Derek Jeter war zwei Jahrzehnte lang das Gesicht der New York Yankees. Seit dieser Saison jedoch ist er Anteilseigner und CEO der Miami Marlins. War er als Spieler noch schier unfehlbar, begann sein Weg als Funktionär auch aufgrund kontroverser Entscheidungen unrund. Gelingt es dem "Captain", sein neues Team in eine gute Zukunft zu führen oder wird diese Station der erste Fleck auf seiner blütenweißen Weste?
"Ich möchte der Steinbrenner-Familie und besonders Mr. George Steinbrenner dafür danken, dass sie es mir ermöglicht haben, meine gesamte Karriere für die einzige Organisation zu spielen, für die ich jemals spielen wollte." (Derek Sanderson Jeter am Derek Jeter Day, September 2014 im Yankee Stadium)
Derek Jeter war das Gesicht der New York Yankees für über zwei Jahrzehnte. Er verkörperte alles, wofür diese fast sagenumwobene Franchise stand und stellte zahlreiche Rekorde während seiner Zeit dort auf. Mehr noch: Er war der Captain des Teams und gewann als Shortstop fünf Mal die World Series. Er war der personifizierte New York Yankee und zählt sicher zu den allergrößten, die die berühmten Pinstripes getragen haben. Nun kommt er erstmals als Gegner nach New York zurück.
Die Betonung liegt auf "New York", denn im Yankee Stadium wird sich Jeter nicht blicken lassen. Es wäre eine "unangenehme Situation" für ihn, wie er kürzlich ESPN verriet.
Eine der größeren Storys der Offseason war die Übernahme der Miami Marlins durch ein Konsortium um Bruce Sherman und Jeter, der dem Team nun als CEO vorsteht. Für Jeter ging damit ein Traum in Erfüllung, denn schon zu Zeiten als Aktiver ließ er immer wieder verlauten, dass es sein Ziel sei, eines Tages selbst Besitzer einer MLB-Franchise zu sein.
Seit der Übernahme ist einiges passiert, das neue Regime räumte erstmal auf. Jeter trennte sich gewissermaßen vom Ältestenrat der Marlins, bestehend aus World-Series-Manager Jack McKeon (2003) und Teamlegenden wie Mister Marlin persönlich, Jeff Conine. Das sorgte für böses Blut und Unmut unter den noch vorhandenen Fans.
Miami Marlins: Fire-Sale in der Offseason
Viel mehr Aufsehen erzeugten dann aber die Personalentscheidungen von Jeter, der den Kader auf links drehte. Alles, was zu viel verdiente, musste weg. Erster Ansprechpartner in dieser Sache: der amtierende National League MVP, Giancarlo Stanton! Nach 59 Homeruns wurde fieberhaft versucht, ihn und seinen Monstervertrag loszuwerden.
Deals mit den Giants und Cardinals waren bereits ausgehandelt, doch die No-Trade-Klausel in seinem Vertrag gab Stanton das Recht, jeden Deal zu verweigern. Und dieses Recht nutzte er aus, um sich sein neues Team essenziell selbst auszusuchen. Es wurden - ausgerechnet - die Yankees. Jeters (ehemalige) große Liebe.
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Datum | Uhrzeit | Spiel |
Mittwoch, 18. April | 0.35 Uhr | New York Yankees - Miami Marlins |
Ein gefundenes Fressen für Kritiker, die ohnehin schon wenig vom neuen CEO gehalten hatten. Doch am Ende des Tages hatten die Marlins und Jeter keine andere Wahl als Stanton in die Bronx zu transferieren - und dafür nicht einmal viel in Bezug auf Prospects zurückzukriegen. Schließlich schluckten die Yankees einen Großteil des Gehalts, was nun mal die Hauptmotivation für Miami war.
Damit nicht genug, wurden auch noch die anderen beiden Starting-Outfielder - Christian Yelich und Marcell Ozuna - und der dynamische Infielder Dee Gordon abgegeben. Diese aber immerhin mit nennenswerten Gegenwerten. Besonders Lewis Brinson, der von den Brewers für Yelich kam, zeigte bereits gute Ansätze. Er war das Top-Prospect der Brewers-Organisation.
