Natürlich macht der Sport auch in den kommenden Jahrzehnten Krisen durch: Die Great Depression lässt die MLB ebenfalls nicht unversehrt, während des Zweiten Weltkriegs wird übergangsweise sogar eine Frauenliga gegründet. Eine zweite "Deadball Era" in den 60ern drückte die Statistiken erneut für ein knappes Jahrzehnt nach unten. Und die Einführung des Designated Hitter in der American League 1973 - also eines Schlagmanns, der in der Offensive für den Pitcher einspringt, defensiv aber nicht spielt - spaltet die Fans bis heute.
Dennoch ist am Status als "America's pastime" nicht zu rütteln. Wer hätte Baseball den Titel auch streitig machen können? Über viele Jahrzehnte halten vor allem Boxen und Pferderennen den amerikanischen Fan in ihrem Bann, aber dabei handelt es sich um seltene Events, die der MLB die tägliche Coverage nicht streitig machen. Die NFL wird erst in der Super-Bowl-Ära und mit der Einführung von Monday Night Football Anfang der 70er zur TV-Großmacht, die NBA mit Bird, Magic und Jordan in den 80ern so richtig populär. Eishockey? Die NHL kann traditionell nur in bestimmten Landstrichen punkten. Von Fußball ist ohnehin keine Rede.
Die Rekordchampions der MLB
Team | Titel |
New York Yankees | 27 |
St. Louis Cardinals | 13 |
Philadelphia/Kansas City/Oakland Athletics | 9 |
Boston Red Sox | 9 |
New York/San Francisco Giants | 8 |
Brooklyn/Los Angeles Dodgers | 6 |
Baseball in den USA: Kein Ende in Sicht - oder?
Da gehört Baseball schon längst "einfach dazu". Nach Babe Ruth springen andere Stars wie Joe DiMaggio, Ted Williams, Mickey Mantle oder Sandy Koufax in die Bresche, und als man mit Jackie Robinson 1947 die Farbbarriere überwindet - viele Jahre vor Martin Luther King und vor allen anderen Ligen -, schöpft man auch das athletische Potenzial der Schwarzen aus. Bob Gibson, Willie Mays, der neue Homerun-König Hank Aaron: Sie werden zu Legenden. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die schwarzen Spieler in parallelen sogenannten "Negro Leagues" ein Schattendasein gefristet, einst kollektiv ausgeschlossen durch ein "Gentlemen's Agreement" (nie war der Begriff so falsch gewählt wie hier).
Der schleichende Niedergang des Sports in der öffentlichen Wahrnehmung, er ist noch nicht abzusehen. Die Baby-Boomer-Generation hat die Liebe zum Spiel von ihren Vätern geerbt und gibt sie ihrerseits an den Nachwuchs weiter: Vom Baseball-Karten sammeln zur lockeren Wurfrunde im Garten, vom täglichen Studieren der Ergebnisse in der Morgenzeitung zum eigenen Statistikzettel im Stadion-Oberrang - Stift in der einen, Hot Dog in der anderen Hand. Zum Seventh-inning strech, der traditionellen Pause in der Mitte des siebten Innings, wird alles kurz zur Seite gelegt: Zeit für das ganze Stadion, "Take Me Out to the Ball Game" zu singen. Ob Football oder Basketball - das "Ball Game" ist und bleibt Baseball.
Baseball heute in den USA: Nationales Desinteresse
Das ist es heute nur noch nominell. Zwar ziehen die 30 Teams jedes Jahr über 70 Millionen Zuschauer in ihre Ballparks, aber diese enorme Ziffer ist vor allem den je 81 Heimspielen geschuldet. Auch finanziell steht der Sport dank nationaler und lokaler TV-Deals und den vielen Übertragungsstunden extrem gut da: In Sachen Umsatz (9,44 Milliarden Dollar) läuft man nur der übermächtigen NFL hinterher (12,27), NBA (5,57) und NHL (3,3) hat man klar distanziert. Und die Spielergehälter sind enorm und dank einer starken Gewerkschaft voll garantiert.
