Die Boston Celtics straucheln in der laufenden Saison. Doch zumindest Rookie Kelly Olynyk überrascht positiv. Im Interview mit SPOX verrät der 22-Jährige, warum er als Kanadier kein Eishockeyprofi wurde, wie sein Kumpel Elias Harris die NBA-Rückkehr schaffen kann - und weshalb er so lange Haare hat.
SPOX: Mister Olynyk, vergangene Saison spielten Sie gemeinsam mit Elias Harris am College für die Gonzaga Bulldogs. Warum haben Sie den Durchbruch in der NBA geschafft, er aber nicht?
Kelly Olynyk: Wie ich gehört habe, ist es am Ende eine rein finanzielle Entscheidung gewesen, Elias frühzeitig zu entlassen. Er hatte einfach Pech. Bei den Lakers befindet sich momentan Vieles im Umbruch. Er hat einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt, gerade dort zu landen. Schade! Ich hätte es ihm sehr gegönnt. Wir haben vier Jahre lang zusammengespielt, Elias ist ein richtig guter Kumpel.
SPOX: Sind Sie mit ihm in Kontakt?
Olynyk: Als er noch bei den Lakers gewesen ist, haben wir uns ausgetauscht. Er war richtig happy. Auch kurz vor seiner Abreise nach Deutschland haben wir nochmals gesprochen. Ich habe ihm gesagt: Steck' den Kopf nicht in den Sand, glaube weiter an dich und nutze die Chance in Deutschland, damit du bald wieder eine Möglichkeit erhälst, zurück in die NBA zu kommen - entweder schon nächste Saison oder irgendwann später.
SPOX: Haben Sie schon etwas erfahren, wie es bei ihm in der deutschen Bundesliga läuft?
Olynyk: Leider nein. Seitdem er zurück in Deutschland ist, hatten wir keinen Kontakt mehr. Ich sollte ihm mal wieder schreiben. Ich weiß aber nicht, ob das mit seinem amerikanischen Handy in Deutschland klappt.
SPOX: Wir können Ihnen Harris' neue deutsche Nummer geben...
Olynyk: Das wäre klasse! Dann schreibe ich ihm direkt nachher einmal.
SPOX: Was muss Harris tun, um in die NBA zurückzukehren?
Olynyk: Er muss weiter hart an sich arbeiten, so wie er es schon immer getan hat. Elias ist ein sehr guter Spieler. Er braucht aber Spielzeit, um sein Können unter Beweis zu stellen. Es kommt darauf an, welches Team ihm eine Chance gibt.
SPOX: Inwieweit muss er sich spielerisch verbessern?
Olynyk: Auf jeden Fall muss er die offenen Drei-Punkte-Würfe noch konstanter treffen.
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SPOX: Dann wäre er bereit für einen Wechsel zu den Boston Celtics?
Olynyk: Genau. (lacht) Es wäre ein Traum, wieder mit Elias zusammenspielen zu können. Bei den Lakers spielte er ja schon gemeinsam mit Robert Sacre, einem weiteren früheren Teamkollegen aus Gonzaga.
SPOX: Sie stammen aus Kanada, sind in Toronto geboren. Warum sind Sie kein Eishockeyprofi geworden?
Olynyk: Als ich ein kleiner Junge war, habe ich es ausprobiert. Aber im Basketball bin ich definitiv talentierter.
SPOX: Wie alt waren Sie bei Ihren Eishockey-Versuchen?
Olynyk: Vielleicht fünf oder sechs Jahre. Jedes Kind in Kanada geht irgendwann mal aufs Eis und nimmt dabei einen Schläger in die Hand. Eishockey ist unser Nationalsport. Die Temperaturen in unserem Land sind immer ziemlich frostig, daher gibt es viele zugefrorene Seen, auf denen man Eislaufen oder Eishockey spielen kann.
SPOX: Warum sind Sie dann Basketballer geworden?
