NBA

"Kidd? Ein fantastischer Leader"

Von Philipp Dornhegge
Paul Pierce und die Brooklyn Nets spielen im Jahr 2014 sehr erfolgreichen Basketball
© getty

Paul Pierce ist eine lebende Celtics-Legende, spielt nach einem Trade im Sommer in dieser Spielzeit aber für die Brooklyn Nets - und will mit ihnen um den Titel mitspielen. Bei SPOX spricht der Finals MVP von 2008 über die Unterschiede zwischen Boston und New York, den Aufschwung der Nets und seine Rolle als Elder Statesman der NBA.

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SPOX: Die Nets sind 2014 das beste Team der Eastern Conference. Was hat sich mit dem Jahreswechsel geändert?

Pierce: Vor allem unsere Einstellung in der Defense, da spielen wir auf einem hohen Niveau. Offensiv läuft der Ball besser, alle verstehen ihre Rollen viel besser. Aber unsere Verteidigung hat uns schon an vielen Abenden gerettet, wenn es vorne mal nicht so lief. Nach der schlimmen Niederlage gegen San Antonio an Silvester haben wir alle im Hotel zusammengesessen und uns gesagt: 'Hey, wir nutzen das neue Jahr für einen Neuanfang.' Seitdem sind wir ein anderes Team.

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SPOX: Welchen Anteil an ihrem Fehlstart schreiben Sie den Verletzungen zu?

Pierce: Das hatte viel damit zu tun, keine Frage. In der Preseason war Deron Williams nicht fit, danach ist Brook Lopez ausgefallen und auch Andrei Kirilenko war nicht dabei. Wenn man viele neue Spieler zusammenbringt und versuchen muss, eine Chemie herzustellen, dann ist es einfach schwer, ständig mit diesen Verletzungen umzugehen. Es ist ja kein Zufall, dass die besten Mannschaften der NBA für gewöhnlich diejenigen sind, die über einen längeren Zeitraum alle Mann an Bord haben.

SPOX: Wie sehr kommt dem Team die Tiefe des Kaders zugute?

Pierce: Unsere Tiefe ist ganz entscheidend für unseren Erfolg. Bei all den Ausfällen, die wir immer wieder haben und hatten, kann jederzeit jeder Spieler eine wichtige Rolle einnehmen müssen. Wenn man dann erfahrene Männer hat, die bereit stehen, ist das wunderbar.

SPOX: Hatten die Probleme der Nets zu Beginn auch etwas mit dem Trainer zu tun?

Pierce: Jason Kidd ist großartig. Natürlich hat er sich anfangs schwer getan, der Übergang vom Spieler direkt zum Head Coach ist tough. Das hat man gemerkt. Aber Jason ist ein geborener Anführer, das hat man schon während seiner aktiven Zeit gesehen. Und inzwischen macht er einen tollen Job, es funktioniert super mit ihm.

SPOX: Sie sind seit 16 Jahren in der NBA, Kevin Garnett sogar 19 Jahre. Waren Sie in der schweren Zeit versucht, Kidd unter die Arme zu greifen?

Pierce: Das war überhaupt nicht nötig. Wie gesagt ist er ein fantastischer Leader, das war er immer schon. Die widrigen Umstände haben ihm sicher geholfen, als Head Coach schneller erwachsen zu werden. Im Umgang mit uns war er immer positiv, hat uns stets unterstützt und hat Recht behalten, als er meinte, wir würden die Saison noch in die richtigen Bahnen lenken.

SPOX: Wie sehr sind Sie in ihrem Alter noch bereit, den Advanced-Stats- und Analytics-Trend mitzugehen?

Pierce: Ich habe mich damit, offen gesagt, noch nicht viel beschäftigt. Mein Eindruck ist, dass davon vor allem hinter den Kulissen viel Gebrauch gemacht wird. Für unsere Coaches ist das sicher ein wichtiges Tool. Ich mache meine Vorbereitung weiterhin vorrangig, indem ich viel Video schaue und mich mit den Tendenzen meines jeweiligen Gegenspielers beschäftige. Aber es kann dann unter Umständen schon helfen, wenn die Coaches tiefer in der Materiesind und Dir zeigen können, dass jemand auf einer bestimmten Seite oder an einer bestimmten Stelle besonders gefährlich ist.

SPOX: Sie ertappen sich also noch nicht dabei, wie sie denken: "Oh, mein Gegenspieler ist aus sechs Metern besonders treffsicher, ich muss ihn einen halben Meter rausschieben."?

Pierce: Nein, nein, ich berechne nichts. Mit der Zeit kennt man die Stärken und Schwächen und hat ein Gefühl dafür, was zu tun ist. Ich glaube auch, dass das der richtige Weg ist. Man muss sich auf seine Intuition verlassen können und darf während des Spiels nicht zu viel nachdenken.

