MLB: Fünf Fragen zur Verletzung von Shohei Ohtani - Wie schlimm ist es wirklich?

Marcus Blumberg
13. Juni 201812:49
Shohei Ohtani droht das vorzeitige Saison-Aus nach einer Ellenbogenverletzung.getty
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2-Way-Star Shohei Ohtani hat sich eine Ellenbogenverletzung zugezogen. Der Rookie der Los Angeles Angels hängt in der Schwebe und damit auch die Playoff-Chancen seines Teams. SPOX-Redakteur Marcus Blumberg beantwortet die wichtigsten Fragen zur Situation um den Japaner.

Was ist Shohei Ohtani passiert?

Starting Pitcher Shohei Ohtani wurde am Mittwoch beim Spiel gegen die Kansas City Royals vorzeitig ausgewechselt. Ersten Meldungen zufolge handelte es sich um Blasenbildung an seiner rechten Wurfhand. Diese Meldungen bestätigten sich offensichtlich nicht.

Am Samstag nämlich verkündeten die Angels offiziell, dass es sich bei Ohtanis Verletzung um eine Stauchung zweiten Grades des Seitenbandes im rechten Ellenbogen handele. Zudem habe er bereits Injektionen von Stammzellen sowie plättchenreichem Plasma (PRP) erhalten, um die Spannung zu lösen, die Schmerzen zu lindern und den Heilungsprozess zu starten.

Ferner wies das Team darauf hin, dass der Japaner in etwa drei Wochen erneut untersucht werde. In der Zwischenzeit wurde Ohtani für die ersten 72 Stunden nach den Injektionen absolute Ruhe verordnet, ehe er ein physisches Aufbauprogramm starten werde.

In der Zwischenzeit berichtete Pedro Gomez von ESPN, dass eine Tommy John Surgery, also eine Rekonstruktion des Ellenbogens, "sehr wahrscheinlich" sei. Stunden später jedoch meldete sich Angels-General-Manager Billy Eppler zu Wort und erklärte, dass dies keineswegs so wahrscheinlich sei und man erstmal den Heilungsverlauf abwarten wolle.

Das kann den Tatsachen entsprechen, es kann jedoch auch ein Spiel auf Zeit sein, denn unterm Strich gilt: Eine Stauchung zweiten Grades des Seitenbandes im Ellenbogen ist essenziell wenigstens ein Anriss des so essenziellen Bandes. Das muss nicht zwingend eine Tommy John Surgery nach sich ziehen.

Ohtanis Landsmann Masahiro Tanaka von den Yankees erlitt in seiner Rookie-Saison 2014 eine ähnliche Verletzung, kehrte jedoch auch nach einer PRP-Behandlung zwei Monate später wieder auf den Mound zurück, wenn auch in erster Instanz noch nicht ganz so effektiv - doch das war eher dem längeren Ausfall geschuldet, als dem Zustand seines Ellenbogens.

Bis heute hat der Ellenbogen bei Tanaka gehalten - ohne Operation. Es gibt jedoch auch andere Beispiele wie etwa Andrew Heaney, Ohtanis heutiger Teamkollege. Er ließ sich ebenfalls zunächst konservativ mit Stammzellen behandeln, am Ende brauchte er jedoch trotzdem die Operation im Jahr 2016.

Grundsätzlich jedoch gilt: sobald von einer Verletzung des Seitenbandes bei einem Pitcher die Rede ist, sollten bei Baseball-interessierten Menschen automatisch alle Alarmsirenen schrillen. Denn das Ellenbogenseitenband ist bei einem Pitcher neben der Schulter das wichtigste Körperteil - und auch das empfindlichste.

Was sind die unmittelbaren Folgen von Ohtanis Verletzung für die Los Angeles Angels?

Die Personaldecke der Angels wird langsam dünn. Selbst wenn Ohtani nicht die gesamte Saison ausfallen sollte, was noch in den Sternen steht, wird er für einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten nicht zur Verfügung stehen. Damit brechen dem Team essenziell zwei Spieler weg: der wohl beste Starting Pitcher sowie ein dynamischer Designated Hitter, der für viel Furore gesorgt hat.

Angesichts der Personalsituation beim Pitching halte ich hier den Verlust sogar für gravierender. Die Angels waren im Grunde mit einer Sechs-Mann-Rotation in die Saison gestartet. Die Überlegung: Fünf Starter spielen regelmäßig und Ohtani sollte behutsam als Pitcher eingesetzt und langsam herangeführt werden. Das sah in der Praxis so aus, dass er wie in Japan nur alle sechs Tage pitchte. Gerade anfangs der Saison fielen seine Einsätze meist auf einen Sonntag.

In den vergangenen Wochen ging man sogar noch vorsichtiger vor und gönnte Ohtani öfter noch längere Pausen. Einmal lagen zwischen zwei Starts im Mai sogar zehn Tage. Seinen Rhythmus schien dies aber nicht zu stören.

