"Look what the cat dragged in!" ist ein geläufiges englisches Sprichwort. Was hat die Katze denn da reingeschleppt? Was so viel heißt wie: Was haben wir denn da?
Den St. Louis Cardinals hat zuletzt tatsächlich eine Katze etwas hereingeschleppt. Und zwar den Glauben an die erhoffte Playoff-Teilnahme, trotz weitgehend verkorkster erster Saisonhälfte. Monatelang war das Team mit einer negativen Bilanz in der National League Central vor sich hingestolpert, zuerst hinter den Milwaukee Brewers, dann hinter den Chicago Cubs. Nie wirklich abgeschlagen, aber eben auch nicht gut genug.
Doch dann kam die "Rally Cat". Die "Aufholjagd-Katze", so vielleicht die passendste Übersetzung. Und wer nun auf die Tabelle der Division schaut, sieht die Cardinals plötzlich ganz vorn mit dabei.
Was haben wir denn da?
"Meine Hand war blutüberströmt."
"Ich habe aufs Feld geschaut und dachte mir: 'Oh, eine Katze. Wie niedlich.' Und dann fiel mir ein: Die wird niemand holen. Wahrscheinlich ist das unser Job." So schilderte Lucas Hackmann im St. Louis Post-Dispatch seine Begegnung mit dem tierischen Gast im Busch Stadium am Mittwoch.
Der 20-Jährige ist eigentlich dafür zuständig, in den Inning-Pausen das Infield mit dem Rechen zu bearbeiten, doch im Spiel gegen die Kansas City Royals verirrt sich plötzlich ein herrenloses Kätzchen auf den Rasen und schleicht sich unter dem Jubel der Zuschauer durch das Outfield. Gerade als Cardinals-Catcher Yadier Molina im sechsten Inning beim Stand von 4:5 aus Sicht der Gastgeber am Schlagmal steht, mit den Bases Loaded. Entscheidende Phase.
"Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, aber als ich das Kätzchen aufhob, wollte ich einfach nur nett zurück zum Dugout joggen, mit ihm in meinen Armen." Die Rechnung hatte Hackmann, seines Zeichens Hundebesitzer und komplett katzenfremd, jedoch ohne seine Beute gemacht: Die wehrte sich nämlich nach Kräften und biss und kratzte nach Herzenslust, während über 44.000 Zuschauer feixten. "Ich kam endlich nach draußen und wollte mit der Katze nichts mehr zu tun haben", erzählt das überforderte Katzenopfer: "Meine Hand war blutüberströmt."
Während Hackmann sich anschließend mit Spritzen und Antibiotika im Krankenhaus verarzten lassen muss, gelingt Molina beim ersten Pitch nach der Unterbrechung ein Grand Slam. Die Cards drehen das Spiel, die Katze geht sofort viral und Manager Mike Matheny scherzt auf der Pressekonferenz: "Ich bin eigentlich kein Katzentyp. Aber diese fand ich natürlich super."
St. Louis Cardinals: Erst "Rally Squirrel", dann "Rally Cat"?
Eine nette Geschichte für die sozialen Medien natürlich: Erst die Katze, dann der Grand Slam. Und auch wenn Katzenbesuche in MLB-Ballparks nicht gerade zum Alltag gehören, kommen sie doch immer mal wieder vor - wie zum Beispiel in Juni in Miami.
In St. Louis jedoch kommt der flugs verpasste Spitzname "Rally Cat" jedoch nicht von ungefähr. Schließlich hat man vor einigen Jahren bereits mehr als gute Erfahrungen mit animalischem Besuch gemacht. In den Playoffs 2011 spritzte nämlich ein Eichhörnchen über die Home Plate und wurde zum Star, während sich St. Louis anschickte, den 11. Titel der Franchise-Geschichte zu gewinnen. Das "Rally Squirrel" schafft es auf T-Shirts, Fanartikel und sogar auf den World-Series-Ring. Erfolgreicher kann ein Maskottchen kaum sein.
Kein Wunder also, dass man sich von der "Rally Cat" ähnliche Wirkung erhofft, schließlich war Molinas Grand Slam ein enorm vielversprechender Anfang. Überhaupt haben die Cardinals plötzlich sechs Spiele in Folge gewonnen und sind mit einer Bilanz von 59-56 den Cubs (59-54) an der Spitze der Division kräftig auf die Pelle gerückt.
Und die Erwartungen am Mississippi River sind verdammt hoch.
St. Louis: Modell-Franchise dank dem "Cardinal Way"
Es ist erst wenige Jahre her, da wurden die Cardinals in den Sportmedien als "Modell-Franchise" gefeiert, für viele das bestgeführte Team überhaupt. Trotz eher bescheidener finanzieller Mittel - die Marktgröße im Osten Missouris ist kaum Mittelmaß - wurde mit einem stabilen Front Office und viel Geschick über Jahre eine "Winning Culture" aufgebaut, die dem Team fast schon einen Stammplatz in den Playoffs bescherte. Angesichts der wenigen Postseason-Plätze in der MLB eine herausragende Leistung.
Aber der "Cardinal Way" macht es möglich: junge, günstige Talente aus dem eigenen Nachwuchs, solider Baseball, keine verrückten Ausgaben für alternde Stars. Nach dem Gewinn der World Series 2011 etwa ließ man den dreifachen MVP Albert Pujols lieber zu den Angels ziehen, als für ihn die Bank zu sprengen. An der eigenen Strategie wird selbst für die Franchise-Ikone nicht gerüttelt.
Schließlich hat sie sich bezahlt gemacht: Nur ein einziges Mal(!) legte das Team im neuen Jahrtausend eine negative Bilanz hin, erreichte dafür aber zwölfmal die Playoffs und viermal die World Series (zwei Titel). Kein Wunder, dass den fanatischen Fans oft eine gewisse Arroganz vorgeworfen wird. In St. Louis ist man Erfolg gewohnt und von der eigenen Überlegenheit absolut überzeugt.