Olynyk: Das hat mit meiner familiären Prägung zu tun, weil auch meine Eltern eine große Verbindung zum Basketball haben. Daher gab es für mich fast keine andere Chance, als Basketballer zu werden. (lacht) Meine Eltern lieben Basketball. Diese Liebe haben sie auf mich übertragen.
SPOX: Was machen Ihre Eltern genau?
Olynyk: Mein Vater Ken ist Basketball-Trainer. Er war jahrelang Coach der University of Toronto und verschiedener Jugend-Nationalmannschaften.
SPOX: Ein Vater, der Trainer ist - kann das gut gehen?
Olynyk: Es kann hart sein, aber auch ein Segen. Er weiß so viel über das Spiel und konnte mir eine ganze Menge beibringen, als ich jung war. Ich kann ihn alles fragen, er weiß über alles und jeden Bescheid. Er ist wie ein wandelndes Basketball-Lexikon. Sein Basketball-IQ ist enorm groß. Für mich als junger Spieler ist es großartig, so einen Menschen an meiner Seite zu wissen, der selbst auf hohem Level im Basketball tätig ist. Das gibt mir Sicherheit.
spoxSPOX: Und Ihre Mutter Arlene?
Olynyk: Sie saß jahrelang bei den Toronto Raptors am Anschreibetisch und war für die Spielstand-Anzeige zuständig. Außerdem hat sie selbst Basketball gespielt und war lange als Schiedsrichterin aktiv. Auch sie kennt sich in diesem Sport wahnsinnig gut aus. Ansonsten hätte sie es wohl auch nie mit meinem Vater ausgehalten. (lacht)
SPOX: Haben Sie Geschwister, die Basketball spielen?
Olynyk: Ja, meine kleine Schwester Maya, sie spielt am College. Sie ist ebenfalls sehr talentiert. Wenn sie hart genug arbeitet, kann sie es vielleicht in die WNBA schaffen. Aber sie hat in diesem Jahr gerade erst mit dem College begonnen, von daher hat sie noch ein bisschen Zeit.
SPOX: Wer hat längere Haare? Ihre Schwester oder Sie?
Olynyk: Meine Schwester! Aber nur knapp. (lacht)
SPOX: Geboren und aufgewachsen in Toronto: Ist es für Sie ein Traum, irgendwann einmal für die Raptors zu spielen?
Olynyk: Als ich ein kleiner Junge war, war das definitiv mein Traum. So ist das ja in jeder anderen Stadt auch. Wenn man zum Beispiel in New York aufwächst, will man unbedingt einmal für die Knicks spielen. So war das bei mir und den Raptors ebenfalls.
SPOX: Sind Sie ein Raptors-Fan?
Olynyk: Ja, ich habe die Raptors schon immer ganz eng verfolgt. Eine Dauerkarte hatte ich zwar nicht. Aber das ist der große Vorteil, wenn man sein Hobby mit den Eltern teilt: Wenn die Spiele nicht zu spät abends waren, haben sie mich immer mit in die Arena genommen. Schon als kleiner Junge. Das waren häufig Familienausflüge.
SPOX: Sind Sie auch Fan von Drake, dem weltberühmten Rapper, der als Botschafter für die Raptors aktiv ist?
Olynyk: Na klar! Er ist ein toller Künstler und ein großartiges Aushängeschild für Toronto.
SPOX: Was ist Ihr Lieblingslied?
Olynyk: Puh, gute Frage, ich mag alles von ihm. Sein letztes Album "Nothing was the same" war großartig, ebenso sein vorheriges "Take Care". Ich habe viele Lieblingslieder von ihm, daher kann ich mich jetzt schwer auf eines festlegen. (lacht)
SPOX: Ist es für Sie immer noch ein Traum, für die Raptors zu spielen?
Olynyk: Ich hätte definitiv nichts dagegen. Ich liebe die Raptors, ich liebe die Stadt Toronto. Es wäre genial, für die Heimstadt zu spielen und sie repräsentieren zu dürfen. Aber ich will momentan überhaupt nicht klagen: Auch Boston ist eine großartige Stadt, und die Celtics sind vielleicht die legendärste Franchise der gesamten NBA. Daher bin ich auch wahnsinnig glücklich, hier spielen zu dürfen.