Die Top-Prospects der Miami Marlins Organisation
Spieler | Alter | Position | Spiel-Level |
Lewis Brinson | 23 | Outfielder | MLB |
Sandy Alcantara | 22 | Starting Pitcher | AAA |
Monte Harrison | 22 | Outfielder | AA |
Jorge Guzman | 22 | Starting Pitcher | A |
Magneuris Sierra | 21 | Outfielder | AAA |
Isan Diaz | 21 | Infielder | AA |
Mehr als Ansätze sind es aber auch nicht, was den gesamten Kader betrifft, den Lindsey Adler von The Athletic treffend als "funktionales Triple-A-Team" bezeichnete. Keine große Übertreibung, wenn man bedenkt, wie viele Spieler dieses Teams nicht unbedingt in vielen anderen MLB-Teams aktiv wären. Doch das war kurzfristig auch nicht das Ziel. Vielmehr geht es nun darum, auch noch die letzten teuren Spieler abzugeben und über die kommenden Jahre hinweg neuaufzubauen. Die Vorbilder hierfür liegen auf der Hand: Die Cubs, die Astros, auch die Royals.
Am Montag nun kam es zum ersten Aufeinandertreffen von Jeters neuem Team und den Yankees seit der letztjährigen "Number Retirement"-Zeremonie am Muttertag, bei der die Nummer 2 endgültig aus dem Verkehr gezogen wurde. Jeter bekam zugleich eine Plakette im Monument Park und ist damit offiziell unsterblich geworden in der Historie der Yankees.
Derek Jeter: Auszeichnungen und größte Erfolge
Auszeichnung / Rekord / Titel | Jahr(e) |
American League All-Star | 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2004, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2014 |
World Champion | 1996, 1998, 1999, 2000, 2009 |
AL Champion | 1996, 1998, 1999, 2000, 2001, 2003, 2009 |
World Series MVP | 2000 |
AL Rookie of the Year | 1996 |
AL Gold Glove (Shortstop) | 2004, 2005, 2006, 2009, 2010 |
AL Silver Slugger Award (Shortstop) | 2006, 2007, 2008, 2009, 2012 |
AL Hank Aaron Award | 2006, 2009 |
Roberto Clemente Award | 2009 |
Retired Number 2 (Yankees) | 2017 |
Captain der Yankees | 2003-2014 |
Es war zugleich einer von nur wenigen Auftritten von Jeter an seiner alten Wirkungsstätte seit seinem letzten Spiel im Jahr 2014. Er kam als Gast zu ähnlichen Zeremonien wie der von Manager-Legende Joe Torre oder seinen ehemaligen Teamkollegen Bernie Williams, Jorge Posada oder Paul O'Neill. Doch einfach so als Zuschauer ließ er sich nicht blicken - Jeter ist bekanntlich kein allzu großer Fan des Sports, wenn er nicht gerade selbst daran beteiligt ist.
Stand er jedoch auf dem Platz, dann gab es kaum Grenzen für ihn. Seine Liste an Erfolgen sucht im Baseball seinesgleichen. Schon zu Schulzeiten in Kalamazoo/Michigan stand für ihn fest, wo die Reise hingehen soll: Er wollte Shortstop der Yankees werden. 1992 wurde er als 6. Pick insgesamt von den Yankees gedraftet, 1995 gab er sein Debüt und 1996 wurde er direkt zum American League Rookie of the Year gewählt - als letzter Yankee vor Aaron Judge 2017.
Direkt in seinem ersten vollen Jahr in der Bronx gewann er sogar die World Series. Es folgten insgesamt vier weitere Titel und insgesamt sechs weitere Trips in den Fall Classic.
