Ein Dominoeffekt ist laut Definition "eine Abfolge von Ereignissen, von denen jedes einzelne zugleich Ursache des folgenden ist und die alle auf ein einzelnes Anfangsereignis zurückgehen." Die Verhinderung des Chris-Paul-Trades löste eine solche Abfolge aus, wie nur wenige andere Ereignisse in der NBA-Geschichte. Der ursprüngliche Deal sollte wie folgt aussehen:
Lakers erhalten: Chris Paul
Hornets erhalten: Kevin Martin, Luis Scola, Goran Dragic, Lamar Odom, Erstrundenpick
Rockets erhalten: Pau Gasol
Die Hornets waren allerdings zu dieser Zeit auf der Suche nach einem neuen Besitzer und wurden solange von den 29 anderen NBA-Besitzern und David Stern verwaltet. Dass CP3 gehen würde, war klar, das obenstehende Paket galt jedoch als nicht gut genug. Wenige Tage später wurde dann ein zweiter Deal akzeptiert, der Chris Paul tatsächlich nach L.A. schickte - aber zu den Clippers:
Clippers erhalten: Chris Paul, zwei zukünftige Zweitrundenpicks
Hornets erhalten: Eric Gordon, Chris Kaman, Al-Farouq Aminu, Erstrundenpick
Stern kommentierte damals: "Ich wusste, dass wir das Beste für New Orleans taten und das war mein Job. Man muss zu dem stehen, was man für richtig hält. Ich muss gestehen, dass es keinen großen Spaß gemacht hat, aber dafür werde ich auch nicht bezahlt." Das kritische Echo in der Basketballwelt war ohrenbetäubend.Die Auswirkungen auf...die Hornets
Auch wenn der Vorgang an sich kritisiert wurde, galt der zweite Deal unter Experten tatsächlich als besser für New Orleans. Eric Gordon galt als kommender Star, Aminu war ebenfalls ein vielversprechendes Talent und Kaman ein ehemaliger All-Star. Gebracht haben diese Spieler den Hornets aufgrund von Verletzungsproblemen kaum etwas, was ironischerweise zur wichtigsten Veränderung führte: Der Draft-Lottery.
Die Hornets durften an Position eins wählen und gewannen damit die "Unibrow Sweepstakes". Soll heißen: Sie erhielten den Zuschlag für Big Man Anthony Davis, der mit unglaublichen Vorschusslorbeeren in die Liga kam und in seiner ersten Saison immerhin schon 13,5 Punkte und 8,2 Rebounds pro Spiel auflegte.
Im Sommer 2013 holte New Orleans mit Jrue Holiday und Tyreke Evans namhafte neue Spieler und änderte den Teamnamen. Ob die Entscheidung von David Stern damals wirklich die beste für die heutigen Pelicans war, wird man erst in ein paar Jahren sagen können, wenn sich das Team mit seinen jungen Spielern entwickelt hat. Bisher sieht die Zukunft jedoch recht vielversprechend aus, auch wenn sich dies über den Umweg des Drafts ereignet hat.
Die Auswirkungen auf...die Lakers
Die Lakers schienen sich zunächst gut von dem Veto zu erholen. Zwar verließ Lamar Odom L.A. in Richtung Dallas, da der Trade seine Gefühle verletzt hatte. Dafür entwickelte sich Center-Talent Andrew Bynum zum All Star. Genau der Spieler, den die Lakers in einem Trade für Chris Paul nicht abgeben wollten.
In den Playoffs 2012 schieden die Lakers in der zweiten Runde aus. Es musste also nachgelegt werden. Das gelang den Verantwortlichen so gut, dass die Lakers-Fans im Kopf schon die nächste Meisterfeier durchplanten...zunächst wurde mit Steve Nash das seit Jahren benötigte Upgrade auf der Position des Point Guards geholt. Dann kam Dwight Howard, das vermeintliche zukünftige Gesicht der Franchise.
Der weitere Verlauf der Geschichte ist bekannt. Die Lakers spielten eine enttäuschende Saison und schafften es gerade so in die Playoffs, wo sie ohne Kobe Bryant sang- und klanglos ausschieden. Im Juli wurde Dwight Howard dann zum ersten Star seines Formats, der sich jemals gegen einen Verbleib bei den Lakers entschied, nachdem er weder mit Coach Mike D'Antoni noch mit Kobe Bryant gut auskam.
Wäre das auch mit Chris Paul passiert? Unwahrscheinlich. Statt des sehr betagten Triumvirats Bryant, Pau Gasol und Nash hätte man ohne Veto Paul, Howard und Bryant ins Rennen schicken können. Nash würde heute vermutlich in seiner Heimat Kanada für die Raptors auflaufen. Stand heute sind die Lakers der große Verlierer, auch wenn sie im nächsten Sommer jede Menge Cap Space haben.
