MLB Battlegrounds: Zum ersten Mal überhaupt ist die Major League Baseball in London vertreten. Mit dabei im Hyde Park waren unter anderem ein Virtual Reality Cage und ein spektakuläres Homerun Derby. Ein Erfahrungsbericht von SPOX-Redakteur Stefan Petri - dessen Jagd nach einem Homerun-Catch leider scheiterte.
Die MLB zu Gast bei Freunden - oder zumindest denen, die es werden sollen. So könnte man MLB Battlegrounds vielleicht zusammenfassen: Während die Konkurrenz aus NBA und NFL bereits seit Jahren in der britischen Hauptstadt - und damit auch in Europa - Fuß gefasst hat und Spiele der regulären Saison austrägt, blieb London von America's Pastime bisher gänzlich unberührt.
Zumindest bis zum gestrigen vierten Juli. Pünktlich zum amerikanischen Unabhängigkeitstag hat die MLB nämlich ein beachtliches Gelände im Hyde Park gekapert, im Herzen des ehemaligen Mutterlandes. Dort sollen die sportbegeisterten Briten mit allerlei Attraktionen auf den Baseball-Geschmack gebracht werden. Mit einem waschechten Homerun Derby als Krönung. Fünf Stunden Unterhaltung vom Feinsten - idealerweise nur der Aufgalopp für eine größere MLB-Präsenz in den kommenden Jahren.
Und ich mittendrin.
Feueralarm, kaputte Tür und U-Bahn-Stress
Das Ius primae noctis steht eigentlich dem Kollegen Blumi zu, doch der ist aufgrund familiärer Verpflichtungen verhindert. Also darf ich London für ein paar Stunden unsicher machen: Von 17 bis 22 Uhr ist Battlegrounds angesetzt, auf meinem Zettel stehen mehrere Interviews mit MLB-Legenden, dem ehemaligen deutschen Baseball-Talent Julsan Kamara sowie ein Versuch im Virtual Reality Batting Cage. Außerdem soll ich mich vor Ort mit einem DAZN-Kameramann treffen und einfach mal so viel mitnehmen wie möglich.
Am späten Vormittag treffe ich in Heathrow ein, es geht schon einmal gut los: Terminal 3 wird aufgrund eines Feueralarms geräumt, während ich unten am Gleis auf die Tube warte. Glücklicherweise ein falscher Alarm. Rund eineinhalb Stunden später bin ich bei meinem Hotel nahe Paddington angelangt, 15 Minuten zu Fuß zum Hyde Park.
SPOXErste Erkenntnis: Das Wetter hat es mit der MLB aber richtig gut gemeint! Strahlender Sonnenschein, über 20 Grad, perfektes Baseball-Wetter. Gut, es ist Anfang Juli - aber es ist eben auch London. Zum Glück habe ich kurze Hosen und T-Shirts eingepackt.
Zweite Erkenntnis: Wer relativ kurzfristig ein Hotelzimmer im Herzen Londons bucht, der muss angesichts des SPOX-Budgets Abstriche machen. Ich sage mal so: Das Hilton ist es nicht, das mich erwartet. An der Rezeption muss erst einmal mit dem Reisebüro telefoniert werden, weil die Übernachtung noch nicht bezahlt ist. Dann führt man mich in mein Zimmer, eine Mischung aus Gefängniszelle und 50er-Jahre-Oma-Schick. Das Schloss ist defekt, wird aber immerhin flugs repariert, während ich mir schnell etwas zu trinken kaufe. Außerdem stelle ich fest, dass mich am Abend das wohlige, dumpfe Rattern der U-Bahn unter mir in den Schlaf wiegen wird. Vom WLAN wollen wir erst gar nicht sprechen. Oh well. Ist ja nur eine Nacht.
MLB Battlegrounds im Hyde Park
Viertel vor vier spaziere ich los in Richtung Hyde Park. Und staune: Wer vom Nordosten her in die Grünanlage eindringt, der fühlt sich nach wenigen Metern auf eine wildwachsende Wiese am Waldrand versetzt. So kannte ich den Park noch gar nicht. Das Gefühl währt nur kurz, aber immerhin.
SPOXAuf meinem Weg zum abgesperrten Gelände des British Summer Festival, auf dessen Bühne in den Tagen zuvor Justin Bieber und Green Day standen, begegne ich zudem gleich mehreren Grüppchen, die auf den Rasenflächen Baseball-Spiele organisiert haben. Gut, eigentlich eher Slow-Pitch-Softball, aber definitiv kein Cricket. Hilfreiche Tipps inklusive: "You gotta run!", ruft jemand nach einem Groundball durch die Mitte. 1:0 für die MLB.
SPOXDie Security ist allgegenwärtig und nimmt ihren Job sehr ernst. Während ich mich zu meiner Akkreditierung durchkämpfe, komme ich an mehreren Checkpoints vorbei, meine Tasche wird kontrolliert und mein Getränk konfisziert, außerdem darf ich durch gleich zwei Metalldetektoren gehen. Angesichts der letzten Wochen durchaus verständlich und leider wohl auch nötig. Gleichzeitig bleiben alle Beteiligten jedoch sehr freundlich und lotsen mich problemlos zum Medienzelt.
