NBA

Die Passion des Greg O.

Von Oliver Wittenburg / Hansjürgen Mai
Greg Oden von den Portland Trail Blazers verpasst zum zweiten Mal eine komplette Saison
© Getty

Zum dritten Mal beendet eine Knieverletzung eine Saison von Greg Oden. Einst als kommender Superstar gehandelt, der die Portland Trail Blazers zum NBA-Titel führen sollte, bangt er jetzt um die Fortsetzung seiner Karriere.

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Kopf hoch und thumbs up. Das war der letzte Stand. Alles läuft nach Protokoll, wird schon wieder. So sah es aus, bis vor wenigen Tagen noch.

"Die Heilung läuft wie geplant", sagte Greg Oden, als ihn SPOX vor zwei Wochen in Portland traf. Am Rande des Heimspiels der Trail Blazers gegen die Oklahoma City Thunder war das.

"Und wann sind Sie zurück auf dem Parkett", wollten wir noch wissen. "Ende Dezember hoffe ich", sagte er.

Eintrag auf dem Wunschzettel fürs Christkind: Im Blazers-Jersey auf der Platte stehen.

Kniespezialist Oden behält Recht

Kopf hoch und thumbs up, hieß es auch noch drei Tage später. Das "Daumen hoch" gab's von Athletik-Trainer Jay Jensen, der fand, dass Oden und sein linkes Knie beim Workout vor dem Spiel gegen die Lakers einen richtig guten Eindruck gemacht hatten.

Doch Oden sagte: "Es sieht vielleicht ganz gut aus, fühlt sich aber nicht so an."

Sein Gefühl trog ihn nicht. Der 22-Jährige ist Kniespezialist aus Passion - und zwar im allerursprünglichsten Sinne des Wortes.

Seine Leidensgeschichte, die ihn daran hindert, seinen geliebten Sport auszuüben, sucht ihresgleichen. Odens vierte NBA-Saison läuft seit knapp einem Monat und ist schon wieder vorbei.

Bänderschaden im linken Knie, lautet diesmal die Diagnose, die eine aufwändige und risikobehaftete Behandlungsmethode nach sich zieht. "Microfracture Surgery" heißt das Zauberwort. Ein Eingriff, bei dem der Knorpel im Knie gezielt angebohrt wird, um so sein Selbstwachstum zu stimulieren.

Die zweite Nullrunde

Sechs bis zwölf Monate, sagt man, dauert es bis zur vollständigen Genesung. Ob der Patient danach aber dauerhaft mit vollem Körpereinsatz professionellen Sport ausüben kann - dafür gibt es keine Garantie.

Es wird Odens zweite Nullrunde werden, also eine Saison ohne einen einzigen Einsatz. 2007/2008 stand er als Neuling nicht einmal auf dem Parkett. "Microfracture Surgery". Rechtes Knie.

Ein Naturereignis

Es ist jetzt etwas mehr als drei Jahre her, dass die Basketball-Szene im Fieber lag. Oden-Fieber wurde landauf, landab diagnostiziert. Er sollte "The Next Big Thing" werden und war der Topfavorit auf den Nummer-eins-Pick im Draft.

Kein Wunder auch: Oden kam wie ein Naturereignis daher. 130 Kilo geballte Kraft auf 2,13 Meter Körperlänge. Er spielte in diesem Frühjahr seine Saison an der Ohio State University zu Ende, gewann die Big Ten Championship und führte sein Team ins NCAA-Finale.

Er war erst 19, doch schon ein Star und in den beiden Jahren davor mit Auszeichnungen (u.a. National Boys Basketball Player of the Year) überhäuft worden. Und er schien reif, sich mit den großen Jungs messen zu können.

So überlegen er seine Kontrahenten auf College-Ebene dominierte, traute man ihm zu, auf Anhieb einer der besten Center der NBA zu werden.

15 Titel wären nett

Er war der Coverboy des "ESPN Magazine" mit weißem Hut und weißer Krawatte zum stahlgrauen Anzug und dem Slogan daneben: "Ich hoffe, dass ich ein paar Meisterschaften gewinne - so etwa 15 Stück."

Der Teenager mit der stets tief gefurchten Stirn und diesen traurigen, für sein Alter viel zu reif blickenden Augen war allgegenwärtig.

Die Trail Blazers holten Oden im Draft nach Portland/Oregon, als Nummer eins, versteht sich. Dort wurde er empfangen wie ein König und sein Auftrag lautete schlicht, der Anführer einer Franchise zu werden, die in absehbarer Zeit nach dem Titel greift.

Der Boden dafür war bereitet. Oden war sozusagen das letzte Puzzleteil, das aus einer überragend talentierten Gruppe von jungen Spielern einen Contender machen sollte.

"Als wäre jemand gestorben"

Der Hype ist längst vorbei. Odens gesundheitliche Misere ist legendär (siehe Kasten) und zuletzt regierte nur noch das Prinzip Hoffnung, dass er bald sein Comeback schaffen und in kleinen Schritten wieder auf Wettkampfniveau geführt werden könne.

"Ende Dezember", hieß es laut Plan. Es lief alles nach Plan nach seinem fürchterlichen Kniescheibenbruch am 5.12. 2009 im Spiel gegen Houston.

"Es war wie ein Fußtritt in den Magen, als wäre jemand gestorben, der uns sehr nahe steht", beschreibt Athletik-Coach Jensen die momentane Stimmungslage bei den Blazers. "Das hat er nicht verdient. Er hat sich den Arsch aufgerissen."

"Es ist einfach nur traurig, eine schockierende Nachricht", erklärte Cheftrainer Nate McMillan auf einer außerordentlichen Pressekonferenz am Mittwoch.

Was kommt im Sommer?

Für Oden bedeutet der neuerliche Tiefschlag nicht nur weitere Monate der körperlichen und seelischen Rehabilitation, sondern weit mehr. Seine ganze Karriere steht auf dem Spiel, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Im kommenden Sommer läuft sein Vertrag in Portland aus. Oden wird dann Restricted Free Agent, was bedeutet, dass er Angebote von anderen Klubs erhalten kann, die Blazers aber das letzte Wort haben.

BLOG Hat Oden bei den Blazers eine Zukunft?

Doch will der Klub das Wagnis überhaupt eingehen, mit Oden und seiner Hypothek weiterzumachen? Im Oktober erklärten die Blazers, dass eine Vertragsverlängerung kein Thema wäre.

"Ich würde mich natürlich freuen, wenn es klappen würde. Ich verstehe aber auch, dass ich dem Management etwas beweisen muss", sagte Oden im Gespräch mit SPOX. "Ich muss mir die Verlängerung verdienen."

Am Boden zerstört

Das war wie gesagt vor zwei Wochen. Schon damals ließ Oden durchblicken, wie sehr ihm seine Situation an den Nerven zehrt.

"Ja, es ist manchmal richtig hart damit umzugehen. Du kannst soviel Selbstvertrauen haben, wie du willst, wenn du deine dir selbstgesteckten Ziele aufgrund von Verletzungen nicht erreichst, beginnt dein Selbstvertrauen langsam zu schwinden."

Nach der neuerlichen Hiobsbotschaft hat sich Oden noch nicht öffentlich geäußert. Das übernahm sein Coach für ihn: "Wie man sich denken kann, ist der Junge am Boden zerstört", sagte McMillan. "Für ihn geht alles wieder von vorne los."

An Odens Wunschzettel für Weihnachten wird sich nur geringfügig etwas ändern. Irgendwann wieder Basketball spielen, dürfte da jetzt stehen. Und man darf ihm von Herzen die Daumen drücken.

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