Das NBA-Abenteuer beginnt! In Chicago stellt sich Dennis Schröder den Teams vor. Berater und Mentor Ademola Okulaja, CEO von "Pro4Pros" (Profi arbeitet für Profis) über den Plan bis zum Draft am 27. Juni und den Aufstieg zum "Hot Prospect".
SPOX: Wie stressresistent muss der Berater von Deutschlands größtem Basketball-Talent sein?
Ademola Okulaja: Es ist eine aufregende Zeit, aber für mich bedeutet es keinen Stress, im Gegenteil. Mir macht die Arbeit unglaublichen Spaß. Ich gehe mit einem Lächeln ins Bett und wache mit einem Lächeln wieder auf.
SPOX: Weil Sie jeden Tag die Mock Drafts checken und Schröders Aufstieg zum "Hot Prospect" nachlesen?
Okulaja: Überhaupt nicht, ich habe nicht ein einziges Mal ins Internet geschaut, weil das für mich irrelevant ist. Der Begriff "Mock Draft" erklärt sich von selbst: "Schein-Draft". Es kann so viel passieren. Viel wichtiger ist es, konkrete Gespräche zu führen, die so verbindlich wie möglich sind. Deswegen bin ich seit Montag wieder in den USA. Man merkt im direkten Gespräch mit den echten Insidern, dass die sogenannten Draft-Experten in der Vergangenheit teilweise richtig lagen - und teilweise sich nur etwas aus dem Fingern saugen.
SPOX: Dennoch besitzen die Mock Drafts eine gewisse Aussagekraft. Am höchsten wird Schröder auf Platz 12 gerankt, am tiefsten auf Platz 23. Heißt: Es ist davon auszugehen, dass er in der ersten Runde gezogen wird?
Okulaja: Die Leute sagen tatsächlich, dass Dennis einer für die erste Runde sei. Wo genau, ist komplett offen - und eigentlich egal. Unabhängig davon, dass ein Höhergepickter ein höheres Gehalt garantiert bekommt. Viel wichtiger als die Draft-Position ist das Team, das ihn zieht. Nur als Beispiel die Los Angeles Clippers in dieser Saison: Sie hatten Chris Paul unter Vertrag und dazu Jamal Crawford, Chauncey Billups und Eric Bledsoe. Wie hätte Dennis dort Minuten gesehen? Die Clippers sind eine tolle Franchise, doch für uns ist die realistische Einsatzchance entscheidend.
SPOX: Es klingt, als ob Schröder angesichts der guten Aussichten definitiv in der Draft-Liste bleibt.
Okulaja: Davon gehe ich aus, ja.
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SPOX: Rufen viele Teams an?
Okulaja: Ich bekomme viele Anrufe, das stimmt. Wobei es nicht so konkrete Gespräche sind, eher Small Talk: Es geht mehr darum, welchen Pick das Team hat und ob Dennis grundsätzlich bereit wäre zu einem Einzeltraining als Showcase. Erst nach dem Einzeltraining und dem anschließen Kennenlernen-Interview entsteht bei den Teams eine interne Liste mit ihren Prioritäten beim Draft. Da wird es verbindlicher. Was ich sagen kann: Sehr viele Teams mögen ihn. Ich schätze, dass er schon jetzt bei mindestens zwei Drittel der Teams zumindest auf der vorläufigen Liste steht. Die Sache ist: Mögen und tatsächlich draften sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Jetzt ist es unser Job zu überlegen, bei welchen Teams es sich am meisten lohnt vorzuspielen.
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SPOX: Wie sieht der weitere Zeitplan aus?
Okulaja: Dennis war bis Anfang der Woche in Braunschweig und bereitete sich im Einzeltraining mit Jugendcoach Liviu Calin vor. Entscheidend sind die Tage jetzt vom 15. bis 19. Mai, wenn wie jedes Jahr fünf Tage lang in Chicago der Draft Combine stattfindet. Die NBA lädt jeden Spieler, dem sie die größten Chancen bei den Drafts ausrechnen, ein. Und dort wirst du komplett gecheckt: Die sozialen Fähigkeiten im Interview und vor allem körperliche Parameter. Angefangen von der Schuhgröße und Armspannweite bis hin zur Funktionalität von Herz und Lunge. Da wird wirklich alles getestet. Nach den fünf Tagen stehen allen Teams die Daten zur Verfügung, sodass die Draft-Kandidaten nicht überall das gleiche Prozedere durchmachen müssen.