Die Auswirkungen auf...die Rockets
Schon lange hatte Rockets-GM Daryl Morey versucht, einen Star nach Houston zu holen. Der Trade mit den Lakers und Hornets war nicht der erste Versuch, Pau Gasol zu bekommen. Jetzt schien es endlich geschafft. Schien. Die Enttäuschung damals war groß - hätte Morey damals gewusst, wie es seitdem für seine Mannschaft gelaufen ist, er hätte vor Freude kaum stillsitzen können.
Denn heute haben die Rockets mit James Harden, Jeremy Lin, Dwight Howard, Chandler Parsons und Ömer Asik einen der vielversprechendsten jungen Kader der NBA. Hätte man Harden nach dem Gasol-Trade bekommen können? Kaum, schließlich war Kevin Martin Kern des Pakets, das Houston für den Bärtigen nach Oklahoma City schickte.
Hätte man Dwight Howard bekommen? Auf keinen Fall. Der wäre entweder in Los Angeles geblieben oder hätte sich ein Team ausgesucht, das besser zu seinen Talenten passt. D12 braucht Platz in der Zone und tut sich schwer, neben einem zweiten Low-Post-Spieler zu koexistieren - das war über weite Teile der letzten Saison bei den Lakers zu sehen.
Von den drei Parteien des "Veto-Trades" steht Houston derzeit klar am besten da. Ob aus der Truppe schnell ein Meisterteam werden kann, wird sich zeigen müssen; insbesondere Howard hat in dieser Hinsicht noch einiges zu beweisen. Trotzdem sollte sich Daryl Morey schon mal überlegen, einen Dankesbrief in feinster Schreibschrift und mit ein paar Schnörkeln an David Stern zu schicken.
Die Auswirkungen auf...die Clippers
Wo soll man anfangen? Der Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung, den die Clippers seit der Ankunft von Chris Paul durchgemacht haben, ist nichts anderes als eine Kehrtwende um 180 Grad. Von der ewigen Loser-Franchise zum Contender, vom "hässlichen kleinen Bruder" der Lakers zum heißesten Team der Stadt.
Natürlich hatte auch die Ankunft von Blake Griffin im Jahr zuvor einen elektrisierenden Effekt auf die Fans, trotzdem werden die Clips erst seit Paul ernstgenommen. In den vergangenen Jahren reichte es zwar noch nicht zum ganz großen Wurf, in diesem Sommer wurde jedoch die größte vermeintliche Schwachstelle der Mannschaft ausgemerzt - und auch hier hatte Paul seine Finger im Spiel.Vinny Del Negro war als Coach nicht die Ideallösung in L.A., da waren sich Experten, Fans und offenbar auch die Spieler einig. Chris Paul soll eine entscheidende Rolle dabei gespielt haben, den Trainer durch den ehemaligen Celtics-Coach Doc Rivers zu ersetzen. Er soll sogar damit gedroht haben, seinen auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern.
Im Endeffekt mussten die Clippers für Paul sogar kaum Gegenwert abgeben, wenn man sich die bisherige Verletzungshistorie von Eric Gordon anschaut. Das Veto war für die "andere" Franchise aus L.A. also ein absoluter Glücksfall und die einmalige Chance, den Stadtrivalen endlich zu übertrumpfen.
Die Kettenreaktion
Das Veto hat das Dasein von vier NBA-Teams entscheidend verändert. Die Rockets und Clippers wurden von wenig ernstzunehmenden Teams zu legitimen Titelanwärtern. Die Pelicans verfügen zumindest über einen talentierten Kader. Und die Lakers stehen momentan nicht vor einer potenziellen Dynastie, sondern vor einem momentanen Scherbenhaufen.
Natürlich hat die Entscheidung auch noch weitere Wellen geschlagen. Nehmen wir Lamar Odom, der als Steal für die Mavs galt und sich dort völlig lustlos ins Abseits manövrierte. Oder die Sixers, die mit dem Experiment Andrew Bynum grandios scheiterten und sich nun im Rebuild-Modus befinden.
David Stern wird im Februar 2014 seine 30-jährige Karriere als Commissioner beenden. Unter seiner Regie wurde die NBA zu dem globalen Giganten, der sie heute ist. Zu einer der populärsten Profiligen der Welt. In seiner Amtszeit gab es viele Entscheidungen, welche die NBA-Landschaft entscheidend verändert haben. So kontrovers wie das Veto zum Trade von Chris Paul, waren wohl nur die wenigsten von ihnen.