Die San Francisco Giants haben die World Series 2014 gewonnen und damit ihren dritten Meistertitel in den letzten fünf Jahren eingefahren. Sie sind, wie es die Amerikaner immer so gerne sagen, eine Dynastie. Eine Dynastie der Neuzeit. Keine typische, sondern eine mit vielen "moving Parts" und nur wenigen Konstanten. Die vielleicht größte Konstante ist dabei Pitcher Madison Bumgarner, der den Oktober seines Lebens hinlegte und dieses Team zum Titel trug.
Wir schreiben das neunte Inning in Spiel 7 der World Series 2014 im Kauffman Stadium von Kansas City, Misssouri. Die heimischen Royals stehen bei zwei Outs und nach Center Fielder Gregor Blancos Billy-Buckner-Moment mit einem Läufer auf der dritten Base (Alex Gordon). Madison Bumgarner pitcht und steht Salvador Perez gegenüber.
Dem Mann also, dem der einzige Royals-Run - ein Solo-Shot in Spiel 1 - gegen den Linkshänder in dieser World Series überhaupt gelang. Doch dieses Mal behält MadBum die Oberhand und erzwingt ein Pop-Out ins Foul Territory genau in den Handschuh von Pablo Sandoval.
Die Giants sind zum dritten Mal in den letzten fünf Jahren Champion und damit eine Dynastie. Aber eben keine, die man von früher kennt. Früher hatten die großen Teams einen Stamm von zahlreichen Spielern, die lange Jahre zusammenblieben und dominierten.
Zuletzt gelang dies eigentlich den New York Yankees von 1996 bis mindestens 2003. Die Giants setzen auf eine andere Philosophie, eine, die besser in die heutige Baseballlandschaft mit weniger guten, jungen Free Agents und mehr Eigengewächsen und gezieltem Scouting passt. Und sie finden immer wieder einen neuen Weg, den Fall Classic zu gewinnen.
Beste Performance seit Big Unit 2001
Was bleibt von dieser Serie? In erster Linie eine geschichtsträchtige Pitching-Performance von MVP Madison Bumgarner. Seine Siege und überaus dominanten Vorstellungen in den Spielen 1 und 5 waren beeindruckend, nach dem bisher gezeigten aber durchaus zu erwarten.
Bumgarner war bis zum Start der Serie der mit Abstand beste Pitcher dieser Postseason und das ohne jeden Zweifel. Aber dass er dann auch in Spiel sieben fünf weitere Shutout-Innings pitcht, ist einfach unmenschlich.
Er ist wahrlich nicht der erste Starter, der dreimal in einer World Series auf dem Mound stand, dabei einmal als Reliever. Man denke etwa an den vielleicht besten Linkshänder überhaupt, The Big Unit Randy Johnson, der 2001 für die Arizona Diamondbacks die Spiele 2 und 6 dominierte und gewann und dann in Spiel 7 gegen die Yankees auch noch die letzten 1 1/3 Innings pitchte. Aber fünf Innings drei Tage nach einem 117-Pitch-Shutout? Unglaublich!
Seine Zahlen dabei sind ebenfalls unfassbar. Er ließ in 21 Innings einen Run zu, und das bei haushoher Führung im ersten Spiel. Zudem erlaubte er ganze elf Base Runner. Die Royals waren schlicht überfordert gegen den 25-Jährigen. Er war die Sieggarantie für dieses Team, das anders als bei den vergangenen zwei Titeln vor einer neuen Herausforderung stand. Anders als 2010 und 2012 verfügte San Francisco dieses Mal nicht über eine ganze Reihe von großartigen Starting Pitchern.
Starkes Pitching, situative Offense
Was die Jahre 2010 und 2012 verbindet, sind die jeweils großartigen Rotations. Beim ersten Titel starteten Tim Lincecum, Matt Cain, Jonathan Sanchez und ein Rookie namens Madison Bumgarner die fünf Spiele und dominierten die Texas Rangers, was die Vorlage lieferte für ein Lineup, das hauptsächlich aus Leuten bestand, die sonst keiner wollte.
MVP der Serie wurde Edgar Renteria, dessen große Zeit eigentlich schon mindestens ein halbes Jahrzehnt zurücklag. Aubrey Huff erlebte einen zweiten Frühling, Buster Posey spielte seine Rookie-Saison.
Und Pablo Sandoval war Bankdrücker, da er aus Sicht von Bruce Bochy außer Form war - sportlich und körperlich. Aber das Pitching überragte. Auch im Pen, wo damals noch The Beard Brian Wilson die Tür zuschlug.
Sweep gegen Tigers
2012 dann beim Sweep über die Detroit Tigers rockten vor allem Marco Scutaro (!) und eben der Panda den Oktober offensiv. Posey hatte gerade eine MVP-Saison hinter sich und Hunter Pence war frisch zum Team gestoßen und gab der Truppe noch mehr Primetime-Charakter.
Die Pitcher, die das Team prägten, waren Barry Zito, der 2010 noch aus dem Kader gestrichen wurde, Cain, Ryan Vogelsong und - natürlich: Bumgarner! Dieses Team war vielleicht noch besser als 2010, weil es offensiv ausgeglichener besetzt war. Als Closer fungierte Sergio Romo, der Gesichtsfrisuren-technisch dem dann verletzten Wilson nacheiferte und ähnlich souverän auf dem Mound agierte.