SPOX: Wie geht es nach dem Draft Combine weiter?
Okulaja: Dennis bleibt in den USA, um eine Woche mit einem Personal Trainer individuell zu arbeiten und in Form zu bleiben. Ich bin parallel ebenfalls in den USA und kläre mit den Teams, bei wem Workouts den meisten Sinn machen. Wenn diese feststehen, wird Dennis 10 bis 14 Tage unterwegs sein und im Rhythmus von zwei bis drei Tagen zu den ausgewählten Mannschaften fliegen und sich begutachten lassen.
SPOX: Ein interessiertes Team könnte Dallas sein, das wahrscheinlich einen niedrigen Lottery Pick, also zwischen Platz 10 und 14, zugelost bekommt. Besonders die Point-Guard-Position erwies sich in dieser Saison als größte Schwachstelle.
Okulaja: Ich kenne jede Mannschaft, die Bedarf nach einem Point Guard hat. Aber es gibt so viele Möglichkeiten durch Buyouts, Trades und weitere Unwägbarkeiten, sodass es wenig Sinn macht, über einzelne Teams zu spekulieren.
SPOX: Dennoch die Nachfrage: Hätte es einen gewissen Charme, wenn Schröder neben Dirk Nowitzki in der NBA debütiert?
Okulaja: Natürlich wäre es reizvoll, wenn Dennis einen Landsmann als Superstar-Veteranen an der Seite wüsste, der einem vieles in der eigenen Sprache erklärt und die Kultur teilt, mit der man aufgewachsen ist. Es wäre ein großer Vorteil. Und ich glaube, dass es auch spielerisch passen könnte. Wenn ich mal so frech das sagen darf: Dirk hätte bestimmt gerne mal mit Dennis in der Nationalmannschaft gespielt, weil er durch ihn zu ein paar leichten Würfen gekommen wäre. (lacht)
SPOX: Ist Ihnen aufgefallen, dass in Deutschland Schrödes NBA-Ambitionen überwiegend kritisch kommentiert werden?
Okulaja: Auf jeden Fall. Das ist offenbar immer so, wenn man etwas wagt. Ich habe nichts dagegen. Es soll jeder eine Meinung haben. Das Gute an Dennis: Er ist so gestrickt, dass er jedes falsche Vorurteil in Benzin umwandelt und immer weiter an sich arbeitet, um es den Kritikern zu zeigen. Es gibt namhafte Basketball-Profis, die vor einem Jahr Dennis gesagt haben, dass er wenn überhaupt ein paar Minuten in der BBL spielen darf, wenn er mal 25 ist. Da sieht man, wie übertrieben skeptisch einige sind.
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SPOX: Ein häufig zu vernehmender Einwand: Bayerns Robin Benzing lieferte in seiner ersten BBL-Saison bei Ulm auch schon 12,5 Punkte - und scheint jetzt mit 24 trotz gleicher NBA-Ambitionen weit weg von der NBA.
Okulaja: Dennis und Robin sind kaum vergleichbar, nicht nur wegen der unterschiedlichen Positionen. Dennis bringt ganz andere Voraussetzungen mit, alleine schon von der Athletik trennen die beiden Welten. Ein großer Spieler wie Robin muss vor allem anfangs nicht so athletisch sein, Dennis hingegen war schon immer auf die Athletik angewiesen. Daher passt er viel besser in die NBA mit seinem gesamten Game, dem Fast Break, dem Up-Tempo. Dazu eine Qualität, die viele vergessen: Dennis' Coast-to-Coast-Verteidigung. Seine laterale Fußbewegung ist in der BBL einzigartig. Wenn er sich in einen reinbeißt, kommt kaum einer vorbei.
SPOX: Sind das nur die Lobgesänge seines Beraters?
