Eine NBA-Saison ist lang. 82 Spiele plus, im Idealfall, Playoffs - und all das dicht gedrängt in acht Monate. Vielen kommt das All-Star Weekend da nicht ungelegen. Ob nun Teilnehmer oder Außenstehende - vom 14. - 16. März lässt es sich ein wenig ausspannen, Spaß haben, Abstand gewinnen vom stressigen Ligaalltag. Von Pause oder Ruhe möchte Damian Lillard aber offenbar nichts wissen.
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Rising Stars Challenge. Dunk- und Dreier Contest. Skills Challenge. Nicht zu vergessen, der Höhepunkt des Wochenendes, das Spiel der Besten aus dem Westen gegen ihre Pendants aus Osten. Als erster Spieler der Geschichte nimmt Lillard damit an fünf Wettbewerben des All-Star Weekends teil. Möglich wären im Übrigen sechs. Einzig die Shooting-Stars Challenge lässt der Point Guard aus.
Irgendwie macht es den Anschein, als könne Lillard nicht genug bekommen von dieser Saison. Einer Saison, in der die Portland Trail Blazers endlich dort angekommen sind, wo sie sich seit Jahren hinsehnen. Im Playoff-Rennen - und dann auch noch ganz vorne mit dabei. Denn allem Anschein nach hat man in Oregon mittlerweile tatsächlich ein Team aufgebaut, das sich mit den Besten messen kann.
Höhenflug und Kritik
So stellen die Blazers derzeit nicht nur die gefährlichste Offense der Liga (107,9 Punkte pro Spiel), schließen äußerst effektiv von jenseits der Dreierlinie ab (38,1 Prozent 3FG, Rang vier), sie belegen noch dazu Rang fünf der Western Conference und dürfen in den Playoffs weiter auf den Heimvorteil hoffen. Mit jenem Team, das die Postseason 2013 mit 33 Siegen und 49 Niederlagen noch deutlich verpasste, haben die Blazers anno 2014 nicht mehr viel gemein.
Dank GM Neil Olshey, dank Coach Terry Stotts, dank der Neuverpflichtungen um Robin Lopez, dank LaMarcus Aldridge - und eben dank Damian Lillard. Obwohl er als Sophomore über zwei Minuten weniger auf dem Court steht als während seiner Rookie-Saison, hat sich der Point Guard in Sachen Rebounds (3,7 gegenüber 3,1) und bei den Punkten (20,7 gegenüber 19) noch einmal gesteigert und seine Turnover gleichzeitig reduziert (2,3 gegenüber 3). Noch dazu fällt der Dreier beinahe so konstant wie jener der beiden Splash Brothers aus Golden State (Steph Curry: 40,9 Prozent und Klay Thompson: 40,7 Prozent; Lillard: 40,1 Prozent).
Nun begleiten Portland jedoch bereits seit seinem starken Saisonstart Zweifel. Zu abhängig seien die Blazers weiterhin von Aldridge und Lillard. Zu stark sei das Spiel auf den Jumper, den unbeliebtesten Wurf im Basketball, zugeschnitten. Und tatsächlich scheinen die Kritiker in den letzten Wochen mehr und mehr Recht zu bekommen. Schließlich gewannen die Blazers lediglich vier ihrer vergangenen zehn Spiele. Irgendwie, so macht es den Anschein, haben sie ihren Rhythmus ein wenig verloren.
Shooting-Probleme
Auch Damian Lillard. Sein Punkteschnitt fiel in den vergangenen zehn Spielen auf 19,3 Zähler. Gegen die Thunder, Wolves und Knicks gelangen dem Playmaker lediglich 16, 14 respektive 12. Noch gravierender fällt der Abwärtstrend allerdings von Downtown aus. Zählte Lillard während der ersten Saisonmonate noch zu den verlässlichste Schützen, so trifft er im Februar bislang lediglich 28,6 Prozent seiner Dreier.
Besonderes problematisch ist das deshalb, weil Lillard direkt am Ring ligaweit unterdurchschnittlich abschließt (42,66 Prozent). Zum Vergleich: Steph Curry, der nicht minder gern von draußen abdrückt, trifft über die Hälfte seiner Würfe in unmittelbarer Brettnähe (51,55 Prozent).
Fällt der Wurf nun nicht, ist Portlands Playmaker einer seiner Primärwaffen beraubt und muss sich unter Umständen auf weniger geliebte Abschlüsse verlegen - oder aber, weiterwerfen, bis die Sicherheit von draußen zurückkehrt. Weder Szenario Nummer eins noch Nummer zwei mutet sonderlich erstrebenswert an.
Schwache Defense
Zudem ist Lillard nicht ganz unschuldig an Portlands Hauptproblem, dem großen D. Verteidigen funktioniert in Oregon nämlich ähnlich gut wie Drum-and-Bass auf einer Kaffeefahrt. Einzig die Nuggets, Lakers und Sixers lassen mehr Punkte zu als die Blazers (103,7) - nicht gerade Teams, mit denen sich Portland in den Playoffs zu messen hat.
Und Lillard müsste schon aufs Dreisteste lügen, würde er sich von jeglicher Beteiligung freisprechen. Der Playmaker zählt schlicht und ergreifend zu den schwächeren Individualverteidigern auf der Eins, weshalb Nicolas Batum mittlerweile immer häufiger und früher das Verteidigen gegnerischer Point Guards übernehmen muss, um seinen eigenen Einser zu entlasten, der selbst dennoch defensives Faustpfand bleibt.