Bei der Ankunft spüre ich bereits die ersten Schweißtropfen auf der Stirn - zum Glück wartet ein gut bestückter Kühlschrank. ESPN ist auch schon da, die BBC ebenfalls. Schließlich trifft auch mein Kameramann ein: Robin von DAZN vor Ort ist ein paar Jahre älter als ich - und würde mit seinem vom Kameraschleppen gestählten Bizeps in einem Homerun Derby ganz sicher besser abschneiden als ich, stelle ich fest. Wir kommen sofort gut miteinander klar. Auf geht's zum Batting Cage.
Deutsche Präsenz am Batting Cage
Im Käfig ein Stück abseits der Bühne wird bereits fleißig die Keule geschwungen, Kinder und Erwachsene, jeder darf mal. Ein paar Versuche, dann brüllt der verantwortliche Animateur "Next Batter, next Batter, next Batterrrrrr!" und Helm und Schläger wechseln den Besitzer. Hier werden sich in wenigen Minuten die Stars vom Homerun Derby einschlagen, zeitgleich sind auch unsere Interview-Termine angesetzt.
SPOXRobin wuselt mit seiner Kamera durch die Menge, ich schieße immerhin ein paar Fotos mit dem Smartphone. Irgendwann wird klar: So gut hier alles auch organisiert ist - die Interviewtermine, die relativ straff gelegt sind, wird man wie geplant nicht über die Bühne bekommen. Also warten wir, und treffen doch tatsächlich auf ein deutsches Gesicht! Penelope studiert in London, ist Giants-Fan und hat sich mit ihrer Baseball-begeisterten Freundin aus den USA ("Dodgers!") in den Hyde Park aufgemacht. Da haben wir doch schon unser erstes Interview!
Als nächstes bekommen wir Shawn Green vor die Linse. Der stand eigentlich nicht auf unserer Liste, aber man nimmt ja mit, was man kriegen kann. Der zweifache All-Star (328 Homeruns) ist ein echter Vollprofi und gibt auch auf Fragen wie "Sind Sie zum ersten Mal in London?" eine 20-Sekunden-Antwort. Läuft! Wobei ich das Mikro hätte etwas näher halten können, erklärt Robin anschließend. Und bitte das DAZN-Logo immer in Richtung Kamera gedreht. Deswegen schreibe ich eben lieber.
Nachwuchs und Julsan Kamara
Wir lümmeln ein bisschen vor uns hin und warten auf den nächsten ehemaligen Star. Angesichts der laufenden Saison sind leider nur ehemalige Spieler vor Ort, dafür aber auch große Namen wie Carlos Pena oder Cliff Floyd. "Hey, sind Sie auf der Suche nach einer Story?", raunt mir eine Frau über die Absperrung zu. "Immer", antworte ich - und fühle mich wie im Film.
Nun ja, ein Pulitzer wird es nicht. Sie stellt uns das englische Nachwuchs-Team vor, dass demnächst in Polen um die Teilnahme an der Little League World Series spielen wird. Wir drehen ein Mini-Interview, na ja, für die Kids sicher sehr nett. Auf DAZN wäre das dann zu sehen, erklären wir - ob sie im UK das auch sehen werden, ist eine andere Frage. "Wir sollten uns lieber auf die Erwachsenen konzentrieren", meint Robin. Ich kann ihm nicht widersprechen.
Immerhin ein Interview ergattern wir noch: Julsan Kamara, ehemaliges Supertalent aus Regensburg, der 2013 im Alter von 17 Jahren einen Minor-League-Vertrag bei den Philadelphia Phillies unterschrieben hatte. Zu einer großen Karriere reichte es dann doch nicht, dafür darf er beim Homerun Derby zeigen, was er drauf hat. Extrem sympathischer Typ, wir führen das Interview auf Deutsch. "Na klaaar" kenne er SPOX - doch der Satz "Deine Artikel finde ich ganz besonders gut, Stefan" folgt leider nicht. Kann ja noch werden.
Das war's dann mit den Interviews, Zeit für Floyd und Pena, den beiden Kapitänen des Homerun Derbys, bleibt leider nicht mehr. Ein bisschen enttäuschend ist es schon, dass der Zeitplan der beiden größten Stars so durcheinander gekommen ist, aber immerhin sind wir nicht ganz leer ausgegangen. Und ein Highlight wartet ja noch: der Virtual Reality Batting Cage.
VR Batting Cage: "Wii Sports" auf Steroiden
Ein Hoch auf Medien-Akkreditierungen: Als wir am Käfig ankommen, werde ich an der Schlange vorbeigeschleust und muss nur ein paar Minuten warten. Zuvor wird noch ein nettes Foto mit echtem Baseball-Schläger gemacht, das als Souvenir per Mail geschickt werden soll: Ich setze mein Game Face auf. "Oooh, he means business!" lacht meine Einweiserin, die mich "Honeybun" nennt, im typisch freundlich-gelangweilten Ton, den man nach ein paar hundert Teilnehmern eben irgendwann drauf hat.