Unter dem Strich hatte sich das Team personell verbessert im Vergleich zum ersten Titel, es zeigte zudem dieselbe Nervenstärke. Unterstrichen wurde dies durch das Comeback in der NLCS nach 1-3-Rückstand gegen die St. Louis Cardinals. Die World Series gegen komplett ausgelaugte Tigers wurde dann eher zum Kindergeburtstag.
MadBum feat. The Bullpen Boys
Die 2014er Ausgabe der San Francisco Giants stand dann neuen Herausforderungen gegenüber. Auf dem Weg zurück auf den Thron startete die Truppe von Manager Bruce Bochy stark, doch entlang des Weges ging ihnen merklich die Puste aus und die verhassten Rivalen der Los Angeles Dodgers überholten das Team aus der Bay Area und gewannen schließlich die NL West. Mühelos, dank besserer Offense und besserem Pitching.
Pitching war besonders problematisch für die Giants, da sich mit Matt Cain eine der großen Stützen des Teams, früh im Jahr verletzt hatte. Zudem brach Lincecum nun vollends auseinander und wurde in den Bullpen verbannt, wo er anders als 2012 dieses Mal auch nicht überzeugte.
Man kam dennoch über die Runden und über die Wild Card in die Playoffs. Der Playoff-Run startete mit Bumgarner auf dem Mound gegen die Pittsburgh Pirates und endete passenderweise auch mit dem Lefty Ende Oktober.
Dazwischen lag eine souveräne NLDS gegen Washington, die mit 3-1 entschieden wurde. Ironischerweise war es Bumgarner, der das einzige Spiel der Serie verlor - aufgrund seines eigenen Errors!
Affeldt als Konstante
Die NLCS endete in fünf Spielen gegen St. Louis. Bumgarner hatte den Clincher gestartet und Reliever Jeremy Affeldt gewann das Spiel als Reliever. Und Affeldt ist es auch, der neben Posey und Bumgarner zu den großen Konstanten dieser Dynasty zählt.
Der ehemalige Lefty der Royals war ebenfalls bei den anderen zwei Titeln dabei und in Aktion. Er steht für einen starken Bullpen, ohne den es wohl nicht gereicht hätte für die Giants in diesem Jahr.
Von den 17 Spielen, die San Francisco im Oktober dieses Jahres bestritten hat, wurden ganze fünf von Startern gewonnen. Der einzige, der nicht Bumgarner hieß, war Jake Peavy (Spiel 1 der NLDS). Die restlichen sieben Siege besorgte der Pen, wobei Affeldt zwei davon einfuhr.
Bumgarner überragt im Oktober
Nicht vergessen darf man Yusmeiro Petits großartiges Outing in Spiel 4, was den Giants die Serie rettete, nachdem es Vogelsong nicht aus dem dritten Inning geschafft hatte. Peavy und Hudson machten es nicht besser, pitchten zusammen nur drei Innings in den letzten beiden Spielen der Serie.
Es blieb nur Bumgarner, der alleine mehr Innings abgespult hat als die anderen drei Starter (Vogelsong, Hudson, Peavy) zusammen. Dabei stellte er mit 52 2/3 Innings gleich mal einen neuen Postseason-Rekord für einen Oktober auf.
Gäbe es einen Postseason-MVP-Award, ginge dieser an den Linkshänder - einstimmig. Er muss sich allerdings mit den MVP-Titeln der NLCS und World Series begnügen - und dem Chevy, der neueste "Technology and Stuff" mit sich bringt.
Schwere Entscheidungen stehen an
Die Kabine im Kauffman Stadium dürfte noch stark nach Champagner und sonstigen Substanzen riechen und in Kürze steht die nächste große Parade durch San Francisco an, doch direkt im Anschluss kehrt wieder der Alltag ein für General Manager Brian Sabean, dem Architekten dieser erfolgreichsten Franchise des noch jungen Jahrzehnts. Die Offseason wartet und es gilt wieder, schwere Entscheidungen zu treffen.
Am härtesten wird wohl die Personalie Pablo Sandoval. Der Panda ist Free Agent und dürfte aufgrund seiner erneut exzellenten Postseason Begehrlichkeiten wecken bei Teams, die in diesem Jahr auf der Strecke blieben.
Erste Gerüchte sprechen von den Red Sox, die prallgefüllte Kassen haben und einen Third Baseman brauchen. Aber es werden auch andere anklopfen.
Bis zum Oktober 2016?
Zudem laufen die Verträge von Vogelsond und Peavy aus, Hudson könnte mit seinen nun 39 Lenzen auch in den Sonnenuntergang reiten mit dem nun endlich errungenen Ring an seinem Finger. Und wenn es irgendwie möglich wäre, Lincecums Vertrag loszuwerden, hätten die Giants wohl auch nichts dagegen.
Insgesamt steht also mal wieder eine Verjüngung an. Dieses Mal vor allem im Pitching, während Jugend auf den Feldpositionen kein Problem darstellt und nahezu alle in gutem Alter sind oder wenigstens noch in guter Verfassung, wie ein Hunter Pence.
Geht die Serie weiter, wird die kommende Saison ohnehin wieder etwas schwieriger, bevor der nächste lange Oktober 2016 ansteht. Aber, da darf man sicher sein: Die Giants werden einen Weg finden!
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