Okulaja: Nein! Ich versuche, jeden Spieler objektiv zu beurteilen, egal ob ich ihn berate oder nicht. Dennis erwarten große Herausforderungen, das ist uns bewusst. Alleine schon die Umstellung auf ein neues Land und eine neue Kultur, die er verkraften muss. Die physische Umstellung wird ebenfalls nicht einfach. Dennis muss nicht so breit werden wie früher Tim Hardaway mit gefühlten 110 Kilogramm als Point Guard, doch er muss stärker werden, um sich in der NBA zu behaupten.
SPOX: Wegen Ihrer Fürsorge werden Sie häufig als Ersatz-Vater von Schröder bezeichnet, weil dessen Vater früh verstarb und er sich ein Tattoo von Ihnen stechen ließ. Sie selbst mögen die Bezeichnung nicht besonders. Warum?
Okulaja: "Ersatz-Vater" ist mir ein zu tiefgehender Begriff, weil ich weiß, wie eng die Beziehung zwischen ihm und seinem leider viel zu früh verstorbenen Dad war. Wie für jeden meiner Spieler empfinde ich einfach nur sehr großen Respekt für Dennis. Umso erstaunter war ich, als ich von Dennis eine SMS bekam: "Ademola, ich habe eine Überraschung geplant, ich melde mich in ein paar Stunden." Irgendwann schickte er mit ein Bild vom Tattoo - und ich dachte mir nur: "Mein Gott!"
SPOX: Woher kommt Ihre enge Bindung?
Okulaja: Es gibt viele Gemeinsamkeiten: Wir waren in der Jugend rebellisch, weil wir missverstanden wurden. Daher weiß ich, was in ihm vorgeht. Früher erklärte man ihm schlichtweg nicht, wie er sich verhalten soll, obwohl es ihn danach gedurstet hat, Regeln zu hören und zu verstehen. Nur es war niemand da. Daher setzte ich mich irgendwann mit ihm zusammen und wir sprachen teils ganz banale Sachen an. Seitdem versteht er es. Und jetzt sieht man, dass er kein böser Mensch ist. Er ist sehr lernwillig. Das lässt sich alleine an seiner sportlichen Entwicklung nachzeichnen. Wie er die Dreierquote innerhalb einer Saison von 12 auf teilweise über 50 Prozent gesteigert hat, zeigt nicht nur sein basketballerisches Können, sondern zugleich seine menschliche Qualität.
SPOX: Sie beraten mit Daniel Theis ein zweites deutsches Talent, das auf der Draft-Liste steht. Bei ihm geht es allerdings nur darum, Aufmerksamkeit zu erregen und den eigenen Marktwert zu testen?
Okulaja; Nein, nein, einfach nur so den Namen reinzupacken, macht keinen Sinn. Es gibt ein gewisses Interesse. Nur bei Daniel ist es anders als bei Dennis: Er steht mit Ulm im Playoff-Halbfinale, daher soll er sich voll auf die BBL konzentrieren. Wir hoffen auf den Finaleinzug und vielleicht sogar den Titelgewinn. Wenn Ulm tatsächlich ins Endspiel einzieht, werden wir ihn wahrscheinlich aus dem Draft nehmen, weil er so das Eurocamp in Treviso verpassen würde, das zeitgleich stattfindet. Nur wenn Ulm vorzeitig ausscheidet, ist es unser Plan B, dass er nach Treviso fährt, um sich den Scouts zu zeigen. Aber das Hauptaugenmerk liegt ganz klar auf Ulm und den Playoffs.
SPOX: Schröder und Theis besitzen laufende Verträge in Braunschweig und Ulm. Was passiert, wenn sie gedraftet werden?
Okulaja: Beide besitzen NBA-Klauseln in Ihren Verträgen.
SPOX: Wie ist es mit einer Klausel für einen Topklub in Deutschland oder Europa? Die Bayern sollen Schröder sehr interessant finden.
Okulaja: Dazu darf ich nichts sagen.
SPOX: Wie ist es mit Theis?
Okulaja: Er fühlt sich in Ulm sehr wohl. Letzte Saison durfte er in Braunschweig teilweise gar nicht spielen, jetzt steht er sogar in der Starting Five an der Seite des zweimaligen Liga-MVP John Bryant. Und falls Daniel beim Draft berücksichtigt wird, heißt das ja nicht automatisch, dass er sofort rübergeht.
