Russell über Zeit bei den Celtics: "Schöner als der Himmel"
Trotz der Verlockungen des aufkommenden NBA-Geschäfts verstand Russell die Celtics stets als seine Familie, die es zu beschützen galt. Als sich nach einem der unzähligen Meistertitel zahlreiche Journalisten und Kameraleute in der Celtics-Kabine herumtummelten, schmiss er zu allererst sämtliche Pressevertreter aus der Umkleide, da dieser "magische Moment einzig und alleine der Mannschaft gehören sollte."
Für den Center gab es ohnehin kein schöneres Gefühl, als inmitten seiner langjährigen Teamkollegen Siege zu feiern. "Im Vergleich zu meinen Tagen bei den Celtics hätte selbst der Himmel nicht schöner sein können," schwärmte Russell einmal im Rückblick auf seine Zeit in Boston.
Bill Russell: Der Anti-Chamberlain
Russells unvergleichliche Karriere war jedoch nicht nur von den elf Meistertiteln geprägt. Einen wesentlichen Bestandteil seines noch heute anhaltenden Mythos machte die ausgeprägte Dauerrivalität zu Wilt Chamberlain aus. Insgesamt 142 Mal trafen die beiden dominantesten Center ihrer Ära aufeinander (Bilanz: 88-54 für Russell). Der besondere Reiz ihrer Duelle lag nicht nur darin, dass sie sich des Öfteren in den Playoffs über den Weg liefen, sondern dass beide Spieler kaum unterschiedlicher hätten sein können.
Auf der einen Seite der mannschaftsdienliche, vereinstreue und erfolgsorientierte Russell, der immer dann ablieferte, wenn es von ihm verlangt wurde. Auf der anderen Seite der eher selbstverliebte Lebemann Chamberlain, der zwar vom Talent her Russell deutlich in den Schatten stellte, bei dem andere Spieler und Journalisten aber trotzdem immer irgendwie das Gefühl hatten, als würde er nicht an seine Leistungsgrenze gehen.
Es ist bezeichnend, dass Russell selbst in dem Jahr (1962) die MVP-Trophäe abräumte, als Chamberlain über 50 Punkte im Schnitt auflegte. Die Russell-Chamberlain-Debatte bleibt aber weiterhin eine der am meisten diskutierten in der Geschichte der NBA und verfolgt die Fan-Gemeinde auch noch fünfzig Jahre später. Bill Simmons hat dieser kontroversen Thematik in seinem "Book of Basketball" sogar ein ganzes Kapitel gewidmet.
Bill Russell: Bürgerrechtler und Pionier
Gründe für Russells Legendenstatus sind jedoch auch außerhalb des Courts zu finden. Vor allem im immer stärker aufkommenden Kampf gegen den Rassismus bezog der Center in den sechziger Jahren mehrmals deutlich Position. Als die Celtics 1962 zu einem Show-Match in Kentucky antreten sollten, weigerten sich Russell und seine dunkelhäutigen Teamkollegen aufzulaufen, nachdem ihnen in einem lokalen Restaurant die Bedienung verweigert worden war. Der "Streik" sorgte landesweit für Aufsehen und die Celtics-Spieler um Rädelsführer Russell wurden von den Bürgerrechtlern für ihren Mut gefeiert.
Russell engagierte sich aktiv in der Black-Power-Bewegung und trat regelmäßig an der Seite von Muhammad Ali sowie anderer prominenter Bürgerrechtler auf. Martin Luther King wollte den Celtics-Star 1963 bei dem Marsch auf Washington sogar als Redner gewinnen, doch Russell lehnte mit der Begründung ab, "er habe im Gegensatz zu all den freiwilligen Helfern doch gar nichts zu dieser Veranstaltung beigetragen." Als Russell 1966 in seiner Funktion als Spielertrainer zum ersten dunkelhäutigen Coach der NBA befördert wurde, war seine Pionierrolle endgültig perfekt.
Bill Russell: Schwieriges Verhältnis zu Celtics-Fans
War Russell in vielerlei Hinsicht unantastbar, so war sein Verhältnis zu den Celtics-Fans bis vor einigen Jahren mehr als ausbaufähig. Geprägt von zahlreichen rassistischen Anfeindungen in seinem Leben sah er lange Zeit nur das Schlechte in jedem Menschen. Er war der Ansicht, dass die Gesellschaft ihn im Stich gelassen hatte, und entschied sich deshalb im Gegenzug dafür, der Gemeinde auch nichts zurückzugeben. Russell hatte das Vertrauen in die Menschen derart verloren, dass er selbst Kindern Autogrammwünsche verweigerte.
"Ich spiele für die Celtics, nicht für die Menschen der Stadt Boston. Ich schulde dem Publikum genau das Gleiche, was es mir schuldet: rein gar nichts," lautete sein Credo bezüglich der grün-weißen Anhängerschaft. Als seine Rückennummer 1972 an die Hallendecke des Boston Garden gezogen wurde, blieb er der Veranstaltung ebenso fern, wie der bei seiner Aufnahme in die Hall of Fame im Jahre 1975.
Bill Russell: Aussöhnung und Anerkennung im Alter
Im Laufe der Zeit ist er allerdings milder geworden, sodass eine Annäherung mit den Fans endlich möglich war. Unter minutenlang andauernden stehenden Ovationen war ein sichtlich bewegter Russell 1999 Zeuge, als sein Trikot unter das Hallendach des neu errichteten TD Garden gehievt wurde. Dass zudem die Trophäe des Finals-MVP seit 2009 seinen Namen trägt, beweist seinen prominenten Platz in der NBA-Geschichte.
Inzwischen schmückt auch ein großes Russell-Monument die Bostoner City Hall Plaza. Ein lebensgroßer bronzener Russell wird dabei von zehn Sockeln umgeben, auf denen Schlagwörter und Zitate aus seinem Leben zu lesen sind. Elf Kunstwerke für elf Meisterschaften. An solch einem Monument gehen die Kinder aus Boston sicherlich auch nicht einfach vorbei.