Schaut man sich nun aber die Disabled List der Angels an, finden sich dort nun vier Starting Pitcher. Neben Ohtani sind dies noch Alex Meyer (Schulter), JC Ramirez (Ellenbogen) und Matt Shoemaker (Unterarm), wobei die ersten beiden für den Rest der Saison verloren sind. Lediglich Shoemaker hat noch realistische Chancen auf eine Rückkehr 2018.

Angels: Starting Pitcher auf der Disabled List

SpielerWurfhandVerletzung
Alex MeyerRechtsSchulter
Shohei OhtaniRechtsEllenbogen
JC RamirezRechtsEllenbogen
Matt ShoemakerRechtsUnterarm

Alle die wären potenzielle Starter gewesen, die den fünften von sechs Rotation-Spots hätten übernehmen können. Aktuell stehen die Angels jedoch nur mit vier Startern da, der fünfte steht in den Sternen. Am Dienstag gegen die Mariners ist zunächst Minor-Leaguer Jaime Barria an der Reihe, der seinen achten MLB-Start überhaupt macht.

Der Rest der Rotation ist solide, aber keineswegs überragend. Ohtani war hier eindeutig der beste Pitcher (131 ERA+), der bitterlich fehlen wird.

Offensiv wiederum liegt die unmittelbare Lösung nahe: Albert Pujols spielt wieder regelmäßig als Designated Hitter, muss also nicht mit seinen nicht mehr ganz so berühmten Defensivqualitäten die erste Base beackern. Dorthin wich er immer aus, wenn Ohtani der DH war.

Ein langer Ausfall Ohtanis hätte aber auch für die Offense gravierende Folgen. Betrachtet man nur den erweiterten Kreis der Starter, schlagen nur drei Spieler über Durchschnitt: Superstar Mike Trout (192 OPS+), Andrelton Simmons (140 OPS+) und Justin Upton (122 OPS+).

Ohtani hatte derweil eine 150 OPS+ und kann damit mit Fug und Recht als zweitbester Hitter seines Teams betrachtet werden. Pujols (94 OPS+) müsste seine Schlagleistung also im Prinzip um mehr als 50 Prozent steigern, um das aufzufangen, was Ohtani an die Platte - und auf die Bases - brachte.

Was sind die unmittelbaren Folgen der Verletzung für Shohei Ohtani?

Ohtani muss sich nun erstmal in Geduld üben. Egal wie die erneute Evaluierung in knapp drei Wochen aussehen wird, ist es unwahrscheinlich, dass Ohtani in dieser Saison nochmal pitchen wird. Selbst wenn die Verletzung konservativ ausheilt, dürfte es für das Team ein zu großes Risiko sein, den Japaner 2018 nochmal auf den Mound zu schicken.

Doch das heißt nicht automatisch, dass die Saison 2018 für Ohtani beendet ist. Am Montag kam auch eine Meldung von MLB.com auf, nach der die Angels zumindest vorsichtig optimistisch seien, den Japaner wenigstens offensiv noch weiter einsetzen zu können.

Ohtani wirft mit rechts, schlägt jedoch mit links. Das hat zur Folge, dass die Belastung des Ellenbogens beim Schwung des Schlägers verhältnismäßig gering ist, wodurch selbst ein angerissenes Seitenband nicht zwingend ein Hindernis sein muss. Will heißen: Es ist durchaus möglich, dass der Japaner in ein bis zwei Monaten - also irgendwann nach dem All-Star Break - wieder ins Team zurückkehren und wenigstens offensiv helfen könnte.

Auch hierfür gibt es Präzedenzfälle. Ohtanis Teamkollege Albert Pujols etwa spielte mal eine fast komplette Saison mit einem angerissenen Seitenband, ehe er sich operieren ließ. Und das sogar an der ersten Base - es war zu seiner Zeit in St. Louis, wo es bekanntlich keinen DH gibt.

Shohei Ohtani als Hitter: Statistiken 2018

SpieleHomerunsRBIAverageOBPSLGOPSOPS+WAR
34620.289.372.535.9071502,0

Und: Selbst, wenn Ohtani letztlich eine Tommy John Surgery benötigen würde, könnte er dennoch die Saison als DH zunächst zu Ende spielen, ohne viel Zeit in der MLB zu verlieren.

Die Rechnung hier ist recht einfach: Die Reha-Zeit nach der Ellenbogenrekonstruktion beträgt ungefähr 15 Monate für einen Pitcher. Heißt: Die Saison 2019 würde er mit der OP in jedem Fall verpassen. Doch selbst wenn die OP erst im Oktober oder November anstünde, hätte er immer noch genug Zeit, zum Saisonstart 2020 wieder auf dem Mound zu stehen!

Daran änderte sich indes nicht wahnsinnig viel, wenn er sich schon im Juli oder August 2018 unters Messer begäbe - auch dann erschiene es unrealistisch, dass er vor 2020 wieder zurück wäre.

Als DH könnte er theoretisch sogar früher wieder spielen, etwa in der zweiten Saisonhälfte 2019 - vorausgesetzt ein solcher Schritt beeinträchtigte seine Reha als Pitcher nicht.

