Seit 2013 warten die Atlanta Braves auf eine Playoff-Teilnahme. Und auch in dieser Saison sieht es nicht nach einer Rückkehr in den Oktober aus für das Team aus Georgia. Dennoch herrscht Grund zum Optimismus, denn erstmals nach vielen schwierigen Jahren könnten sie wieder an der .500er-Marke, also an einer ausgeglichenen Bilanz für die Saison schnuppern. Die beste Saison seit 2014 (79-83) ist in Reichweite, derzeit steht man bei 47 Siegen und 51 Niederlagen.
Ein Mann, der sehr großen Anteil an diesem sportlichen Aufschwung hat, ist zweifelsohne Freddie Freeman. Der First Baseman, der knapp sechs Wochen mit einer Handgelenksfraktur verpasst hatte, tut alles, um diese Saison zu einer positiven zu machen. Er geht sogar so weit, dass er die Position wechselt - zum Wohle des Teams.
Freeman begann die Saison in herausragender Verfassung und beendete den April mit einem Schlagdurchschnitt von .381, einer On-Base Percentage von .485 und einer Slugging Percentage von .798 - allesamt unfassbar gute Zahlen. Der 27-Jährige war absoluter Leistungsträger und im Grunde genommen sogar auf MVP-Kurs, auch wenn es sich nur um einen kleinen Teil der 162 Spiele umfassenden Saison handelte.
Im Mai dann ging seine Leistung etwas zurück, war jedoch immer noch auf sehr hohem Niveau - bis zum Hit-by-Pitch von Pitcher Aaron Loup am 17. Mai gegen die Toronto Blue Jays. Freeman wurde am Handgelenk getroffen. Die Diagnose: Eine Handgelenksfraktur - sechs bis acht Wochen Pause. Ein Schock für alle Beteiligten.
Freddie Freeman denkt trotz Verletzung zuerst ans Team
"Noch viel enttäuschender ist, dass wir angefangen haben, richtig guten Baseball als Team zu spielen", war Freeman zu diesem Zeitpunkt auf seine Mannschaft und nicht nur sich selbst fokussiert: "Ich spiele dieses Spiel nie für mich allein. Ich komme einfach jeden Tag zur Arbeit und versuche, diesem Team zu Siegen zu verhelfen und wieder in die Playoffs zu kommen - darauf warten wir schon vier Jahre. Persönliche Statistiken könnten mich gerade nicht weniger interessieren."
In der Tat befanden sich die Braves zu der Zeit schon in aufstrebender Form und hatten ihr drittes Spiel in Serie gewonnen. Die Hoffnung war da, dass diese erste Saison im neu eröffneten SunTrust Park der Auftakt zu einer neuen Ära werden könnte. Die Freeman-Verletzung war insofern ein echter Tiefschlag.
Das Braves-Front-Office reagierte und holte per Trade Matt Adams von den St. Louis Cardinals. Der 28-Jährige, in St. Louis durch aufstrebende Nachwuchstalente und den Wechsel von Matt Carpenter zur ersten Base überflüssig geworden, war essenziell ein glorifizierter Einwechsel-Schlagmann. In Atlanta jedoch drehte er so richtig auf, seine siebte Saison in der Liga könnte sogar seine beste werden.
Die Suche nach einem Platz für Matt Adams
Doch Freemans Ausfall war eben nur temporärer Natur und so war eigentlich klar, dass Adams früher oder später auf die Bank zurückkehren würde. Schließlich spielen beide dieselbe Position und haben in ihrer Major-League-Karriere im Grunde nirgendwo sonst gespielt - Adams zumindest vereinzelt im Left Field, aber mit sehr überschaubarer Reichweite dort.
Die National League hat zudem keinen Designated Hitter, was neben First Base wohl die Idealrolle für Adams wäre. Doch Freeman, ganz auf den Erfolg des Teams bedacht, hatte noch in der Reha eine Lösung parat: Er selbst könne zur dritten Base wechseln, um so den neuen Kollegen im Lineup zu halten.
