Genug vom Mittelmaß

Sebastian Kurzweg
03. Dezember 201112:15
Am Boden: Auch in der letzten Saison reichte es bei den Golden State Warriors nicht für die PlayoffsGetty
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Seit 2007 träumt man in Oakland von den Playoffs. Doch die Golden State Warriors waren zuletzt nur Mittelmaß im starken Westen der NBA. Mit einem TV-Experten als neuem Cheftrainer peilt man nun die Playoffs an. Aus erfolgloser Offensive soll er effektive Defensive machen. Doch der junge Coach steht bereits vor den ersten Hindernissen.

Es war nicht weniger als eine Sensation: Im Juni machten die Golden State Warriors Mark Jackson zu ihrem neuen Coach. Einen Mann, der nach seiner aktiven Karriere nur im Fernsehen mit treffenden Analysen geglänzt hatte. Erfahrung als Trainer eines NBA-Teams? Nicht vorhanden.

Obwohl die Warriors nur graues Mittelmaß sind, verspricht der Neuling mit bekannt zotigen Sprüchen die ersten Playoffs seit 2007. Er hat das Spielsystem als Grund der Erfolglosigkeit ausgemacht und will es umstellen. Doch noch vor dem Start der Saison muss er sich mit der ersten Grundsatzfrage beschäftigen - Star oder neues System?

Ihre Identität beziehen die Warriors schon lange aus einer sehr offensiven, spektakulären Spielweise. Eine solche Taktik ist zwar begeisternd und unterhaltsam für die Fans, aber wenig erfolgreich, wenn die Defensive dabei komplett vernachlässigt wird.

Schwaches Defensivverhalten

In der letzten Saison erzielten die Warriors zwar 103 Punkte pro Partie, kassierten durchschnittlich allerdings knappe 106. Außerdem waren sie das schlechteste Rebound-Team der Liga. Wer also im Schnitt mit drei Punkten verliert und nicht reboundet, der kann mit den Playoffs nichts zu tun haben.

Um die Defizite beim Rebounden zu reduzieren, verpflichtete man bereits vor der letzten Saison Rebound-Monster David Lee von den New York Knicks. Obwohl 16 Punkte und fast 10 Rebounds pro Spiel gute Werte sind, gelang es Lee aber nicht, durch seine Präsenz unter den Körben für eine merkliche Verbesserung in diesem Bereich zu sorgen. Der gewünschte Effekt seiner Verpflichtung blieb aus.

Monta Ellis - ein echter Volume-Shooter

An einer Person lässt sich die Misere der Warriors allerdings besonders deutlich machen - Monta Ellis. Der 25-Jährige ist der unangefochtene Star des Teams. Seine Spielweise symbolisiert jedoch nur zu gut die Defizite seines Teams.

Ellis ist ein Volume-Shooter wie er im Buche steht. Er spielt unfassbar spektakulär und nimmt einen Wurfversuch nach dem anderen - letzte Saison im Schnitt mehr als 20 pro Partie. Treffen konnte er davon lediglich magere 45 Prozent. Von fünf Dreierversuchen pro Spiel, Platz 17 in der Liga, traf er noch schwächere 36 Prozent.

Für die Fans ist es natürlich toll anzuschauen, wenn ihr Star 24 Punkte pro Spiel auflegt und sie mit waghalsigen Aktionen unter dem Korb zum Staunen bringt. Doch Ellis vernachlässigt in seiner Spielweise zwei essenzielle Dinge: Er spielt zu wenig ab, darüber täuschen auch die fünf Assists pro Spiel nicht hinweg. Noch viel schwerer wiegt seine schwache Defensive, welche einer schon schwachen Teamdefensive die Arbeit nicht gerade erleichtert.

Tradegerüchte um Ellis

Die Personalie Ellis spielt allerdings auch abseits des Courts eine große Rolle für die Warriors. Seit dem Draft vor zwei Jahren ranken sich diverse Trade-Gerüchte um ihn. Grund dafür ist die Wahl von Stephen Curry an siebter Stelle im Draft 2009. Zwar spielt Curry eher als Point Guard und Ellis als Shooting Guard, doch die Ähnlichkeit ihrer Spielweise ist unverkennbar. Ein effizientes Zusammenspiel zweier so ähnlicher Guards schien unwahrscheinlich.

Zu Trade-Gerüchten führte zunehmend die Tatsache, dass Curry vieles effizienter macht als Ellis. Er verteilt mehr Assists, trifft starke 44 Prozent seiner Dreier und spielt Defense. Trotzdem konkretisierte sich bisher kein Trade. Zwei personelle Entscheidungen haben die Position von Ellis in der jüngsten Vergangenheit allerdings wesentlich verändert.

