Die Halbzeit in der MLB naht. Das heißt auch: All-Star Break! Vor der 88. Auflage des Midsummer Classics in der Nacht zum Mittwoch steigt in Miami/Florida tags zuvor das Homerun Derby. Zu diesem Anlass blickt SPOX zurück auf eine der wohl denkwürdigsten Derby-Leistungen seit Einführung des Wettbewerbs 1985 - jener Abend, an dem Josh Hamilton New York City eroberte. Und: Warum 2017 ebenfalls legendär werden könnte.
(Dieser Text erschien ursprünglich im Juli 2015 auf SPOX und wurde zum diesjährigen Homerun Derby in Miami noch einmal upgedatet.)
2008 fand das All-Star Game der MLB im altehrwürdigen Yankee Stadium in der Bronx statt - dem alten, renovierten Yankee Stadium, wohlgemerkt! Es war das letzte Jahr der legendären Sportstätte, die so viele Sternstunden miterlebt hatte. Zum Abschied entschied die Liga, es nochmal richtig krachen zu lassen. Besonders Slugger Josh Hamilton von den Texas Rangers nahm dies wörtlich und lieferte die wohl größte Show in einem Homerun-Derby überhaupt ab.
Die Derbys plagten sich zu jener Zeit mit Problemen herum, die man zum Beispiel auch mit dem NBA-Dunk-Contest gemeinsam hatte. Sie waren langatmig und irgendwann repetitiv. Mit dem kreativen Element kann man an der Platte ohnehin nicht punkten, und im Vergleich zu den Wachstumshormon- oder Steroid-geschwängerten Muskelmännern der späten 90er Jahre fielen die Leistungen etwas ab.
Aber an diesem Abend waren die über 50.000 im Stadion und die Millionen vor den Fernsehschirmen hellauf begeistert. Was Hamilton zeigte, war eine Performance für die Ewigkeit.
Hamiltons Homeruns: unendliche Weiten
Mit einer guten Saison im Gepäck und einem Platz im All-Star-Team kam Hamilton im Big Apple an, der breiten Öffentlichkeit war er dennoch eher unbekannt. Das sollte sich schnell ändern: Der Linkshänder begann mit einem tiefen Homer über 471 Fuß nahe der hinteren Wand der Tribüne im Right-Center Field. Das allein schon durfte als Statement gewertet werden.
Zum besseren Verständnis: Je nach Stadion kann man schon ab 330 Fuß, also rund 100 Metern, den einen oder anderen Homerun in die Ecken des Feldes schlagen. Jacks über 400 Fuß Länge verlassen fast jeden Ballpark, 450+ Fuß sind gigantisch, alles in Richtung 500 Fuß einfach nur monumental.
Nach einem schwächeren Schwung auf Kosten einer Kamera, die rechts von ihm positioniert war, legte der Texas Ranger dann richtig los: Er hämmerte seinen zweiten Shot fast gegen besagte Wand, also knapp 500 Fuß von der Home Plate entfernt. Um beim Dunk-Contest-Vergleich zu bleiben: Vince Carter anno 2001. Das Stadion stand, selbst die Kollegen an der Seitenlinie konnten es kaum glauben. Etwas Magisches stand bevor.
Auf Bonds' Spuren
Kurz darauf landete ein weiterer Monster-Shot in derselben Nachbarschaft, gefolgt von weiteren ungläubigen Gesichtern der Kollegen. Ein paar Homeruns flogen in etwa die gleiche Distanz, landeten aber noch weiter im Center Field. Andere gingen sogar aufs Upper Deck, dem dritten und höchsten Rang im Right Field des alten Stadions. Nur ganz wenige Home Runs endeten in regulären Spielen dort - Home-Run-König Barry Bonds etwa versenkte dort oben mal einen monumentalen Blast im Jahr 2002.
Vor dem achten Out (= jeder Schwung, der nicht in einem Home Run resultiert) - zehn war das Limit - kam er auf beeindruckende 15 Homeruns, was locker genug gewesen wäre, um die zweite Runde zu erreichen. Gewöhnlich verließen in drei Runden etwa 20 bis 30 Bälle des Siegers das Spielfeld. Angesichts der epischen Geschosse war er ohnehin schon der Held des Abends. "Oooooooooh!" tönte es von den Rängen, wenn er den Ball in selbige prügelte, den amerikanischen Kommentatoren um Chris "Boomer" Berman fiel außer "Wow... wow... wow!" schon lange nichts mehr ein. Und Hamilton? Der lächelte, konnte es selbst kaum glauben.