Shohei Ohtani könnte trotz Ellenbogenverletzung als Designated Hitter fungieren.getty

Eines jedoch dürfte schon jetzt - völlig gleich, ob er die OP benötigt oder nicht - klar sein: Seine Hoffnungen auf den Titel "American League Rookie of the Year" wird Ohtani wohl begraben müssen. Vor dem All-Star Break sehen wir ihn wohl kaum wieder und mittlerweile haben sich hier besonders die zwei Yankees Miguel Andujar (136 OPS+) und Gleyber Torres (143 OPS+) deutlich in den Vordergrund gespielt.

Für Ohtani Schade, aber bei weitem weniger wichtig als seine kurz- und langfristige Gesundheit.

Welche Auswirkungen hat die Ohtani-Verletzung aufs Kräfteverhältnis in der American League (West)?

Die Angels waren als eines der besseren Teams der American League und damit auch American League West gestartet. Seither verletzten sich zahlreiche Schlüsselspieler, darunter kürzlich auch Shortstop Andrelton Simmons und Outfielder Kole Calhoun. Ohtanis potenziell längerer Ausfall wird dem Team von Manager Mike Scioscia also nicht gerade helfen ...

Schon jetzt ist die Lage in der eigenen Division kritisch aus Sicht der Angels. Sie liegen fünf beziehungsweise fünfeinhalb Spiele hinter den Seattle Mariners und Houston Astros. Somit beträgt auch der Abstand auf die zweite Wildcard schon satte fünf Spiele.

Die Angels laufen schon vorm All-Star Break Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Ihre Playoff-Hoffnungen sind zwar noch in Takt, sollte sich die aktuelle Tendenz jedoch fortsetzen, könnte es schnell damit vorbei sein.

Tabelle der American League West

TeamSiegeNiederlagenSiegquoteGames behind
Mariners4324.642-
Astros4325.6320,5
Angels3731.5446,5
Athletics3433.5079
Rangers2742.39117

Die ultimativen Profiteure sind zunächst mal die direkten Konkurrenten Houston und Seattle, die während der Absenz von Ohtani ihr Polster auf die Angels weiter ausbauen können. Zudem gibt es indirekt den Yankees und Red Sox noch ein klein wenig mehr Ruhe im Kampf um die Playoffs.

Sie können nun eigentlich fast verbrieft davon ausgehen, dass der Verlierer des Duells um die Krone der AL East eine Wildcard sicher haben wird, schließlich drückt wohl niemand aus dem Westen mehr - die Verfolger der Cleveland Indians in der Central darf man ohnehin schon getrost ignorieren, haben sie doch allesamt eine negative Bilanz und negative Run-Differenzen.

Essenziell ist ein längerer Ohtani-Ausfall wohl gleichbedeutend mit dem Wegbrechen der Angels aus dem unmittelbaren Playoff-Rennen.

Ist der Fortbestand der Karriere von Shohei Ohtani jetzt gefährdet?

Kurzum: Nein! Selbst wenn sich Ohtani einer Tommy John Surgery unterziehen müsste - wovon realistisch betrachtet auszugehen ist - sind derartige Befürchtungen übertrieben. Natürlich ist jede Operation mit Risiken verbunden, aber davon abgesehen sind seine Aussichten sehr positiv.

Eine Tommy John Surgery ist seit Jahren Routine im Baseball. Die Erfolgsrate ist hoch, zahlreiche Patienten fanden meist innerhalb von zwei Jahren wieder zu alter Stärke. Viele kamen anfangs sogar besser zurück.

Dieser Effekt allerdings ist ein wenig fehlinterpretiert, da eine Leistungssteigerung wie etwa ein härterer Fastball oder dergleichen eher auf das gezielte Muskelaufbautraining des Ellenbogens zurückzuführen ist. Meist kehrt ein Pitcher nach einer Saison zu seinem normalen Trainingsprogramm zurück und damit auch zu seiner normalen Pitch-Geschwindigkeit.

Der größte Nachteil einer solchen Operation jedoch ist die lange Ausfallzeit. Wie bereits erwähnt dauert es in der Regel 15 Monate, bis ein Pitcher wieder ins Spiel eingreifen kann. In nicht wenigen Fällen kommt hinzu, dass der Pitcher danach nochmal eine gute Saison benötigt, um auch seine Form und sein Wohlgefühl wiederfindet.

Bei einem Eingriff dieser Größenordnung ist das aber noch zu verschmerzen. Gerade, wenn man bedenkt, dass eine Seitenbandverletzung vor Etablierung dieser Operation mit dem sicheren Karriereende gleichzusetzen war. Und nebenbei ist Ohtani gerade mal 23 Jahre alt, somit also noch im besten Alter, um sich schnell von einer solchen Verletzung zu erholen. Und seine Prime liegt auch noch vor ihm.

Kein Fan der Angels oder des Baseballs im Allgemeinen sollte sich daher zu große Sorgen machen. Wir haben noch lange nicht den letzten Pitch oder Schwung von Ohtani gesehen. Das japanische Wunderkind wird zurückkommen - die Frage ist nur wann.

Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.