Aber die nationale Aufmerksamkeit schwindet: 1978 liegt die Einschaltquote der World Series zwischen den Yankees und Dodgers bei 56 Prozent. Heute ist davon vielleicht noch ein Drittel übrig, und diese Fans sind im Schnitt so alt wie bei keinem anderen Sport. Seit Jahren diskutiert die Liga, woran das liegt - und wie man den Rückstand in puncto Beliebtheit, Aufmerksamkeit und Nachwuchs wettmachen kann.
Probleme der MLB: Wer ist schuld am Niedergang?
Viele Faktoren sind dabei kaum zu revidieren: Der Sportfan hat mittlerweile einfach viel mehr Optionen, darunter leiden fast alle Einschaltquoten. Baseball ist regionaler geworden - warum ESPN einschalten, wenn ich im Lokalsender mein eigenes Team sehen kann? Der Sport an sich ist schlicht nicht actionreich und "flashy" genug für die heutige Zeit, bringt stattdessen zu viel Leerlauf mit sich. Für den Nachwuchs macht ein LeBron James eben einfach mehr her als ein Mike Trout.
Und dieser Nachwuchs greift immer seltener zu Handschuh und Schläger: Keine Zeit, keine Möglichkeiten in den Großstädten, keine Geduld - Baseball ist einfach verdammt schwer! - oder auch das Schwinden der klassischen Zwei-Eltern-Familie, in der Sohnemann (und Tochter) die Liebe zum Sport in jungen Jahren eingeimpft bekommen. Konsequenz: Wer selbst nie gespielt hat, wird später seltener Fan.
Natürlich gibt es auch hausgemachte Probleme: Der Streik 1994, dem die kompletten Playoffs inklusive World Series zum Opfer fallen, führt dazu, dass sich viele Fans abwenden - genauso wie der Steroid-Kater, der auf die Homerun-Sause zur Jahrtausendwende folgt. Die Vermarktung der Stars ist dürftig, in den sozialen Netzwerken findet Baseball nur selten statt. Während NFL und NBA fast täglich mit neuen Rekorden Schlagzeilen produzieren, blickt man bei der MLB sehnsüchtig zu den Bestmarken vergangener Dekaden, allesamt nahezu unerreichbar.
Geschiche des Baseball: Der Sport ist alt geworden
Es ist ein faszinierendes und gleichzeitig frustrierendes Schauspiel, wie Tradition und Moderne gleichermaßen an der Essenz des Sports zerren. "So haben wir es schon immer gemacht" ist in der MLB Teil eines jeden Schlussplädoyers, bewahren wichtiger als erobern. Dabei war die Liga oft ganz vorn dabei, wenn es um Innovationen ging: Der Fantasy-Boom entsprang fleißigen Baseball-Hirnen, das "Moneyball-Prinzip" stieß die Statistik-Revolutionen des letzten Jahrzehnts an. Kein Sport eignet sich so sehr für technologische Aufbereitung. Und kein Sport ist so old school.
Äußerst zaghaft wagt sich Commissioner Rob Manfred derzeit an Innovationen: Die Partien sollen schneller, die Leerlaufphasen überschaubarer werden - vielleicht kommt in Kürze sogar eine Art "Shot Clock". Die Tatsache, dass er sich dabei nicht nur mit den Traditionalisten in den Führungsetagen und bei den Fans, sondern auch mit den Spielern herumschlagen muss, steht sinnbildlich für die Zerreißprobe, der der Sport ausgesetzt ist.
Ist die MLB gesund? Ist sie krank? Ja und nein. Am ehesten bringt es man es vielleicht wie folgt auf den Punkt: Baseball ist schlicht und ergreifend älter geworden. Mit allem, was dazu gehört.
Und nun? Welche Rolle America's pastime in weiteren 100 Jahren spielen wird, ist völlig offen. Vielleicht erfindet sie sich neu und erstrahlt irgendwann wieder wie zu Zeiten Babe Ruths und Joe DiMaggios. Vielleicht rückt sie einfach nur etwas wehmütig ins zweite Glied zurück, wird eine unter vielen. Ein Sport gleich einem Symbol der Rolle Amerikas in der Welt.
Aber wie die Zukunft auch aussieht: Baseball wird bleiben. Wie sagte doch Hall of Famer Willie Stargell einmal: "Für mich war der Baseball-Sport immer ein Spiegelbild des Lebens. Er passt sich an - und übersteht alles."