Vielleicht das beeindruckendste Merkmal dieser einzigartigen Karriere ist jedoch die Tatsache, dass Jeter in seinen 20 Jahren in der MLB keine einzige "Losing Season" erlebte. Mit ihm schlossen die Yankees nicht ein Jahr mit einer negativen Bilanz ab! Insofern besteht die große Chance, dass Jeter dieses Gefühl erstmals in Miami erleben wird.
gettyMarlins: Negative Bilanz in Sicht
Die Marlins steuern schon jetzt auf eine negative Gesamtbilanz zu und werden wohl auf Jahre hinweg Geduld beweisen müssen, ehe es wieder bergauf gehen könnte. Den Grundstein immerhin legte man mit den Trades, doch Jeter wird zeigen müssen, wie gut er das Schiff bis dahin navigieren kann, zumal kaum noch Zuschauer in den Marlins Park strömen. Zu enttäuscht ist das ohnehin eher fernbleibende Publikum ob der aktuellen sportlichen Entwicklung.
Waren es am Opening Day noch 32.151 Zuschauer im Marlins Park (Kapazität: 36.742 Zuschauer) gegen die Cubs, betrug der Zuschauerschnitt für die elf folgenden Spiele daheim nur noch rund 11.446. Und in Miami kann man sich schlecht mit den andernorts herrschenden kalten Temperaturen herausreden.
Die Zuschauertabelle der Miami Marlins 2018
Datum | Gegner | Zuschauerzahl |
29.03. | Cubs (Home Opener) | 32.151 |
30.03. | Cubs | 12.034 |
31.03. | Cubs | 13.422 |
01.04. | Cubs | 10.428 |
02.04. | Red Sox | 11.113 |
03.04. | Red Sox | 14.953 |
09.04. | Mets | 7003 |
10.04. | Mets | 6516 |
11.04. | Mets | 6150 |
13.04. | Pirates | 6852 |
14.04. | Pirates | 26.816 |
15.04. | Pirates | 10.621 |
Gerade in Florida gibt es ohnehin das Phänomen, dass Zuschauer nicht eben eifrige Baseball-Stadion-Gänger sind. Nicht mal dann, wenn das Team erfolgreich spielt, wie die Tampa Bay Rays vor ein paar Jahren bereits feststellten.
Doch wenn man auf einen Rebuild aus ist, dürfte sich der Effekt noch verstärken. Die Konsequenz aus schwindendem oder gar ausbleibendem Fan-Interesse liegt auf der Hand: Weniger Einnahmen, was das Letzte ist, was ein Unternehmen will, das gerade schon massiv Gehalt eingekürzt hat.
Ein Gegenmittel hat Jeter aber schon parat, jedenfalls in der Theorie: "Wir müssen ein paar mehr Spiele gewinnen. Ich habe Leute sagen gehört: 'Miami ist eine schwierige Sport-Stadt.' Ich denke, dass dies auf jede Sport-Stadt zutrifft. Wenn du ein erfolgreiches Produkt aufs Feld bringst, dann werden die Leute auch kommen. Wir haben ein paar aufregende junge Spieler hier und hoffentlich können wir eine kleine Siegsträhne starten."
Was den aktuellen Stellenwert seines Teams betrifft, stellt Jeter indes das Positive in den Vordergrund: "Ich mag den Mut und den Kampfgeist, den das Team zeigt. In zehn der zwölf Spiele war es lange ausgeglichen oder wir hatten sogar eine Führung", sagte Jeter gegenüber Reportern vorm Start der Serie gegen die Pirates. "Wir entwickeln hier eine Siegkultur. Manchmal braucht es dafür etwas Zeit, aber mir gefällt es immerhin, wie die Jungs ihre Arbeit angehen. Niemand ist glücklich mit den Resultaten. Wenn du in die Kabine gehst, hörst du dasselbe. Aber es ist eine lange Saison."
Als Spieler ließ sich Jeter nie aus der Ruhe bringen. Schafft er dies nun auch als Funktionär trotz sicherlich nicht abschwächenden Gegenwindes, dann stehen den Marlins ruhigere Fahrwasser in nicht allzu ferner Zukunft bevor. Gelingt der Neuaufbau jedoch nicht, dann wäre dies der erste wirklich schwarze Fleck auf der ansonsten blütenweißen Weste des Derek Jeters.
Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.