Seite 2: Olynyk über seine Anfänge als Guard und die Bewunderung für Nowitzki
SPOX: Allerdings war es lange Zeit gar nicht abzusehen, dass Sie irgendwann einmal den Sprung in die NBA schaffen...
Olynyk: Das stimmt. Früher war ich ein zierlicher Junge und habe daher als Point Guard begonnen. Doch plötzlich bin ich an der High School in einem Jahr um 18 Zentimeter gewachsen.
SPOX: Und dann mussten Sie umgeschult werden?
Olynyk: Genau. Als ich 2009 von der High School ans College ging, war ich plötzlich weit über zwei Meter groß. Ich konnte nicht mehr als Point Guard spielen, sondern musste in den Frontcourt. Doch damit bin ich anfangs überhaupt nicht zurecht gekommen. Zumal ich mit Elias Harris und Robert Sacre zwei wahnsinnig starke Kontrahenten auf meiner Position hatte. Daher habe ich fast nur auf der Bank gesessen und kaum Minuten bekommen.
SPOX: In der Saison 2011/12 waren Sie dann so verzweifelt, dass Sie ein komplettes Jahr aussetzten und ausschließlich trainierten...
Olynyk: Ich habe hart an mir und meinen Fähigkeiten gearbeitet. Ich wollte größer, schneller, stärker und athletischer werden. Das ist mir offenbar ganz gut gelungen.
SPOX: In der Tat. Nach Ihrer Rückkehr spielten Sie 2012/13 eine überragende Saison mit 17,8 Punkten pro Spiel bei 62,9-prozentiger Wurfquote.
Olynyk: Robert hatte sein Studium beendet, daher bildeten Elias und ich den Frontcourt. Unser gesamtes Team hat stark gespielt, ich ebenfalls. Ich hätte zwar noch ein weiteres Jahr an der Uni bleiben können. Doch als ich gehört habe, dass verschiedene NBA-Teams an mir interessiert sind, wollte ich direkt den Sprung wagen.
SPOX: Wie sehr profitieren Sie davon, dass Sie früher einmal Point Guard waren?
Olynyk: Ich glaube schon, dass das ein Vorteil ist. Ich kann gut mit dem Ball umgehen, kann auch Dreier schießen und bin daher ein variabler Big Man.
SPOX: Im Draft 2013 wurden Sie an 13. Stelle von den Dallas Mavericks gepickt, dann jedoch an die Celtics weitergegeben. Wie war Ihre Gefühlslage dabei?
Olynyk: Es wäre aufregend gewesen, mit Dirk Nowitzki zusammenspielen zu können. Speziell für mich als Big Man, weil ich eine Menge von ihm hätte lernen können. Dirk ist mehrfacher All-Star, ein zukünftiger Hall-of-Famer. Ich muss sogar gestehen: Ich bin ein richtiger Nowitzki-Fan!
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SPOX: Weshalb?
Olynyk: Schon seine Anfänge in der NBA habe ich ganz eng verfolgt. Das hatte damit zu tun, dass er mit Steve Nash zusammenspielte, als er 1999 in die NBA zu den Mavericks kam. Nash ist ja auch Kanadier, ich bin ein riesengroßer Anhänger von ihm. Deshalb war ich früher auch ein großer Sympathisant der Mavericks. Es wäre schon cool gewesen, jetzt in Nashs Spuren zu wandeln und für Dallas zu spielen. Aber wie gesagt: Auch hier in Boston kann ich überhaupt nicht klagen.
spoxSPOX: Steve Nash ist eine kanadische Basketball-Legende. Was können Sie von ihm lernen, auch wenn Sie ein ganz anderer Spielertyp sind?
