NBA

"Der Standard für selbstlosen Basketball"

Von Interview: Haruka Gruber
Stojakovic beim Three-Point-Wettbewerb des All-Star-Weekends 2004. Er gewann 2002 und 2003
© Getty

Er ist der vielleicht gefährlichste Shooter aller Zeiten. Und er ist als Teil der "Greatest Show on Court" eine NBA-Legende. Peja Stojakovic (35) über den besonderen Geist bei den Sacramento Kings und Dirk Nowitzkis Faszination.

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SPOX: Vor fast genau einem Jahr gaben Sie Ihren Rücktritt bekannt. Wie geht es Ihnen?

Peja Stojakovic: Mir geht es exzellent. Ich genieße es, erstmals in meinem Leben richtig Freizeit zu haben. Ich unternehme sehr viel mit meiner Familie und wenn es zwischendurch Leerlauf gibt, schaue ich Basketball, entweder morgens die Aufzeichnungen aus der NBA oder abends die Euroleague live. Ich kann hervorragend relaxen.

SPOX: Gibt es Pläne für eine zweite Karriere?

Stojakovic: Zurzeit noch gar nicht. Ich muss erst in mich gehen, um herauszufinden, ob ich im Basketball bleiben will. Und wenn ja, in welcher Funktion. Ich kann mir vieles vorstellen.

SPOX: Sie spielten fast 20 Jahre auf Topniveau: Erst bei Roter Stern Belgrad und PAOK Saloniki in Europa, später in der NBA bei Sacramento, Indiana, New Orleans, Toronto und Dallas. Welche Station war die schönste?

Stojakovic: Definitiv Sacramento. Ich blieb dort acht Jahre, so lange wie nirgendwo anders. Die Zeit war wunderschön - auf und außerhalb des Courts. Im Locker Room herrschte eine einzigartige Teamchemie. Morgens, wenn ein Training anstand, fühlte es sich nie so an, als ob man zur Arbeit gehen müsste. Vielmehr freute man sich darauf, Zeit mit seinen Freunden verbringen zu dürfen. Diese Harmonie war entscheidend dafür, dass wir diesen ganz besonderen Basketball zelebriert haben. Leider gelang es uns in der Zeit nicht, den letzten Schritt zu gehen und ins NBA-Finale einzuziehen.

SPOX: Damals wurde Sacramento als "The Greatest Show on Court" gefeiert. Allerdings hieß es, dass sich die Kings zu sehr am spektakulären Basketball ergötzt haben und deswegen keine Championship gewonnen wurde.

Stojakovic: Nein, eine rationale Erklärung gibt es leider nicht. Im Sport passiert es manchmal, dass ein winziges Detail riesige Auswirkungen hat. So wie der Schmetterlingseffekt: Ein Flügelschlag eines Schmetterlings löst einen Sturm aus. Bei uns war es kein Flügelschlag, sondern ein Dreier, der sich im Ring dreht und wieder rausfliegt. Oder ein verpasster Rebound oder ein Turnover. Wir sind häufig an solchen Kleinigkeiten gescheitert. Mit etwas mehr Glück hätte vieles in die komplett andere Richtung gehen können.

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SPOX: Sie betonen die "einzigartige Teamchemie" der damaligen Kings. Aber wie war das möglich? Die Mannschaft bestand aus den unterschiedlichsten Charakteren: Der früher als schwierig geltende Superstar Chris Webber, Jason Williams mit seinen Verrücktheiten, Exzentriker Scott Pollard, Vlade Divac und Sie als die serbischen Exoten. Später kamen die nicht minder selbstbewussten Mike Bibby, Hedo Turkoglu und Bobby Jackson hinzu.

Stojakovic: Was sehr geholfen hat: Chris, Jason, Scott, Vlade und ich wurden alle vor oder während der Saison 1998/99 verpflichtet. So entstand ein Gemeinschaftsgefühl - und irgendwann machte es einfach klick und wir spielten zusammen, als ob wir uns schon seit dem Kindergarten kennen würden. Außerdem hatten wir den perfekten Coach: Rick Adelman implementierte die Princeton-Offense von Pete Carril. Dieses Offensivsystem passte perfekt zu uns.

SPOX: Warum?

