Mitte Mai warten immer noch zahlreiche namhafte Spieler auf einen neuen Vertrag und die Chance, ihrem Job in der MLB nachzukommen. Die Posterboys dieses Missstands sind Starting Pitcher Dallas Keuchel und Closer Craig Kimbrel, ihres Zeichens wichtige Bestandteile der letzten zwei World-Series-Champions Houston Astros und Boston Red Sox. Doch warum ist das eigentlich so?
Es ist nahezu ausgeschlossen, dass einer von beiden bis mindestens Anfang Juni einen Vertrag irgendwo unterschreibt. Beide bekamen im letzten Winter nach auslaufenden Verträgen jeweils das sogenannte Qualifying Offer von ihren Teams unterbreitet. Heißt: Rund 17,9 Millionen Dollar wären ihnen für 2019 sicher gewesen. Sie lehnten ab.
Sie lehnten ab, weil sie beide aufgrund ihrer illustren Vitae davon ausgingen, mehr Geld auf dem Markt zu bekommen - und mehr Jahre, was Planungssicherheit bedeutet. Ein Problem nun ist, dass Teams, denen ein Qualifying Offer abgelehnt wird, Kompensationen zustehen. Das können je nach Situation Draftpicks oder Geld aus dem Bonus-Pool für internationale Amateurspieler vom dann neuen Team des Spielers sein.
Nun kann man davon ausgehen, dass dieses Hindernis im Winter noch keineswegs hinderlich gewesen wäre für die meisten Teams, die an diesen hochwertigen Spielern dran gewesen sind. Doch so kurz vorm Draft (3. bis 5. Juni) sieht das anders aus. Jetzt will keiner mehr irgendwas abgeben.
Allerdings ist dies nur ein kleiner Faktor, gravierender waren bei beiden Spielern andere Punkte.
Dallas Keuchel: Cy Young Award 2015
Auf den ersten Blick ist es unverständlich, dass Keuchel noch keinen neuen Vertrag erhalten hat. Keuchel zählt zu den besten Pitchern des Jahrzehnts. Der Linkshänder hat einen Cy Young Award (2015) für den besten Pitcher des Jahres in der Vitrine stehen, war zweimal All-Star und wurde viermal mit einem Gold Glove Award für den besten Defensivspieler auf seiner Position ausgezeichnet. Das Sahnehäubchen: der Gewinn der World Series 2017.
Nach zwei verletzungsbedingt verkürzten Jahren pitchte er 2018 sogar erstmals seit 2015 wieder mehr als 200 Innings. Und dennoch gibt es bei Keuchel ein paar rote Flaggen, die Teams abschrecken.
In der heutigen Zeit, in der scheinbar alle Schlagmänner ihr Hauptaugenmerk darauf legen, möglichst viele Bälle in die Luft - und am besten aus dem Stadion - zu schlagen, ist Keuchels Herangehensweise ein wenig antiquiert. Keuchel ist ein Groundball-Pitcher. Das heißt, er ist darauf spezialisiert, Pitches (Sinker) zu werfen, die den Schlagmann dazu verleiten, den Ball auf den Boden zu schlagen, sodass die Defense hinter ihm vermeintlich leichtes Spiel hat.
Das Problem damit ist aber, dass die moderne Herangehensweise der Hitter gegen solche Pitches Gift ist - für den Pitcher. Viele Hitter streben nur noch nach möglichst steilen Launch Angles. Das heißt, sie versuchen, den Ball in möglichst steilem Winkel in die Luft zu schlagen, um die Chancen auf einen Homerun zu erhöhen. Da wo der Sinker landet, wird er dann gewissermaßen herauskatapultiert.
Schon deshalb neigen immer mehr Teams dazu, ihre Pitcher dazu zu bringen, möglichst nicht mehr tief in die Strikezone - gewissermaßen Keuchels Hauptarbeitsplatz - sondern hoch in die Strikezone zu pitchen.
MLB: Neuer Trend - Fokus auf der Spin Rate
Allerdings ist Keuchel dafür nicht prädestiniert. Wie besonders sein Ex-Team, die Houston Astros, weiß, braucht es für diese Location nicht nur einen harten Fastball, sondern eine hohe Spin Rate auf dem Fastball - der Ball soll sich mit möglichst vielen Umdrehungen Richtung Platte bewegen. Das hat dann für den Hitter den visuellen Effekt, dass der Ball ansteigt, obwohl er das in Wirklichkeit nicht tut. Für Hitter sind solche Pitches hoch in der Zone ein gefundenes Fressen, doch wenn sie zu hoch geworfen werden oder eine extrem hohe Spin Rate aufweisen, dann schwingen die Leute drunter durch für Strikes und ultimative Strikeouts.
Keuchel allerdings ist für diese Philosophie nicht geeignet. 2018 lag seine Spin Rate auf dem Fastball bei 2165 RPM (Umdrehungen pro Minute), "gut" genug für Rang 470 in der Liga. Und sein Slider (2190 RPM) brachte ihm auch nur Rang 432 in der MLB ein.