Dann bekomme ich die VR-Brille auf und einen verkabelten Plastikschläger in die Hand. Ich bin eigentlich Rechtshänder, entscheide mich aber für die "beidhändige Rückhand" - für irgendwas müssen die Jahre im Tennisverein doch gut sein. Wie man das Spiel möglichst dominieren könne, frage ich. Timing sei das Allerwichtigste, bloß nicht zu früh schwingen.
Also los. Ausblenden, wie albern meine Körperhaltung von außen aussehen muss. Homeruns schlagen, bloß nicht blamieren. Zack - der erste landet direkt im Publikum! Dann aber zeigt sich: Das mit dem Timing ist leichter gesagt als getan. Das Spiel ist dermaßen entschleunigt, dass ich mich, durch MLB-Highlight-Clips und MLB The Show 17 auf eine gewisse Geschwindigkeit gepolt, oft einfach nicht mehr zurückhalten kann. Ein Foul Ball nach dem anderen, ich bin einfach zu früh dran. Immerhin: Einmal gebe ich den Babe Ruth und zeige mit meinem Schläger einen Homerun an - und der kommt dann auch! Monster-Homerun, über 500 Fuß!
Nach zwei Minuten ist der Spaß vorbei, und Spaß hat es auf jeden Fall gemacht. Der Käfig hat ganz sicher Zukunft, auch wenn er als Trainingsgerät für Profis sicherlich noch nicht herhalten kann. Eher ein Virtual Reality "Wii Sports" auf Steroiden. Nach reiflicher Überlegung gebe ich mir für meine Leistung eine "Drei Plus". Video folgt.
Homerun Derby im Hyde Park
Dann steht noch die Hauptattraktion des Abends an: Das Homerun Derby. Insgesamt zehn Teilnehmer gibt es, die in die Teams "Boston" und "Los Angeles" aufgeteilt sind. Neben den früheren MLB-Stars sind auch Cricket-Größen und sogar zwei Softball-Spielerinnen dabei. Rund 300 Fuß gilt es für einen Homerun zu überwinden, dazu gibt es ein paar Zielscheiben, die ebenfalls Punkte bringen. Zwei Minuten pro Batter, danach gibt es ein Halbfinale und ein Finale, das dann über drei Minuten geht.
SPOXRobin und ich trennen uns: Während er das Abendlicht ausnutzen will und nach den schönsten Bildern sucht, schaue ich mir das Spektakel an und knipse ein paar Bilder. Mehrere tausend Fans sind da und wollen sich das Spektakel nicht entgehen lassen. Leider kommt man aufgrund der Natur des Sports nicht sehr nahe an die Spieler auf der Bühne heran, dafür wären die knüppelhart geschlagenen Bälle auch einfach zu gefährlich.
Trotzdem ist es auch aus der Entfernung zu sehen, wie die Bälle vom Schläger weg explodieren. Für die Softball-Damen gilt natürlich die gleiche Entfernung, aber auch sie schaffen jeweils mindestens einen Long Ball. Ja ja, ich und meine virtuellen 500 Fuß. Eine unangenehme Wahrheit drängt sich auf: Wahrscheinlich wären in Real Life schon 100 Fuß mein Maximum.
Auf der Jagd nach dem Homerun
Irgendwann aber setzt mein Ehrgeiz ein und ich arbeite mich von Absperrung zu Absperrung nach vorn - wie geil wäre das eigentlich, einen Homerun zu fangen? Die letzten Duelle erlebe ich im Right Center Field, nur einen oder zwei Meter hinter der vordersten Bande. Eigentlich die perfekte Position.
SPOXOder auch nicht - in Sachen Homerun Derbys bin ich doch noch ein Anfänger. Schließlich sind im Finale nur noch die besten Baseballer vertreten, und die schlagen die Bälle meistens nicht an die Bande, sondern eher 20 Meter über mich hinweg ... und als ein Line Drive ein paar Meter zu meiner Linken einschlägt, verstehe ich, warum so viele Fans einen Handschuh mitgebracht haben: Die blanken Finger könnten bei diesen Raketen schon leiden.
Das Finale nimmt seinen Lauf, und als immer wieder Bälle hinter mir landen, fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Ein guter Outfielder würde diesen Bällen nicht nur dümmlich hinterherschauen, sondern sie in den meisten Fällen auch fangen. Innerlich lache ich ungläubig auf - Weltklasse-Athleten sind eben doch irgendwie keine normalen Menschen.
Einen Ball fange ich dann trotzdem. Fast. Genau auf mich zu kommt der Ball des späteren Siegers Federico Celli, er landet vielleicht zwei Meter hinter mir. Mehrere Pints segnen im Tumult das Zeitliche, dann hat ihn eine Frau in der Hand, vielleicht 20 Jahre alt, völlig aus dem Häuschen: "Ein Ball für mich zum Geburtstag", ruft sie. Ein bisschen neidisch bin ich schon.
Vielleicht ja beim nächsten Mal. Denn die MLB wird ganz sicher zurückkehren. Mein Fazit, als ich mich auf den Rückweg ins Hotel mache: Battlegrounds war ein voller Erfolg.