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SPOX: Sie arbeiten erst seit zwei Jahren als Berater und betreuen trotzdem zwei vielversprechende deutsche NBA-Hoffnungen. Wie verlief die Zeit nach dem Ende der aktiven Karriere 2009?
Okulaja: Zunächst legte ich ein Sabbatical-Jahr ein, um das Leben zu genießen. Daraufhin war ich ungefähr ein weiteres Jahr nur unterwegs und machte nichts außer verschiedene Klubs in Deutschland und Europa zu besuchen, um deren Jugendarbeit genau zu analysieren. Ich war in Paris, in vielen Städten in Spanien, in der Türkei, in Berlin, Bamberg, Bonn, Ludwigsburg und Braunschweig. Ich wollte mir von den verschiedensten Konzepten selbst ein Bild machen und mit den Coaches und Lehrern sprechen, damit ich als zukünftiger Spielerberater für die Talente fundiert zur Hilfe sein kann.
SPOX: Sie absolvierten außerdem das Euroleague Basketball Institute. Eine Einrichtung der Euroleague, die die zukünftigen Top-Manager des europäischen Basketballs ausbildet.
Okulaja: Es ist ein Studiengang, den die Euroleauge gemeinsam mit der Universität Venedig anbietet und der überall voll als Master anerkannt wird. Nachdem ich am College schon den Bachelor-Abschluss gemacht hatte, war es mir wichtig, auch im wissenschaftlichen Bereich auf das Leben nach der aktiven Karriere so gut wie möglich vorbereitet zu sein.
SPOX: Waren Sie nach dem Beginn der Berater-Tätigkeit 2011 gleichwohl überrascht, wie hart es im Geschäft zugeht?
Okulaja: Es ist auf jeden Fall ein Haifischbecken.
SPOX: Seit der damals erfolgreichste deutsche Berater Marko Pesic 2011 bei den Bayern als Sportdirektor anfing und seine Agentur verkaufte, ist in der BBL teilweise eine Anarchie eingekehrt mit rüden Abwerbungsversuchen. Wie sehr fürchten Sie sich, dass Schröder oder Theis zu einem anderen Berater wechselt?
Okulaja: Mir ist klar: Wenn man in der Branche schüchtern ist, wird man wie ein Goldfisch von den Haien gefressen. Dennoch versuche ich, das Wichtigste nicht zu vergessen: den Charakter. Bedeutet: Ich möchte einen Spieler, der ein super Talent mitbringt, sich jedoch wie ein Möchtegern-Gangster oder eine Diva verhält, nicht beraten. Und das aus logischen Gründen. Wer nur aufs Geld achtet, ist nicht loyal. Wer einen starken Charakter mitbringt, der lässt sich nicht von illusorischen Versprechungen beirren, sondern bleibt bei dem Berater, mit dem er sich am besten weiterentwickeln kann.
SPOX: Und der sind Sie?
Okulaja: Ich möchte nicht prahlen, aber: Ich habe mir dank meiner früheren Profi-Karriere ein finanzielles Polster zugelegt, sodass ich nicht nur an den schnellen Euro denken muss, sondern mir die richtige Strategie aussuchen kann, die sich langfristig für alle auszahlt.
SPOX: Einen ähnlichen Weg wie Sie ging bereits der angesprochene Marko Pesic. Er war selbst erfolgreicher Nationalspieler, absolvierte das Euroleague Basketball Institute, wurde zum erfolgreichen Spielerberater - und ist nun Geschäftsführer des FC Bayern. Sehen Sie sich zukünftig im Front Office?
Okulaja: Vorweg: Vor dem, was Marko in den letzten Jahren geschafft hat, kann man nur den Hut ziehen: Good Job! Es gibt wenige Ex-Sportler, denen so etwas gelungen ist. Ich bin allerdings gerade so drin als Spielerberater und das macht mir so viel Spaß, dass ich mir einen Wechsel nicht vorstellen kann - zumindest vorerst. Ich schaue einfach, was die Zukunft bringt.