SPOX: Und doch mussten Sie sich in dieser Saison umstellen: Sie starten seit einiger Zeit auf der Vier und spielen Abend für Abend gegen Power Forwards. Wie finden Sie sich in der Rolle zurecht?

Pierce: Sie sagen es ja: Ich spiele da inzwischen schon eine Weile. Es funktioniert gut, ich habe kein Problem damit.

SPOX: Wie beurteilen Sie ganz allgemein Ihre Saison?

Pierce: Es geht hier nicht um mich. Meine individuelle Situation und meine Rolle sind zweitrangig, ich will nur, dass unsere Mannschaft erfolgreich ist. Wenn das bedeutet, dass ich auch mal weniger Minuten sehe oder von der Bank komme, ist das auch okay. Ich bin in einer Phase meiner Karriere, in der ich mein Ego problemlos hinten anstellen kann.

SPOX: Es sind nur noch wenige Wochen bis zu den Playoffs. Glauben Sie, dass Sie eine echte Chance auf die Meisterschaft haben?

Pierce: Definitiv! Wir spielen gerade unseren besten Basketball, das Rennen im Osten ist völlig offen. Wir sind alle Miamis Herausforderer, da hat keiner klare Vorteile. Und dass wir Miami schlagen können, haben wir jetzt ein paar Mal bewiesen. Also warum sollten wir nicht daran glauben, dass wir um den Titel mitspielen können?

SPOX: Apropos Miami Heat: Was bedeuten solche Siege im Hinblick auf die Playoffs?

Pierce: Nicht nur im Hinblick auf die Playoffs geben sie dir großes Selbstvertrauen. Wir haben drei Siege gegen Miami einfahren können, waren in Oklahoma City erfolgreich, wo die Thunder fast unschlagbar sind. Solche Spiele zeigen dir, was möglich ist. Das hat uns auch dabei geholfen, den schlechten Saisonstart zu vergessen.

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SPOX: Kirilenko sagte unlängst im SPOX-Interview, dass er sich die Chance, mit Spieler wie Garnett und Ihnen auf dem Platz zu stehen und Teil einer starken Mannschaft zu sein, nicht entgehen lassen konnte. Was halten Sie eigentlich umgekehrt von Kirilenko?

Pierce: Er ist einer für die Kleinigkeiten, einer der alles machen kann, was man von ihm verlangt. Man kann ihn einfach auf den Platz schicken und ihm jeden beliebigen Job geben. Und er erfüllt ihn. Er kann jede Position verteidigen, man kann ihn auf den besten Spieler des Gegners ansetzen. In der Offense bewegt er sich gut, kann die Angriffe initiieren, kann passen. Ich war immer schon ein großer Fan von ihm, nicht viele Teams in der NBA haben so einen Spielertypen.

SPOX: Noch mal zu Ihnen: Sie sind eine lebende Celtics-Legende. Was ist der größte Unterschied zwischen Boston und New York?

Pierce: Es ist schon eine Umstellung gewesen, ich bin immer noch dabei, mich im Big Apple zurechtzufinden. Ich war so viele Jahre in Boston, einer viel kleineren Stadt, in der ich mit den Jahren jeden Winkel kannte. New York City ist so unglaublich groß, das dauert eine Weile. Die Atmosphäre ist völlig anders.

SPOX: Spüren Sie einen anderen Druck angesichts der Tatsache, dass sich die Medien sehr stark auf Städte wie New York fokussieren?

Pierce: Mir war gar nicht bewusst, dass die Medien Druck erzeugen (lacht). Ganz ehrlich, ich verbringe wenig Zeit damit, Zeitungen zu lesen und zu checken, was irgendwer über mich und mein Team schreibt.

SPOX: Sie haben vermutlich nur noch wenige Jahre als NBA-Profi im Tank. Hat Ihnen der Wechsel zu den Nets ins Bewusstsein gerufen, dass alles irgendwann endet? Gibt es Momente, in denen Sie melancholisch werden?

Pierce: Dieses Wort benutze ich nicht, das habe ich nicht in meinem Vokabular. (lacht) Im Ernst: Ich sehe mich nach so vielen Jahren natürlich schon als eine Art Botschafter des Sports, weiß, dass ich großen Respekt in der Liga genieße. Viele junge Spieler der anderen Mannschaften kommen vor den Spielen zu mir und wollen mich kennenlernen. Ich habe in den Layup Lines manchmal keine Ruhe. Also irgendwie merke ich schon, dass ich älter geworden bin (lacht).

Der Spielplan der Brooklyn Nets

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