titel holt und in den ersten fünf Jahren gleich viermal Champion wird.

Und auf die Momente, die aus Jeter mehr machen als nur einen richtig guten Shortstop. "Man hätte kein besseres Drehbuch schreiben können. Er ist einfach bemerkenswert. Wie glücklich kann sich unser Sport schätzen, dass ein Derek Jeter die Ikone dieser Generation ist?" Worte von niemand Geringerem als Commissioner Bud Selig.

Unvergessene Momente

Da ist sein kontroverser Homerun in den Playoffs 1996 gegen die Baltimore Orioles, der das Auftaktspiel der ALCS herumreißt. Auch dank Jeter (.361 AVG) feiern die Yankees den ersten Titel seit 1978. Vier weitere sollen folgen.

Da ist die World Series 2001: In Spiel 4 gegen die Arizona Diamondbacks am 31. Oktober springen die Uhren im zehnten Inning um, zum ersten Mal überhaupt wird im November gespielt. Nur Sekunden später schwingt Derek Jeter gegen Byung-Hyun Kim, natürlich inside-out. Walk-off-Homerun! Jeter ist "Mr. November".

Da ist "The Dive": Gegen die Red Sox erreicht die Nummer zwei 2004 im Vollsprint einen Popup im Left Field - und stürzt kopfüber in die Zuschauer am Spielfeldrand. Als er kurz darauf wieder zum Vorschein kommt, ist sein Gesicht blutig zerschrammt, doch der Ball immer noch im Handschuh. Eine Aktion, die in den Augen der Yankee-Fans Jeters Mentalität perfekt umreißt: Für den Sport - und für sein Team - gibt er alles.

Da ist sein 3000. Hit. Es ist, wie sollte es auch anders sein, ein Homerun, und zwar nicht gegen irgendjemanden, sondern gegen Tampa Bays Ass David Price. Er beendet den Abend mit einer perfekten 5-for-5-Bilanz.

Da ist 2003 seine Ernennung zum Captain. Ein symbolisches Amt, mit dem ihn der mittlerweile verstorbene Besitzer George Steinbrenner adelt und in eine Reihe stellt mit den ganz Großen wie Gehrig oder "The Babe". Zuvor war das Amt acht Jahre vakant, jetzt kann Jeter die Fußstapfen ausfüllen.

Und da ist natürlich der magische Moment im Oakland Coliseum.

The Flip

Der Titelverteidiger aus New York hat die ersten beiden Spiele der Division Series gegen die Oakland A's verloren und muss die Serie auswärts irgendwie verlängern. Beim Stand von 1:0 für New York schlägt Oaklands Terrence Long ein Double in die rechte Ecke, Jeremy Giambi läuft von der ersten Base los, den Ausgleich und ein schnelles Ende der Serie vor Augen.

Als Right-Fielder Shane Spencer den Ball endlich ausgräbt, verfehlt sein Wurf nicht nur einen, sondern gleich beide Cut-Off-Optionen an der Seitenlinie, also die Relay-Stationen, die das Spielgerät an die Platte bringen sollen. Giambi ist so eigentlich nicht mehr zu stoppen.

Doch dann taucht plötzlich Jeter auf.

Der Shortstop, eigentlich am Mound postiert, schaltet blitzschnell, sprintet zwischen First Base und Home Plate, greift zu und flippt den Ball aus dem Handgelenk zu Posada. Ein perfekter Wurf, aus vollem Lauf - Giambi ist out! "Was macht er dort überhaupt", ruft Center Fielder Johnny Damon, und Oaklands Manager Art Howe fehlen die Worte: "Ich habe keine Ahnung, wie und warum er in diesen Spielzug überhaupt involviert ist. Das zeigt nur, was für ein Spieler er ist."

Jeters Aktion geht als "The Flip" in die Baseball-Geschichte ein. Dass die Yankees die Serie mit 3-2 für sich entscheiden, wird wohl niemanden verwundern.

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