SPOX: Herr Kirilenko, Sie sind jetzt ein halbes Jahr im Big Apple. Spüren Sie eigentlich die Rivalität mit den Knicks in der Stadt?
Andrei Kirilenko: Es wird überall drüber gesprochen, aber ich spüre davon nichts. Ich bin ohnehin kein Fan von Rivalitäten. Sie können alle vier Spiele gegen dich gewinnen und trotzdem nicht in die Playoffs kommen. Es spielt nun mal keine Rolle, wie du gegen deinen Rivalen gespielt hast, wenn du am Ende um den Titel spielst. Ich denke, dass dieses Gerede über Rivalitäten mehr von den Medien und den Fans forciert wird. Bei uns ist es doch nun mal so, dass du in dem einen Jahr hier spielst und in der nächsten Saison schon wieder woanders. Das ist das Geschäft.
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SPOX: Hatten Sie denn mal Kontakt mit Knicks-Fans? Wie denken die über die Nets-Franchise in New York?
Kirilenko: Ich treffe andauernd Knicks-Fans und sie sagen mir natürlich, dass sie beim Duell gegen uns die Knicks anfeuern, aber in den anderen Spielen sind sie für uns. Die Nets sind eben auch ein New Yorker Team. Es spielt keine Rolle, ob Knicks oder Nets. Wenn es gegen ein anderes Team geht, werden auch wir angefeuert.
SPOX: Sie haben für Utah und Minnesota gespielt, jetzt für Brooklyn. Wie erleben Sie den Unterschied zwischen den eher kleinen Städten und nun der Weltmetropole?
Kirilenko: Ich bin in großen Städten aufgewachsen, in St. Petersburg und Moskau. Es ist also nicht neu für mich. Ich bin an große Städte gewöhnt. Aber meine zehn Jahre in Utah waren großartig. In meinen ersten zwei Monaten dachte ich: Was mache ich hier überhaupt? Alles war so klein, ich habe mich überhaupt nicht zurecht gefunden, aber dann gewöhnt man sich daran. Meine Kinder sind dort geboren. Das verbindet einen natürlich mit der Stadt und jetzt ist es wie ein Zuhause. In Minneapolis war es ähnlich. Eine kleine Stadt, in der sich viele Leute untereinander kennen - einfach eine tolle Gemeinschaft. Die Menschen sind so nett und gastfreundlich. Es sind zwei unterschiedliche Erfahrungen. Ich kann aber nicht sagen, was ich besser finde. Sehr unterschiedlich, aber man gewöhnt sich an beides sehr schnell.
SPOX: Vor der Saison stiegen Sie aus Ihrem mit zehn Millionen Dollar dotierten Vertag in Minnesota aus und akzeptierten eine Offerte über 6,5 Millionen Dollar für zwei Jahre bei den Nets. Aus welchem Grund?
Kirilenko: Das ist eine längere Geschichte. Als ich auf mein letztes Jahr in Minnesota verzichtete, bin ich eigentlich davon ausgegangen, einen neuen mehrjährigen Vertrag bei den Timberwolves zu unterschreiben. Dann kam aber mit Flip Saunders ein neuer GM und er hatte andere Vorstellungen. Das war auch gar kein Problem, Flip ist ein toller Kerl. Gleichzeitig wurden dann Kevin Garnett und Paul Pierce nach Brooklyn getradet und das habe ich als Chance gesehen. Es war eine Chance für mich, in einem starken Team mit vielen guten Spielern zu spielen. Dazu diese tolle, große Stadt. Ich wollte, dass meine Kinder diese Stadt kennenlernen. Daher haben wir uns für Brooklyn entschieden. Ich habe nicht mehr so viele Jahre vor mir, daher musste ich diese Chance ergreifen.
SPOX: Und welchen Einfluss hatte der russische Besitzer Michail Prokhorov auf Ihre Entscheidung?
Kirilenko: Es war ein Bonus. Als ich nach Minnesota kam, gab es dort mit Alexey Shved bereits einen russischen Spieler. Das war auch ein netter Bonus. Aber so etwas gibt nicht den Ausschlag. Es macht die ganze Sache aber natürlich interessanter.
SPOX: Kommen wir zum Sportlichen. Sie fielen zu Saisonbeginn lange mit Rückenproblemen aus. Von den ersten zwölf Spielen nach ihrer Rückkehr verloren die Nets nur zwei Spiele. War das nur Zufall?
Kirilenko: (lacht) Das will ich zumindest glauben. Nein, da spielen eine Menge Faktoren eine Rolle. Aufgrund der vielen Neuzugänge brauchten wir einfach eine gewisse Zeit, um uns zu finden. Wir agieren jetzt viel selbstbewusster. Es fing im Januar an. Es war eine Art Neuanfang für uns. Ich bin einfach nur zum richtigen Zeitpunkt zurückgekommen.
SPOX: Wie würden Sie Ihre Rolle im Team beschreiben?
Kirilenko: Das ist schwer zu sagen. Natürlich spricht man vor der Saison darüber, welche Rolle man haben möchte und wo man sich sieht, aber letztlich interessiert das im Laufe der Saison nicht mehr. Wir haben auf jeder Position so viele talentierte Spieler. Es spielt daher überhaupt keine Rolle, wie viele Minuten man spielt. An einem Abend sind es vielleicht 40 und am nächsten spielst du vielleicht gar nicht. Das bedeutet für jeden Spieler, dass er immer mit Hingabe dabei sein muss. Man muss seine Minuten nutzen und für das Team effektiv sein.