Olynyk: Steve ist ein total uneigennütziger Spieler. Er liebt es, den Ball zu verteilen und seine Teamkollegen besser zu machen. Diese Einstellung habe ich auch als Big Man versucht, von klein auf zu verinnerlichen. Hinzu kommt Steves unglaublicher Arbeitswille. Er ist kein großes Talent, eigentlich nur durchschnittlich veranlagt. Doch er hat sich bis nach ganz oben gekämpft.
SPOX: Kennen Sie Nash persönlich?
Olynyk: Ja klar, wir haben bereits in der Nationalmannschaft zusammengespielt. Bei jeder Gelegenheit gibt er mit Ratschläge, wie ich mich verbessern kann. Er ist für mich ein riesengroßes Vorbild.
SPOX: Ihre ersten NBA-Monate sind nun vorüber. Wie sind Ihre Eindrücke?
Olynyk: Man hat viel mehr Spiele als am College, die Herausforderung ist enorm. Jeden Abend triffst du auf die besten Basketballer der Welt. Für uns bei den Celtics gab es bereits viele Ups und Downs. Es fühlt sich wie eine Achterbahnfahrt an.
SPOX: Sie stehen nicht in den Playoff-Rängen, doch nun ist der lange verletzte Rajon Rondo zurückgekehrt.
Olynyk: Die Situation ist schwierig, weil Rajon so ewig verletzt war und draußen gewesen ist. Es ist nicht realistisch zu glauben, er kommt zurück und ist sofort wieder der Alte. Es wird eine Zeit brauchen, bis er wieder topfit ist. Wir haben ja auch viele neue Spieler oder Rookies wie ich im Team, die noch nie mit Rajon zusammengespielt haben. Das bedeutet jetzt eine enorme Umstellung für uns alle. Aber perspektivisch ist es natürlich genial, wenn du einen All-Star-Point-Guard in deiner Mannschaft hast.
SPOX: Was ist im weiteren Saisonverlauf noch möglich?
Olynyk: Wenn Rajon noch besser spielt und das Team sich so schnell wie möglich an ihn gewöhnt, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass wir doch noch die Playoffs angreifen.
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SPOX: Haben Sie eigentlich Karriereziele, die Sie unbedingt erreichen wollen?
Olynyk: Das ultimative Ziel ist, den NBA-Titel zu gewinnen. Daran arbeite ich hart. Wenn man bei uns in der Halle die ganzen Championship-Banner hängen sieht, motiviert dich das als Spieler sehr.
SPOX: Zu guter Letzt: Wir haben vorhin schon kurz über Ihre Haare gesprochen. Hatten Sie schon immer eine so lange Mähne?
Olynyk: Nein. Als kleiner Junge hatte ich kurze Haare. Erst als ich am College war, habe ich mir die Haare wachsen lassen.
SPOX: Warum?
Olynyk: Ich habe am College in einer WG mit zwei Jungs gewohnt, die riesengroße Fußballfans waren. Wir haben uns gemeinsam viele Spiele angeschaut. Und mir ist aufgefallen, dass viele europäische Fußballer lange Haare tragen. Das fand ich cool. Also habe ich sie auch wachsen lassen.
SPOX: Hatten Sie dafür ein spezielles Vorbild?
Olynyk: Die ganzen Italiener, die Spanier - zum Beispiel Sergio Ramos! Aber nachdem ich meine Haare habe wachsen lassen, hat er seine radikal abschneiden lassen. (lacht)
SPOX: Wenn Sie Fußball mögen, haben Sie auch einen Lieblingsclub in der deutschen Fußball-Bundesliga?
Olynyk: Bayern München mag ich sehr!
SPOX: Die haben jetzt übrigens auch ein Basketball-Team...
Olynyk: Ach, echt? Sind die gut?
SPOX: Ja, sie kämpfen um die Deutsche Meisterschaft - unter anderem gegen Harris' Bamberger.
Olynyk: Ah okay. In diesem Fall werde ich den Bayern dann ausnahmsweise nicht die Daumen drücken. (lacht)