"Aber weshalb wird dieser Damian Lillard dann All Star?", werden einige nun fragen. Ganz einfach, weil er trotz aller Fehler, trotz aller Schwäche, die nun mal jeder Spieler mitbringt, eine sehr gute Saison spielt. Oder mit den Worten von Kobe Bryant: "Sollte ich nicht am All-Star Game teilnehmen, wäre mein Ratschlag, für die Damian Lillards dieser Welt zu voten. Denn sie haben es mehr als verdient."
Crunchtime-Spezialist Lillard
Angesichts ihrer eigenen Clutch-Vergangenheit dürften der Black Mamba speziell Lillards Auftritte in entscheidenden Phasen imponieren. Immerhin trifft der Point Guard während der finalen drei Minuten eines Viertels stolze 44,9 Prozent seiner Würfe, beträgt der Unterschied weniger als 5 Zähler immer noch 40,7 Prozent. In der Verlängerung sind es sogar überragende 80. Gegen die Kings legte Lillard im Schlussviertel sogar 26 Punkte (7/11 FG, 5/8 3FG) auf und stellte damit einen neuen Franchise-Rekord auf.
Beinahe hätte es nach einem 83:102-Rückstand acht Minuten vor Schluss so noch zum Comeback gereicht. Beinahe. Coach Stotts war dennoch voll des Lobes. "So spielt Damian einfach", kommentierte er die Leistung seines Aufbaus. "Er ist ein Wettkämpfer und hat nie das Gefühl, als wäre er aus dem Spiel. In den beiden Jahren, die er hier ist, hat er so viel für uns getan. Er ist ein spezieller Spieler."
Sollten noch Zweifel an der Berechtigung derartiger Aussagen bestanden haben, so brachte Lillard Ende Dezember ein Kunststück fertig, an dem wohl die meisten seiner Kollegen gescheitert wären: Binnen zweier Tage traf er erst gegen die Pistons, dann gegen die Cavs einen Gamewinner. Von Downtown, versteht sich. In Cleveland brachte Lillard damit 36 Punkte, 10 Rebounds, 8 Assists und 8 Dreier aufs Scoreboard. Eine derartige Statline hatte zuletzt Jason Kidd zustande gebracht - vor beinahe 19 Jahren.
"Teamkollegen ermutigen mich"
"Meine Teamkollegen ermutigen mich, denn sie wissen, dass man mit Dreiern Punkte aufs Scoreboard bringt", sagte Lillard einst. "Und wenn ich einige treffe, kann ich heiß laufen." Es ist ein Geben und Nehmen in Portland. Die Mitspieler ermutigen Lillard und der lässt ihnen auf umgekehrtem Weg wiederum selbst Aufmunterung zuteilwerden. Schließlich ist er seinem Ziel, ein besserer Leader zu werden, in dieser Saison ein gutes Stück näher gekommen.
Unter der Führung von Lillard und LaMarcus Aldridge hat sich in Portland ein Team gefunden, dessen Chemie ligaweit wohl ihresgleichen sucht. Ein Team, in dem jedem eine Rolle zukommt, in dem auch auf dem Court jeder einzelne wichtig ist. "Unser System ist freischwebend", erklärt Wesley Mathews während eines Interviews mit "Grantland". "Coach Stotts lässt die Spieler die Plays ansagen. Und er vertraut uns. Deshalb sind wir da draußen. Zwar haben wir natürlich unsere Systeme, er vertraut aber dennoch darauf, dass wir uns für das richtige Play entscheiden."
Durant: "Mögen sie nicht"
Als Playmaker kommt Lillard dabei selbstverständlich eine ganz spezielle Rolle zu, die er häufig auch bestens ausfüllt. Selbst beim 95:98 gegen West-Primus OKC Thunder fehlte nicht viel. Noch wichtiger aber: Mittlerweile werden die Blazers selbst vom besten Team der eigenen Conference ernst genommen. So ernst, dass sich Kevin Durant nach dem Spiel sogar gezwungen fühlte, seiner Abneigung gegenüber den Blazers Ausdruck zu verleihen. "Wir respektieren dieses Team, sie respektieren uns", sagte der MVP-Kandidat. "Aber wir mögen sie genauso wenig wie sie uns."
Anerkennung durch Abneigung - und das von einem der besten Spieler der Liga. Damian Lillard und Portland haben es trotz schwacher Defense und erneut unproduktiver Bank (22,8 Punkte, Rang 30) weit gebracht. Angesichts derartiger Probleme werden die Zweifler auch in naher Zukunft nicht verstummen. Ein tiefer Playoff-Run mit diesem Team? "Niemals", werden sie sagen. Zumal Portland auch vergangenes Jahr in der zweiten Saisonhälfte deutlich einbrach. Vielleicht gelingt es den Blazers dennoch, vielleicht hält Damian Lillard ihre Offense auch in den Playoffs am Laufen. Klappt es, wäre er im Sommer, wie schon beim All-Star Game, abermals deutlich beschäftigter, als ein Großteil seiner Kollegen. Lillard könnte es sicherlich verschmerzen.