Neuer Coach - Endlich Defensive

Zum einen verabschiedete man sich von Trainern, die jene erfolglose Run-and-Gun Spielweise predigten. Um die Wahl des neuen Coaches rankten sich in der Folge die wildesten Spekulationen, doch die endgültige Wahl der Golden State Warriors sorgte für einen Knall in der Medien- und Basketballwelt. Mark Jackson übernahm die Golden State Warriors und damit seinen ersten Job als NBA-Coach.

Jackson, ein ehemaliger Star-Point-Guard bei den New York Knicks, ist NBA-Fans hauptsächlich aus dem Fernsehen bekannt. Seit seinem Karriereende machte er sich als TV-Experte auf dem US-Sport-Sender "ESPN" einen Namen. Seine coolen Sprüche und Redewendungen ("Hand down, man down", "Mama, there goes that man") brachten ihm unter Fans bereits Kultstatus ein.

"Wir werden nächstes Jahr die Playoffs erreichen"

Dieser Mark Jackson, völlig ohne Coaching-Erfahrung, soll nun also Effektivität und Struktur in das Spiel der erfolglosen Warriors zurückbringen. Sein erstes markantes Statement als Coach ließ nicht lange auf sich warten: "Wir werden nächstes Jahr die Playoffs erreichen", ließ er seine ehemaligen Kollegen bei "ESPN" wissen. "Das dürft ihr als Ankündigung verstehen", verdeutlichte er seine Aussage. Der Plan für dieses ambitionierte Ziel steht allerdings vor einigen Hindernissen.

"Wenn man auf diesem Niveau gewinnen will, muss man es in der Defensive erledigen. Wir werden also ein Team sein, das stolz darauf ist, seinen Korb zu verteidigen. Wir werden besser rebounden und das Spiel aufregend gestalten", ruft der neue Coach die Marschroute seines Systems aus.

Sicher klingen die Worte des Neulings überzeugend. Doch gibt der Kader auch die Mittel her, um diesen Kurs umzusetzen? Center Andris Biedrins reboundet für einen Center nicht besonders gut. Power Forward David Lee gehört zu den schwächsten Post-Verteidigern der Liga.

Dieses Personal gehört wohl zum Schlechtesten, was die NBA in puncto Big-Men zu bieten hat. Hinzu kommen Flügelspieler wie Dorell Wright, die sich klar über die Offensive definieren. Es scheint, als wäre eine Verbesserung des Kaders nötig, um Mark Jacksons Taktik umsetzen zu können.

"Der drittbeste Shooting Guard der Liga"

Und gleich die erste Gelegenheit zum Nachbessern der Defensive wurde im Draft 2011 wahrgenommen - die zweite für Monta Ellis relevante Personalentscheidung. Mit dem elften Pick entschieden sich die Golden State Warriors für Klay Thompson. Ein Shooting Guard, der hochprozentig von außen trifft und vor allem für seine Defensive bekannt ist.

Normalerweise eine gute, defensive Alternative für Ellis. Mark Jackson wird jedoch nicht müde zu betonen, dass er "Monta Ellis im Kader will". Er sei "der drittbeste Shooting Guard der Liga". Die Entscheidung für Thompson spricht eine andere Sprache. Dieser wäre nämlich eine sinnvolle Ergänzung zu Point Guard Steph Curry, dessen Wurfversuche nicht mehr von Ellis maßloser Offensive limitiert würden.

Im Vergleich dazu stellen Ellis' fehlende Größe und Defensive, im Zusammenspiel mit Curry, ein Problem dar. Eines, das Mark Jackson zu lösen ankündigt. Eine Aussage, an der er sich ebenfalls messen lassen muss. Doch warum dann die Entscheidung für Thompson?

Monta Ellis soll noch am Abend des Drafts die Konsequenzen gezogen haben. Angeblich forderte er einen sofortigen Trade nach Ende des Lockouts. Es ist unklar, ob die Warriors Ellis nun um jeden Preis halten oder auf ihren Rookie Thompson setzen wollen.

Kein Interpretationsspielraum für Jackson

Ellis allerdings weiß um seinen Wert. Er hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt und dürfte den Wunsch hegen, bei einem Playoffs-Team zu spielen. Jackson steht also schon vor dem NBA-Saisonstart vor der ersten kniffligen Entscheidung - Star oder System?

Eine Frage, an der sich schon erfahrenere Trainer die Finger verbrannt haben. Jackson will Ellis halten und trotzdem auf Defensive setzten. Gelingt sein Kompromiss und er erreicht die Playoffs, ist er ein Kandidat für den "Coach of the Year".

Scheitert sein Versuch, dürfte auch Jackson bei den Warriors gescheitert sein. Seine vollmundigen Versprechungen und Ankündigungen lassen bei den Ergebnissen letztlich keinen Interpretationsspielraum.

So oder so, die Warriors und Mark Jackson können Nebenkriegsschauplätze wie Tradegerüchte und Kabbeleien um Positionen nicht gebrauchen. Die ambitioniert gesteckten Ziele ihres neuen Coaches sollten ohnehin für eine heiße Saison sorgen.

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