Stojakovic: Bei der Princeton-Offense sollen fünf Spieler auf dem Court stehen, die alle mit dem Ball umgehen können und bereit sind, den Ball zu teilen. Es soll alles im Fluss sein. Und diese Idee gefiel uns auf Anhieb. Jeder fühlte sich wohl in seiner Rolle und hatte keine Probleme, wenn er nicht den eigenen Wurf bekam, solange der Ball gut durchrotiert wurde. Das wichtigste Wort, um uns zu beschreiben, lautete Selbstlosigkeit. Ich glaube: Wir haben in der NBA den Standard dafür gesetzt, was selbstloser Basketball bedeutet.

SPOX: Nachdem Sie in Indiana, Toronto und New Orleans nicht so recht glücklich wurden, entschlossen Sie sich Anfang 2011, in Dallas zu unterschreiben. Es war Ihre letzte Chance, doch noch die Championship zu gewinnen. Warum gaben Sie den Mavs den Zuschlag?

Stojakovic: Ich sprach häufig mit Dirk Nowitzki und Coach Rick Carlisle. Ich bekam ein gutes Gefühl, weil Dallas eine ähnliche Klubkultur hat wie damals Sacamento. Für mich klang es am erfolgversprechendsten, mit Team-Basketball erfolgreich zu sein.

SPOX: Sie erlebten ihre letzte Sternstunde als Basketballer beim letzten Sieg zum Sweep gegen die Los Angeles Lakers: Sie trafen alle 6 Dreier und erzielten 21 Punkte.

Stojakovic: Ich war glücklich, wenigstens ein bisschen etwas zum Titel beigetragen zu haben. Dirk spielte das komplette Jahr fantastisch, auch Jason Kidd, Jason Terry, Shawn Marion und Tyson Chandler brachten sich super ein. Und in den Playoffs tauchte immer ein Rollenspieler aus dem Nichts auf und sprang in die Bresche. Beim letzten Spiel gegen die Lakers war ich einfach nur an der Reihe.

SPOX: 2011 verzweifelten die Gegner an Nowitzkis Erfindung, dem Flamingo Shot. Sie als Wurf-Ästhet: Finden Sie den Wurf so hässlich wie die meisten US-Experten?

Stojakovic: Das Aussehen eines Wurfs interessiert mich überhaupt nicht. Es zählt nur die Effektivität - und die ist bei Dirk immer gegeben. Er fand in den letzten Jahren unglaubliche viele Varianten, um zu seinen Punkten zu kommen. Das ist das Faszinierende an ihm.

SPOX: Sie begleiteten die Mavs während der NBA Europe Live Tour nach Berlin und Barcelona. Dabei trafen Sie die Legenden des europäischen Basketballs: Nowitzki, Barcas Saras Jasikevicius und Detlef Schrempf, neben Ihnen der Star-Gast. Gibt es Trash Talk untereinander, wer denn der beste europäische Basketballer aller Zeiten ist?

Stojakovic: Überhaupt nicht, weil sich die Frage gar nicht stellt. Es ist ganz einfach: Dirk ist der Größte.

SPOX: Hätte Drazen Petrovic bereits Nowitzki-Niveau erreichen können? Ihr damaliger jugoslawischer Landsmann verstarb 1993 nach einem tragischen Autounfall und wird seitdem in seiner kroatischen Heimat als Ikone verehrt. Der damalige NBA-Star der New Jersey Nets wurde nur 28 Jahre alt.

Stojakovic: Ich war damals erst 15, deswegen hatte ich leider nie die Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen oder mit ihm in einer Mannschaft zu sein. Dafür habe ich schon als Kleinkind seine Spiele auf Video gesehen und war begeistert von ihm. Es ist hypothetisch, darüber zu spekulieren, wie gut er noch hätte werden können. Er ist so oder so einer der besten Basketballer, die Europa je hervorgebracht hat. Er hob das damalige Niveau für Europäer auf ein neues Level, woran sich meine und Dirks Generation orientieren konnte. Ohne ihn wären wir vielleicht nie so gut geworden. Drazen war etwas ganz Besonderes.

SPOX: Als was für ein Basketballer wollen Sie selbst in Erinnerung bleiben? Obwohl Sie in der NBA fast 5 Rebounds in Schnitt holten und spektakuläre Assists gaben wie dem Behind-the-Back-Pass über das halbe Feld, scheint es, als ob Sie als reiner Shooter in die Geschichte eingehen.

Stojakovic: Die meisten stecken mich in eine Schublade. Das weiß ich, aber das ist okay. Ich sehe überhaupt keinen Grund, mich über irgendetwas zu beschweren. Ich bin einfach nur dankbar für die Karriere, die mir vergönnt war.

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