Viele hielten dies zu Beginn sicherlich für eine Schnapsidee, schließlich hatte Freeman zuletzt vor zehn Jahren im Rookie-Ball mal an der dritten Base gespielt. Und ein solcher Wechsel von der vom Schwierigkeitsgrad her überschaubaren ersten Base - dort fängt man ja fast nur den Ball und muss sehr selten zu anderen Bases werfen - hin zur nicht umsonst so genannten "Hot Corner" ist nicht ohne. Noch dazu, wenn man gerade nicht fit, sondern rekonvaleszent ist.
Freeman setzte sich dennoch durch und arbeitete in der Folge akribisch an seinem Auftritt auf der ungewohnten Position. Und so kam es dann auch: Am Independence Day gab Freeman sein Comeback an der dritten Base gegen Houston.
Atlanta Braves: Freddie Freeman spielt immer
Mittlerweile sieht die Lösung so aus, dass Freeman immer spielt, während Adams und Johan Camargo sich einen "Cross-Diamond-Platoon" teilen, also an den beiden Ecken des Infields je nach Gegner wechseln: Adams startet gegen Rechtshänder an der ersten Base, Camargo gegen Linkshänder an der dritten. Freeman besetzt den jeweils anderen Platz.
Das allein schon ist bemerkenswert, denn wie viele Star-Spieler spielen heutzutage auf mehreren Positionen? Wie viele Gesichter einer Franchise kommen essenziell ohne feste Position aus bzw. stellen sich einer solchen Situation? Auch wenn Offensive und Defensive im Baseball prinzipiell getrennt sind, kann ein steter Positionswechsel durchaus negative Folgen auf die Leistung eines Spielers haben. Nicht so allerdings bei Freeman, dessen offensive Statistiken in Bezug auf seine Defensivposition keinerlei gravierenden Leistungsabfälle suggerieren.
Was durchaus vorkommt, sind Positionswechsel bei Teamwechseln oder in der Offseason in Vorbereitung auf die neue Saison. In aller Regel wird dadurch aber der Schwierigkeitsgrad verringert, um etwa einen älteren Spieler zu entlasten. Nicht so bei Freeman, der mitten in der Saison plötzlich zwei Positionen bekleidet und damit im Grunde auch sein Standing gefährdet - was wäre, wenn es leistungstechnisch nicht geklappt hätte?
Zugegeben, er scheint nahezu unantastbar zu sein in Atlanta. Kurz nach seiner Verletzung im Mai erklärte General Manager John Copolella: "Wir könnten niemanden finden, der die gleichen Fähigkeiten wie Freeman mitbringt. Er war vielleicht sogar der beste Spieler in der ganzen Liga." Copolella war es auch, der beim letzten großräumigen Ausverkauf der Braves darauf bestand, dass Freeman bleibt. Alle anderen Spieler waren abkömmlich, nicht jedoch das Gesicht dieser Franchise.
Atlanta Braves peilen beste Saison seit 2014 an
Freeman stellt sich eben in den Dienst der Mannschaft und der gesamten Organisation. Mit Recht: Seit seiner Rückkehr haben die Braves eine ausgeglichene Bilanz (9-9) und das trotz schwieriger Gegner - allein zwei Serien gegen die starken Milwaukee Brewers standen auf dem Plan.
Und so ist Atlanta tatsächlich mal wieder im erweiterten Playoff-Rennen zu finden, was wohl einer der Gründe war, warum die Trade-Gespräche um Starting Pitcher Jaime Garcia lange Zeit ergebnislos blieben. Aber selbst wenn es in diesem Jahr nicht mit den Playoffs klappen sollte - und nach zuletzt drei Niederlagen in Folge ist der Rückstand auf die Wildcards wieder beträchtlich - könnte diese Saison der Turnaround sein.
Das Team ist jung und hat mit Freeman einen vorbildlichen Anführer, der teamintern gerade für die jüngeren Spieler die Richtung vorgibt. Wenn der Superstar sich für nichts zu schade ist, haben die Youngster kein Argumente, um aus der Reihe zu tanzen.
Die Zukunft sieht also durchaus nicht ganz zappenduster aus für Atlanta und seinen Starspieler. Der steht übrigens noch bis Ende 2021 unter Vertrag und wird bis dahin noch so einiges bewegen können - auf welcher Position auch immer.