SPOX: Sie sind ein sehr vielseitiger Spieler, der nicht ständig den Ball in seinen Händen halten muss, um effektiv zu sein. Macht es das leichter, auch nach einer Verletzung schnell in ein neues Team reinzufinden?
Kirilenko: Mir ist es jedenfalls nie schwer gefallen, mich zurechtzufinden. Schwieriger ist es, sein eigenes Niveau zu erreichen, das man gewöhnt ist, wenn man immer wieder ausfällt. Aber mir geht's jetzt ganz gut, die Belastung ist aufgrund unserer Tiefe zum Glück nicht so hoch für mich.
SPOX: Waren Sie eigentlich immer schon ein Spieler, der gern abseits des Balls gespielt, sich viel bewegt und das Spiel so für seine Mitspieler leichter gemacht hat?
Kirilenko: Sagen Sie es mir! (lacht)
SPOX: Auf den Profibereich trifft das offensichtlich zu, aber war es auch in der Jugend schon so?
Kirilenko: Ja, ich denke schon. Ich habe immer mit großartigen Spielern zusammengespielt, die eine andere Rolle hatten und gern mit dem Ball gespielt haben. Ich habe mich deshalb früh darauf festgelegt, alles andere zu machen, Freiräume zu schaffen. Wie Sie vorhin sagten: Das hilft schon, in einem neuen Team gleich seine Nische zu finden.
SPOX: Auch ihr aktuelles Team ist wieder gespickt mit All-Stars und Veteranen. Dennoch lief es am Anfang der Saison gar nicht. Warum eigentlich?
Kirilenko: Ich denke, die Erwartungen waren einfach riesig. Wir wollten es einfach zu sehr erzwingen. Nach dem schlechten Saisonstart fielen die Erwartungen dann auch genauso schnell wieder. Das hat uns sicher geholfen. Wir haben uns mehr auf unser Spiel konzentriert und nicht die ganze Zeit daran gedacht, die Championship zu gewinnen. Das brauchte ein bisschen Zeit und war sicher ganz gut. Wir müssen Schritt für Schritt gehen und nicht denken, dass wir jedes Spiel gewinnen. Von Spiel zu Spiel in Richtung Playoffs muss die Devise sein.
SPOX: An dem Saisonziel hat sich deshalb aber nichts geändert, oder?
Kirilenko: Nein, wir glauben immer noch daran, dass wir die Meisterschaft gewinnen können. Aber wie gesagt, es würde uns nicht gut tun, jeden Tag daran zu denken. Wir gehen jede Aufgabe mit voller Konzentration an und schauen nicht zu sehr nach vorne. Auch wenn wir einen möglichen Titelgewinn am Horizont sehen können.
SPOX: Aller Voraussicht nach würden Sie für einen Titelgewinn die Miami Heat schlagen müssen. Das haben Sie bereits drei Mal in dieser Saison geschafft. Sind Sie der Angstgegner des Meisters?
Kirilenko: Wir legen keinen gesteigerten Wert darauf, dieses Image des Angstgegners zu befeuern. Miami ist der amtierende Champion, und das wird auch noch bis Juni so bleiben. Aber natürlich freuen wir uns über jeden Sieg, gerade gegen eine so starke Mannschaft. Unser Ziel ist es allerdings, uns nur auf uns selbst zu konzentrieren. Wir wissen, dann können wir jeden schlagen. Umgekehrt ist uns aber bewusst: Wenn wir nicht fokussiert sind, können wir auch gegen jeden verlieren.
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SPOX: In der schwierigen Zeit am Anfang der Saison: Wie war da die Stimmung im Team?
Kirilenko: Die Atmosphäre war eigentlich immer gut. Wir haben nun mal eine Menge Veteranen im Team. Da dreht keiner durch oder macht sein eigenes Ding. Wir haben weiter hart gearbeitet und versucht, unsere Fehler abzustellen.
SPOX: Trotz des aktuellen Laufs: Wie sehr schmerzt der Ausfall von Brook Lopez?
Kirilenko: Natürlich fehlt er. Er hat eine wichtige Rolle bei uns eingenommen. Auch der zwischenzeitliche Ausfall von Deron Williams hat uns weh getan. Wir haben aber ein sehr gutes Team, mit vielen guten Jungs, die ihre Klasse schon bewiesen haben. Wir können auch ohne ihn richtig gut spielen, das heißt aber nicht, dass wir ihn nicht vermissen. Aber das ist - wie immer - auch eine Chance für andere, sich in den Vordergrund zu spielen. Mason Plumlee macht zum Beispiel einen tollen Job.
SPOX: Mit Jason Kidd haben Sie einen Rookie-Coach. Wie beurteilen Sie seine Arbeit?
Kirilenko: Er hat sich zuletzt stark weiterentwickelt. Am Anfang war es für ihn alles noch sehr ungewohnt und man wusste nicht so wirklich, was man zu erwarten hatte. Aber je länger die Saison jetzt läuft, desto besser funktioniert die Zusammenarbeit. Die Ergebnisse sprechen für sich.