Die Astros versuchten ihm dennoch die neue Art zu pitchen einzureden. Mit mäßigem Ertrag, denn die wichtigsten Statistiken gingen allesamt zurück: Vor allem seine Groundball-Rate, die von 2014 bis 2017 noch bei über 60 Prozent lag, ging auf 53,7 Prozent zurück. Mehr Hitter schlugen den Ball gegen ihn also in die Luft. Nicht gut. Ebenso nicht gut: Seine ohnehin schon überschaubare Strikeout-Rate - Strikeouts sind gerade heutzutage das wohl wichtigste Gut für einen Pitcher - ging noch weiter runter.
Unterm Strich war Keuchel immer noch besser als der Durchschnitt, aber Teams sind offenbar abgeschreckt genug, um hohe Summen oder zahlreiche Jahre auszuschütten.
Craig Kimbrel: Astronomisches Preisschild
Bei Craig Kimbrel ist die Lage eine etwas andere. Kimbrel sorgte schon zu Beginn der Offseason für Aufsehen, weil sein Agent die Kennzahlen für einen Vertrag des Closers in Umlauf brachte. Stolze sechs Jahre und 120 Millionen Dollar sollen auf dem Preisschild gestanden haben. Beides wären Rekorde für Relief Pitcher gewesen.
Berechtigt, dachte sich jedoch sein Agent Dave Meter, der essenziell sagte, dass sein Klient "der beste Closer aller Zeiten" sei. Ob er den Namen Mariano Rivera (zu seiner Legenden-Story hier entlang!) schon einmal gehört hat?
Was aber besonders abschreckend für Teams wirkte, abgesehen vom Preis, der schon deshalb irrsinnig erscheint, weil man einfach nicht solange mit Closern planen kann, da sie extremen Leistungsschwankungen unterliegen und das Verletzungsrisiko bei unregelmäßigem Einsatzrhythmus sehr hoch ist, ist dies: Seine Leistungen waren zuletzt eher wacklig.
In den vergangenen Playoffs waren seine Vorstellungen so besorgniserregend, dass Red-Sox-Manager Alex Cora spät im Spiel nicht auf ihn, sondern auf die gelernten Starter Chris Sale und Nathan Eovaldi gesetzt hat. Zudem war er schon in der Saison nicht so präzise wie gewohnt. Er verteilte plötzlich fast dreimal so viele Walks wie üblich und sein Fielding Independet Pitching (Lest hier alles zu Sabermetrics und Analytics im Baseball) ging von 1.42 (2017) auf 3.13 (2018) rauf, was grob gesagt eine klare Verschlechterung darstellt.
Sicherlich kann man nun erwähnen, dass seine herkömmlichen Statistiken - wie bei Keuchel auch - immer noch sehr gut waren. Aber das sind nicht die Dinge, auf die Teams schauen. Vor allem nicht, wenn sie sich damit befassen, langfristige Verträge zu verteilen.
gettyMLB: Analytische Daten für Zukunftsprognosen
Heutzutage ist es so, dass Teams mithilfe von allen möglichen analytischen Daten zukünftige Leistungen eines Spielers besser als je zuvor prognostizieren können. Und wenn die genannten Zahlen einen negativen Trend aufweisen, ist das schon mal kein guter Indikator für künftigen Erfolg. Die Zeiten, in denen Spieler für vergangene Leistungen bezahlt wurden, scheinen dagegen vorbei.
Irgendwo macht das Sinn, schließlich gilt besonders im Sport das Leistungsprinzip, für Leute wie Kimbrel und Keuchel aber kommt diese Einsicht der 30 MLB-Teams natürlich zur Unzeit. Bislang war es so, dass Teams wenig Wert auf Analytics und Zukunftsprognosen gelegt haben und eher auf "Standardzahlen" schauten, was vielen Spielern stattliche Verträge eingebracht hatte, die sie vielleicht nicht hätten bekommen sollen.
"Wenn Sie mich am ersten Tag der Free Agency gefragt hätten, ob ich am 6. Mai noch Free Agent wäre, hätte ich gesagt: 'Auf keinen Fall!'", sagte Keuchel gegenüber Yahoo Sports. Gleichzeitig aber räumte er ein: "Ich habe zahlreiche Angebote abgelehnt, denn es geht ums Prinzip. Es geht um einen fairen Marktwert. Und den habe ich bisher nicht bekommen."
Ähnlich sieht es wohl Kimbrel, der sich aber bedeckt hält. Gerüchte um seine Person kamen in letzter Zeit häufiger auf, wirklich klare Tendenzen aber ließen sich noch keine erkennen. Mögliche Teams für ihn sind jedoch die Braves, Brewers, Nationals und Phillies, die allesamt nicht unbedingt ideal in Sachen Bullpen in die Saison gestartet sind. Und Keuchel? Der dürfte weiterhin für Teams interessant sein, die Hilfe in der Rotation bräuchten. Doch auch hier hat sich noch kein Favorit herauskristallisiert.
Und so heißt es zunächst mal für beide: Weiter warten bis irgendein Team nachgibt - oder der Spieler seine Forderungen anpasst.