Ausrufezeichen nach langer Leidenszeit
Doch er war noch lange nicht am Ende. Im Gegenteil: Der Outfielder legte noch 13 (in Folge!) nach, holte sich damit den Rekord für die meisten Jacks in einer Derby-Runde überhaupt mit 28. Dass er in Durchgang zwei nur noch vier - er verzichtete nach vier Outs auf weitere Schwünge, um Kräfte zu sparen - und dann im Finale nur noch drei zustande brachte, darf aufgrund der Gesamtleistung (35 Homeruns) durchaus vernachlässigt werden.
Hamilton, der erst sein zweites Jahr in der MLB absolvierte, stand auch so bis zum Ende im Mittelpunkt. Das Megatalent, 1999 von Tampa gedraftet, hatte jahrelang mit persönlichen Dämonen zu kämpfen. Vor seinem Debüt 2007 war er aufgrund von Drogenexzessen gesperrt. Das Derby war eine Art Initialzündung für den damals 27-Jährigen, ein Zeichen, dass er die persönlichen Probleme hinter sich gelassen hatte.
An diese Nacht in der Bronx dürften sich noch viele erinnern, an den Sieger des Abends - Justin Morneau - aufgrund eines eher fragwürdigen Modus eher nicht. Im Finale schlug der damalige First Baseman der Minnesota Twins fünf Home Runs (insgesamt 22), damit zwei mehr als Hamilton. Nicht mehr als eine Fußnote der Geschichte.
Neuer Modus für mehr Unterhaltung
Der Modus war dabei das größte Problem. Damals schlugen alle Hitter, darunter Lance Berkman, Ryan Braun und Evan Longoria, nacheinander in der ersten Runde (jeweils zehn Outs), die vier Besten durften in Runde zwei nochmal ran. Die Gesamtzahl aus den ersten beiden Runden entschied über die Finalisten, die dann im Eins-gegen-Eins aufeinander trafen.
Seither wurde kräftig am Prozedere gefeilt. Wie schon 2016 wird es auch 2017 wieder einen gestrafften Modus geben und es wird auf die Zeit ankommen. Nicht dabei ist Hamilton, der mittlerweile nicht mehr in der MLB aktiv ist. Dafür aber setzt die Liga auf junge Wilde mit ganz viel Power.
Das Teilnehmerfeld im Marlins Park kann sich sehen lassen, wobei natürlich alles auf ein großes Finale der Top-Seeds hoffen dürfte. An Nummer eins gesetzt ist nämlich Vorjahressieger Giancarlo Stanton, der in Runde eins auf Yankees-Catcher Gary Sanchez trifft, der in seiner Rookie-Saison für 20 Homeruns nur 51 Spiele gebraucht hat. Auf der anderen Seite des Klassements wartet die Nummer zwei der Setzliste und die Eins in der Homerun-Liste, Super-Rookie Aaron Judge von den Yankees. Beide dürften sich gegenseitig Laser-Strahlen um die Ohren feuern, die locker an den neuralgischen 500-Fuß-Distanz kratzen könnten.
Langatmig wird es auch nicht, denn es gibt keine Outs mehr, sondern eine Art "Shot Clock": Jeder hat vier Minuten, um so viele Homeruns wie möglich zu schlagen. Die Uhr startet mit dem ersten Pitch und läuft unerbittlich weiter.
Bonus für Moonshots
Allerdings wurde auf ein wenig Komplexität auch nicht verzichtet: Sollte ein Spieler in einer Runde mindestens zwei Homer schlagen, die jeweils wenigstens 440 Fuß geflogen sind, gibt es eine halbe Minute extra.
Sollte es danach immer noch keinen Sieger geben, bekommen beide Kontrahenten nochmal 60 Sekunden in einem Swing-Off, der keine Unterbrechungen mehr vorsieht. Reicht das nicht, bekommt jeder Sets mit drei aufeinanderfolgenden Schwüngen, die letztlich die Entscheidung bringen.
Ob das Homerun-Derby in diesem Jahr allerdings so denkwürdig wird wie 2008, steht in den Sternen. Das Star-Potenzial dazu ist allerdings vorhanden.